Interview mit Harald Quendler

Die Extraplatte war von Beginn an nicht nur Label, sondern auch Vertrieb, was damals, in den Gründungsjahren recht einzigartig war. Dafür verantwortlich zeigte sich Pionier Harald Quendler, der heute zu den Koriphäen am österreichischen Musikmarkt zählt. Grund genug also für Martin Aschauer, einmal nachzufragen.  

Warum waren diese Bereiche bei dir nicht getrennt?

Harald Quendler: Es hat ja keinen Sinn etwas zu produzieren, das dann nicht unter die Leute kommt. Ende der 70er-Jahre, als Musikproduktion noch extrem teuer und fast “mystisch verklärt” war – eine Angelegenheit, die anscheinend nur von großen Firmen realisiert werden konnte – waren Produktion und Vertrieb fast zwangsweise verbunden. Wenn ein Liedermacher in dieser Zeit eine Platte machen wollte, dann musste er – mit ganz wenigen Ausnahmen – bei einer der großen Plattenfirmen vorstellig werden. Er hatte keine andere Möglichkeit. Wenn er bei einer dieser Firmen einen Plattenvertrag erhielt, war automatisch der Vertrieb inkludiert.

Wenn nun eine Industriefirma gesagt hat (und um die geht es in erster Linie, denn außer Preiser Records hat es in Österreich damals kaum eine Alternative zu den Major-Companies gegeben): “Nein diese Inhalte nicht; sowas machen wir nicht!”, dann hatte der Künstler keine Chance auf Realisierung einer Produktion.

Dass Künstler Ihre Platten selbst produzieren (und auch vertreiben könnnen), war – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – damals in Österreich fast nicht vorstellbar. Es gab zwar auch in europäischen Ländern, wie Schweden, England, Belgien, Frankreich, Italien oder Deutschland Initiativen (z.B. RECOMMENDED RECORDS, “ROCK IN OPPOSITION” oder SCHNEEBALL), doch diese wurden erst relativ spät auch in Österreich wahrgenommen.

Irgendwann aber haben sich Leute auch hierzulande überlegt, Platten eigentlich auch selbst machen zu können. Im Falle der Extraplatte waren das Musiker im Umfeld des FOLK-CLUB ATLANTIS, die sich 1977 zu diesem Schritt entschlossen haben, wobei sie in der Musikgruppe SCHMETTERLINGE ganz wesentliche Unterstützer gefunden haben.

Größtes Problem waren damals die Aufnahmekosten. Nur zehn Jahre später war die kostengünstige Aufnahme bestimmter Musiken, wie z.B. der Live-Mitschnitt eines Liedermacher-Auftritts mittels eines z.B. professionellen Walkman, durchaus machbar und ausreichend für eine Plattenpressung. In den 70ern ging ohne teurem Tonstudio gar nichts.

Die Schmetterlinge hatten für Ihr monumentales Werk “PROLETENPASSION” einen Industrievertrag bekommen. Das Produkt war so interessant und schien so erfolgversprechend, dass es der Gruppe gelungen war, mit der Plattenfirma eine Vereinbarung zu treffen, die es ihnen ermöglichte, mittels einer Vorschußzahlung ihr eigenes Tonstudio aufzubauen, um ihre Platte aufzunehmen. Das Studio war im ältesten Kino Niederösterreichs in Bisamberg beheimatet und trug den feinen Namen “Schmettersound”; eine Bezeichnung, die durchaus Programm war.

Die Schmetterlinge hatten also die Schmettersound Studio GmbH gegründet, das Kino zum Tonstudio umgebaut und darin ihre Aufnahmen gemacht. Das weckte die Begehrlichkeiten von Musiker-FreundInnen: Leute aus der Arena-Bewegung, Künstler aus dem Folk-Club Atlantis und nicht zuletzt der damals sehr rührigen Liedermacherszene, die im sehr emotional geführten Anti-AKW-Kampf eine einigende “Klammer” gefunden hatte. Jeder hat jeden gekannt. Das war eine eingeschworene Gemeinschaft: Erich Demmer, Heli Deinboeck, Martin Auer, Reinhard Sellner, Rudi Burda oder Werner Prassl & Patrick Cinque – um nur einige zu nennen. Auch Lukas Resetarits mit seinen ersten Kabarett-Programmen oder Roland Neuwirth sollten erwähnt werden.

