Vertrottelte Major-Label, musikalischer Einheitsbrei in den Radios, ein Bekanntheitsgrad, der gegen Null tendiert. Wie kann man sich dennoch als Künstler/In, abseits der tristen und vielfach unoriginellen Musikindustrie in Österreich, Abhilfe schaffen? Die Linzer HipHop-Combo Texta gibt die Antwort. Paroli gegen Ö3
Wer noch nicht vor Verzweiflung sein Instrument zerschlagen hat oder längst ausgewandert ist, gehört zu den wenigen Enthusiasten, die das österreichische Musikbusiness (noch) nicht frühzeitig hat altern lassen. Ein Paradebeispiel dafür ist Texta – seit fast zehn Jahren im Geschäft und man höre und staune – sie machen nicht nur hörenswerten Hip Hop, sie produzieren und fördern ihn auch. Trotz Ö3.
FM5: Der Titel eures aktuellen Albums lautet Paroli. Was bedeutet Paroli überhaupt?
Huckey: Paroli haben wir gewählt, weil wir zu dieser Zeit gespürt haben, dass eine Haltung an den Tag gelegt werden sollte, die momentan vernachlässigt wird. Ich spüre irgendwie keine Leute mehr, die sich über irgendetwas aufregen. Das ist nicht nur auf die Hip Hop-Szene bezogen, sondern als Grundhaltung zu verstehen. Eigentlich wollten wir den Titel schon für eine frühere Platte nehmen, aber da hat es nicht so wirklich gepasst. Als wir dann diese Lieder gemacht haben, haben wir uns gedacht, dass es jetzt passen würde. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Songs.
Ihr habt wieder eine Menge Gäste auf eurem aktuellen Album, unter anderem Attwenger, mit denen ihr die erste Single Schaun herausgebracht habt. Wie werdet ihr dieses Lied gemeinsam performen?
Skero: Das Problem ist, dass die Ziehharmonika vom Hansi auf die Nummer rauftransformiert worden ist – also auf A gestimmt ist und müsste eigentlich auf B gestimmt sein. Jetzt müsste er sich entweder eine neue Ziehharmonika kaufen oder wir müssten es wieder auf B transformieren, was wieder anders klingen würde. Es ist kompliziert. Wir haben es einmal live gespielt am Donauinselfest, da hat der Hansi es ausgelassen wegen der besagten A-B Geschichte. Es ist kein Problem, die Nummer live zu performen, es ist nur wegen dem Instrument.
Wäre es nicht längst überfällig gewesen, mit Attwenger gemeinsame Sache zu machen?
Skero: Lange überfällig, ist dann aber passiert. Die Attwenger sind nicht die schnellsten und wir sind es auch nicht.
Huckey: Es fand tatsächlich statt, weil Attwenger eine Remix-Platte gemacht haben und dafür hätten wir einen Texta-Remix machen sollen. Nur wir waren zu langsam und haben dann ein neues Lied daraus gemacht.
Das heißt, der Song, der für Attwengers Dog2 bestimmt war, ist im Endeffekt auf eurer Platte gelandet.
Huckey: Ja, der Remix von Dog2 ist als neues Lied auf unserer Platte erschienen.
Skero: Wir haben auch einen neuen Beat gemacht. Der Erste hat ganz anders geklungen.
Paroli ist im Vergleich zu den anderen Alben weniger experimentell ausgefallen. Habt ihr euch mehr in Richtung “back to the roots” orientiert?
Skero: Das letzte Album war musikalisch mehr experimentell, weil wir uns in verschiedene Richtungen ausgebreitet haben. Das machen wir auf dem Album auch teilweise. Vom Vibe her ist es ein sehr direktes Album, eher politischer, weil wir glauben, dass auch die Zeit danach verlangt. Jedes Album reflektiert den Zeitraum, in dem es entsteht.
Was bedeutet euch die Mundart in eurer Musik?
Laima: Es gibt Nummern wie zum Beispiel Ka Problem, wo wir von Anfang an gesagt haben, das machen wir in Mundart. Dann haben wir gesehen, dass es eigentlich auch in Hochdeutsch ganz cool klingt und haben anschließend noch eine hochdeutsche Version dazu gemacht. Bei der hat es uns nicht mehr gereicht, allgemein über “Kein Problem” zu philosophieren, sondern wir reden über unsere Probleme. Das heißt, jeder stellt ein Problem von sich dar. Jetzt ist eine in Mundart und die andere in Hochdeutsch erschienen, aber es sind zwei unterschiedliche Nummern, weil es bei der einen um das persönliche Problem geht und bei der anderen mehr so drüber.