Ein Studio war also vorhanden. Der Wunsch vieler Künstler, die ohne Plattenvertrag dastanden, dieses Studio auch nutzen zu können, übermächtig. Was tun? Jetzt gab es zwar ein Studio, in dem zu “freundschaftlichen” Preisen & Konditionen produziert werden konnte, jedoch keinen Vertrieb. Das eine hat also fast zwangsweise das andere ergeben: Platten zu produzieren, ohne diese auch verkaufen zu können, schien nicht sinnvoll zu sein. Die Idee des “Vertriebes der Musiker” war geboren; bald darauf der Name “Extraplatte” gefunden und alle Beteiligten haben voller Begeisterung “losgelegt”.

In den Zeiten der Anti-AKW-Bewegung war das relativ einfach. Die Leute waren unglaublich emotionalisiert. Ich kann mich gut erinnern: Als ich 1979 – zwei Jahre nach Gründung der Extraplatte – als Verkäufer engagiert worden war, gab es von Extraplatte zwei bis drei Singles und vier LPs, letztere mit den Artikelnummern EX 1, 2, 3 & 5 (die Nr. 4 ist später erschienen). Und es hat tatsächlich Kunden gegeben, die uns geschrieben haben: “EX 1, 2, 3 hab ich schon. Wenn EX 4 auch schon erschienen sein sollte, dann will ich die auch haben, egal was da drauf ist.” Die haben gewusst, da steckt einer aus der “Szene” dahinter; das hat gereicht für die Kaufentscheidung.

Veröffentlicht wurden großteils sehr engagierte Songs. Die politische Ausrichtung war eindeutig links. Es war Pflicht jedes produzierenden Künstlers, jeder LP ein Textheft beizufügen. Der Laden-Preis wurde mit öS 135,- festgesetzt.

Die Gruppendynamik war enorm ausgeprägt: Schon im Frühjahr 1980 wurde mir vorgeworfen, ich hätte ohne Erlaubnis eine Jazzplatte “zugelassen”. Das sei “nicht politisch und würde den Vorstellungen des Kollektivs nicht entsprechen.” In meinen Augen war das durchaus der Fall. Ich habe gesagt: “Politik ist nicht nur Faustschwingen; politisches Bewußtsein kann sich auf vielerlei Arten manifestieren.”

 

 

Wie kommt man bei der Extraplatte unter Vertrag. Wie suchst du dir deine KünstlerInnen aus?

Harald Quendler: Einerseits sehr subjektiv, indem ich mir die Sachen anhöre und mir ein eigenes Urteil darüber bilde. Andererseits muss ich gestehen, dass ich mich mit dem Verkauf zunehmend nicht mehr beschäftigen kann und es auch gar nicht will. Leute, die verkaufen, die sollen auch mitentscheiden! Das hängt natürlich auch immer mit der Struktur eines Unternehmens zusammen. Ganz am Anfang war ich ein Mitarbeiter eines Kollektivs und habe im Auftrag Dritter gearbeitet. Bis Mai 1981 habe ich im Grunde genommen das gemacht, was mir angeschafft worden ist und bin manchmal ein wenig ausgeritten – wie vorhin schon erwähnt; bspw. mit der Jazzplatte.

Ab 1. Juni 1981 war ich selbständig, sprich: Extraplatte war ein Einmannbetrieb. Später waren wir zu zweit, irgendwann waren wir zu dritt. Mit Julian Schönfeld ist ein Mann in die Extraplatte gekommen, der ein aberwitziges Repertoirewissen gehabt hat. Die Qualität des Unternehmens als Anbieter (auch und vor allem für den Fachhandel) hat sich damit innerhalb von einigen Monaten enorm verbessert. Wir hatten in der besten Zeit ca 45.000 verschiedene Produkte aus aller Welt im Angebot. Leute haben uns fassungslos angerufen und gesagt: “Ich bin immer nach London einkaufen geflogen, das brauch ich nicht mehr; ihr habt ja eh alles.” Das hat 1983 angefangen und ist in etwa bis 1997/98 so gelaufen. Diese Jahre waren unglaublich.

Heute ist die Marktsituation eine völlig andere. Viele wichtige Plattenläden sind verschwunden, viele Labels – auch im Ausland – in troubles. In der EU gibt es keine overrights mehr, Exklusivverträge kaum mehr vorhanden – und wenn, dann wackeln sie. Viele Labels sind krank.

Wir haben ein französisches Label hier in Österreich über sieben Jahre aufgebaut. Im letzten Herbst geriet es in Schwierigkeiten und wurde aufgekauft. Der Käufer hat uns umgehend als Vertrieb für Österreich hinausgeworfen. Die ganze Aufbauarbeit für ein seinerzeit hierzulande völlig unbekanntes Label war dahin. Der Umsatz mittlerweile hunderter, gut verkaufender Titel fehlt uns ab sofort. Den lukriert nunmehr das ausländische Unternehmen, ohne dass es uns die jahrelange Aufbauarbeit hier in Österreich abgelten müßte. Dies entspricht der EU-Rechtssprechung, die solche “Abstandszahlungen” nur einem Agenten, nicht jedoch einem Vertriebspartner, der die Ware auf eigene Rechnung kauft und verkauft, zugesteht. Pragmatisch gesehen: verständlich.

Solche Zukäufe waren und sind natürlich eine ganz wesentliche Unterstützung für Produktionen, die uns wichtig sind, aber nicht so gut verkaufen. Jetzt wo die Zukäufe nicht mehr das notwendige Geld bringen, wo der Markt so zusammenbricht, muss auch ich vorsichtig werden und kann viele Sachen nicht mehr zulassen, die ich früher einfach gemacht habe.

 

 

Ich habe gelesen, dass du ursprünglich gelernter Schneider warst und von einer Platte am Anfang gerade mal gewusst hast, dass sie ein Loch hat, mehr aber nicht. Warum hast du den Anspruch gehabt, dich so stark in ein Indie-Label zu engagieren und dich damit selbständig zu machen?

Harald Quendler: Das ist sehr einfach erklärt. Ich komme aus einer MusikerInnenfamilie. Meine Mutter, mein Bruder und dessen Frau, die alle mach(t)en Musik – beruflich. Mein Großonkel komponierte, spielte Klavier & Cello – wenn auch nur als Hobby betrieben. Musik war bei uns zu Hause so selbstverständlich, wie es heute ein Fernseher sein mag. Ich bin in den Konzertsälen Wiens groß geworden, schon als Fünfjähriger jeden Sonntag im Musikverein gesessen. Da gab es die billigen Sonntagsnachmittagskonzerte. Sehr früh habe ich auch angefangen, Geige zu lernen, mußte jedoch schon im Alter von 10 Jahren aufgeben, weil ich die Noten nicht mehr gefunden habe. Ich sehe einfach zu schlecht.

Die Schneiderei hab ich gelernt – eine durchaus feine Sache, aber für meine Augen alles andere als ideal. Daher mußte ich schon im Alter von ca 20 Jahren in völlig andere Branchen wechseln. 15 Jahre Chemie -, Sport- und Spielwarenbranche folgten. 100.000 Kilometer im Auto pro Jahr waren keine Seltenheit. Ein Bruch mit dieser Welt schien mehr als notwendig, war jedoch keine leichte Entscheidung.

1979 habe ich gekündigt und bin de facto sowas wie ein Aussteiger. Nachdem ich gekündigt hatte, ist es mir Anfangs sehr schlecht gegangen. Nach 15 Jahren totalem Business plötzlich in einem Haus mit traumhaften Garten und Swimmingpool zu sitzen und nicht zu wissen, was man mit sich anfangen soll, ist alles andere als leicht zu verkraften. Auch wenn ich mit 35 noch relativ jung war – oder vielleicht gerade deshalb. Da hatte ich wirklich ein mentales Problem; habe alte Frauen im Armerlingerhaus betreut – einfach um irgendwas zu tun.