Gebt ihr eurem Hip Hop eine Eigenmarke “österreichisch”, indem ihr in Mundart performt?
Huckey: Selbst wenn wir in Hochdeutsch performen würden, würde es in Deutschland nicht als Hochdeutsch empfunden werden, sondern mit einem oberösterreichischen Dialekt versehen sein.
Skero: Ich glaube sowieso, dass Texta eine Eigenmarke ist. Das Ding ist, dass vieles in Mundart leichter zu rappen ist, weil es eine viel rundere Sprache ist. Gleichzeitig ist es nicht für so eine breite Masse verständlich und bei wirklich tiefgründigen Themen ist es etwas schwieriger zu verstehen.
Zum Thema “Dissen” – was im Hip Hop zum gängigem Ton gehört – möchte ich dabei auf euren Song Der letzte Schrei anspielen, in dem eine Strophe lautet: “Halt’s Maul Deutschland – steht auf meinem lieblings T-Shirt”. Ist das eine Art “Watschn”, die ihr dem deutschen Hip Hop verpasst?
Huckey: Das ist gar nicht der Grundgedanke. Das ist ein T-Shirt von einer Band und das habe ich damals immer angehabt. Es ist auch wirklich mein Lieblings-T-Shirt und mir haben schon Leute Geld dafür geboten.
Laima: Die Nummer richtet sich schon gegen die Hip Hop Szene. In dem Fall ist es kein dissen, sondern ein Zitat.
Skero: Wenn wir dissen, dann noch eher in dieser Nummer, in der wir uns ein wenig gegen den deutschen Hip Hop stellen, das ist richtig erkannt. Aber sonst haben wir das auf dieser Platte eher außen vor lassen. Anspielungen auf Personen gibt es schon, aber kein richtiges Dissen.
Huckey: Es gibt wichtigere Sachen als das deutsche Ghetto, aber man sollte das nicht zur Hauptsache werden lassen.
Ihr exportiert über euer Label Tonträger Records auch eine Menge MCs. Ist das eure Art der Jungenförderung?
Huckey: Ja, wir probieren viele Leute auf den Plan zu bringen.
Skero: Wenn ich jetzt 16 wäre, würde mich auch für etwas anderes interessieren als Deutschrap. Weil die Art, wie das Image in den Medien präsentiert wird, das wäre mir zu peinlich, ehrlich.
Versucht ihr etwas an dem Image zu verändern?
Laima: Wir haben sowieso unser eigenes Image. Wir haben nie dieses “fette Autos, Blinkblink, tausend Frauen”-Ding gespielt. Wir sind seit den letzten zehn Jahre gleich berühmt und haben immer schon ungefähr die selben Leute angezogen. Aber in den letzten zwei Jahren kommen viele mit: “Ihr müsst eh schon Häuser, Villen und Autos haben und stimmt es wirklich, dass ihr noch arbeiten geht?” Das ist aber nur deswegen, weil so was in jedem Rapvideo vorkommt. Früher war es nur in Amerika so, aber jetzt will jeder damit protzen, wie viel Geld er hat und auf einmal möchte jeder in Österreich auch viel Geld haben. Ich glaube es gibt sicher keinen in Österreich, der mit Hip Hop mehr verdient als wir. Und bei uns ist es schon wenig. Dafür ist einfach nicht das Geld da.
Ihr seid ja bereits lange im Musikgeschäft und es heißt, der Musikmarkt sei total in der Krise – wie habt ihr den Wandel in den letzten 10 Jahren wahrgenommen?
Laima: Darauf müssten wir jetzt eine fünf-Stunden-Antwort geben, um über die österreichische Musikszene zu reden, wieso bei uns nichts weitergeht und wieso es in der Schweiz – einem Land das kleiner ist als unseres – eine funktionierende Hip Hop-Szene gibt. Dort verkaufen die Hip Hopper teilweise Gold und dort wird er in allen Radios gespielt. Bei uns gibt es so viel Minus, zum Beispiel Ö3, die Medien etc. Gibt es irgendeine Genreband aus Österreich, die in Österreich bekannt ist? Nein. Da gibt es Leute wie Kruder und Dorfmeister, die überall auf der Welt mehr verkaufen als in Österreich. Aber in Österreich gibt es nur den Einheitsbrei, der von allen Radios nach Ö3 gepusht wird. Das ist eine Frage, da könnte ich mich so aufregen! In Österreich ist die Musikindustrie und die Radiokultur einfach nichts. Das ist ein Schaß, ein Bemmerl.
Huckey: Was sollte man in dieser tristen Situation mit den österreichischen Majors machen? Das sind die vertrotteltsten Typen, die es überhaupt gibt, die überhaupt nichts auf die Reihe bringen. Weil sie nichts auf die Reihe bringen können, weil sie nichts zu sagen haben. Nicht nur in Österreich, sondern auch überhaupt nirgends. Du brauchst nur fragen, was Sony in Deutschland oder in Österreich machen darf – nichts.
Etwas hat sich schon geändert. Es gibt zum Beispiel immer mehr Initiativen in Österreich, wie der Club Nolabel, wo wir Musikern aus Österreich Auftrittsmöglichkeiten verschafft werden. Und wir haben gelernt, dass man nur über Networking – in Österreich zumindest – weiterkommt. Ihr habt einen gewissen Namen, ihr könnt bestimmte Sachen featuren. Habt ihr schon darüber nachgedacht, quasi als Mentor für andere Musiker mitzumachen?
Huckey: Wir tun nichts anderes als Networking zu betreiben. Was wir bei unserem Label herausbringen sind nur unsere Leute. Wie ihr mit dem Club Nolabel Auftritte verschafft, helfen wir ihnen die Tonträger leichter herauszubringen.
Laima: Wir haben letztes Jahr zwei Platten nur mit Leuten von unserem Label herausgebracht – Die Unsichtbaren und das Tonträger Mix-Album, wo exklusive Tracks drauf sind und 17 MCs miteinander rappen.
Im Endeffekt hat sich die Herausforderung auf dem Musikmarkt nicht wirklich geändert, sprich “wie überzeuge ich wen, dass der zu meinem Konzert kommt, bzw. dass er meine Platte herausbringt”.
Christoph Moser (Hoanzl): Das kann man nur über Ö3 machen. Das hat man bei Emanuela von Fettes Brot gesehen. Kaum klappt es auf Ö3, verkaufen sich die Platten, verkaufen sich die Konzertkarten und das Video läuft auf allen Sendern. Es geht nur um Ö3. Österreich ist Ö3. Da können sie zehn Mal darüber auf Ö1 reden, das interessiert keine Sau – Ö3 ist das Thema. Es gibt nur einen Knackpunkt einen Hit zu machen, und der ist Ö3.
Wir von FM5 – als Plattform für Kunst und Jugendkultur – versuchen österreichische Musik zu fördern und darüber zu berichten. Was könnt ihr einem Musiker für Tipps geben, um in Österreich Fuß zu fassen, um bekannt zu werden und um österreichische Musik erfolgreich produzieren zu können?
Huckey: Mal keinen Tonträger zu machen. Eine eigene Website zu machen und schauen, dass man mit Filesharing in Kontakt kommt. Schauen, dass man über das Internet für Aufmerksamkeit sorgen kann. Schließ dich mit allen kurz, die du irgendwie kennst und arbeite mit denen zusammen. Schau, dass du mit kleinen Schritten irgendwie weiterkommst.
Laima: Wichtig ist auch die Qualität. Mittlerweile kann man sich über Myspace einen Hype kreieren und die Leute suchen auch nach Sachen, die sie nicht überall im Laden stehen sehen. Ich glaube die Möglichkeiten für junge Musiker sind nach wie vor nicht schlecht.
Christoph Moser (Hoanzl): Man muss aber auffallen, man muss sich unterscheiden und hervorstechen. Wir sind in einem Entertainmentbusiness, egal ob Rock oder Hip Hop, selbst Jazz oder Klassik würde ich mit hinein nehmen. Du musst auffallen durch Qualität, durch Eigenständigkeit, durch Konsequenz. Ja, du musst dranbleiben, Konsequenz ist ganz wichtig. Du musst dich unterscheiden von anderen. Nicht: “wenn das funktioniert, mach ich das gleiche” – das ist langweilig!
Das Interview führte Linda Schürer-Waldheim und ist bei FM5 erschienen.
https://www.musicaustria.at/musicaustria/liste-aller-bei-mica-erschienenen-interviews