Beim Heuringen in Bisamberg habe ich dann im Frühherbst 1979 die Schmettersound-Leute kennengelernt. Das war für mich eine völlig neue Welt: Alle waren per Du. Das war ich nicht gewohnt. Was mich vor allem beeindruckt hat – das muss ich zugeben – war Folgendes: Mir wurde gesagt, dass eine Platte 12 Schilling kostet und sie würden sie um 135 verkaufen. Ich habe mir gedacht: “Das ist aber eine interessante Branche – mit solchen Spannen!” Sie hatten einfach “vergessen”, wesentliche Kosten zu berücksichtigen, wie Tonstudio oder Graphiker, nur die reinen Presskosten ohne Cover, keine Lithos, keine Lizenzen, keine Fotographie etc. gerechnet.

Was mich aber vor allem interessiert hat, war die plötzliche “Nähe” zu Künstlern, ihrer Arbeit, ihren Problemen. Sehr schnell stellte ich fest, dass z.B. die scheinbare Hochnäsigkeit von diversen KünstlerInnen eine Art von Hilflosigkeit ist. Sehr oft finden sie sich nur schwer zurecht, glauben sich unverstanden und agieren/reagieren dementsprechend.

Ich glaubte sehr bald, den Grund dafür “entdeckt” zu haben: Viele wissen einfach über ihre elementarsten Rechte und Pflichten nicht Bescheid. Die, die am meisten jammern, wie schlecht es ihnen geht, haben oftmals ihnen zustehende Gelder liegen (z.B. bei Ver-wertungsgesellschaften, wie ÖSTIG), nur wissen sie nichts davon, weil sie sich nie dafür interessiert haben. Das Problem ist aber auch, dass es kaum eine Ausbildung dafür gibt. In Bereichen wie Urheberrecht, Finanzrecht oder: Was ist eine gute Krankenversicherung? sind Künstler zumeist absolut uninformiert. Einerseits fühlen sie sich “als Künstler” irgendwie abgehoben – als was “Besonderes” – auf der anderen Seite sind sie ganz einfach “Teil der Gesellschaft” – mit allen daraus resultierenden Gegebenheiten – und stecken wegen dieses “Widerspruches” oftmals in einer absolut hilflosen Situation.

Ich habe mir damals wohl gesagt: “Ich bin ein pragmatischer Mensch. Ich werde nie ein Künstler sein, aber ich glaube, sie zu kennen, sie zu verstehen.” Das Medium Schallplatte war mir relativ unbekannt. Vor meinen Einstieg bei Extraplatte hatte ich vielleicht fünf oder sechs Schallplatten besessen. Das Medium war für mich einfach nicht wichtig. Zeitlebens hatte ich Musik gehört – und das mit Leidenschaft – auch wenn es mich meistens gar nicht so interessiert hat, wer da genau spielt. Namen? Uninteressant! Wichtig war allein die Musik.

Und nun hatte ich eine Gruppe von Künstlern getroffen, die Dinge ganz anders angegangen sind, als dies “üblich” war. Die sagten: “wir machen uns das alles selbst”. Das war mehr als spannend! Für einen Menschen, der wirklich aktiv etwas machen will, ist es immer am interessantesten, sozusagen von Null anzufangen, aufzubauen. Wenn etwas sowieso schon funktioniert, dann macht das ganze überhaupt keinen Spaß. Dieser Herausforderung hab ich mich gestellt und in der Folge unglaublich viel gearbeitet. Zwischen November 1979 und 1994 war ich sozusagen mit meiner Firma verheiratet. Da habe ich überhaupt nur gearbeitet. Das war aber nicht wirklich so schwer, denn ich konnte sehr große Zufriedenheit daraus ziehen.

Du hast in den letzten Jahren auch zahlreiche Preise bekommen. Vor Kurzem wurde Dir der Fair-Music Award verliehen. Ab wann kann man – deiner Meinung nach – konkret von fairer Musik sprechen? Was ist faire Musik und wie kann Musik fair sein?

Harald Quendler: Huch… Ich könnte es mir jetzt einfach machen. Ich kenne Verträge der Industrie – aber auch von kleinen Firmen – die Musiker so dermaßen über den Tisch gezogen haben, dass man sich fragt, so blöd kann man doch gar nicht sein, dass man so was unterschreibt. Um das geht es mir aber nicht. Ich glaube, das Konzept der Extraplatte ist tatsächlich anders – und das ist ganz wichtig. Ich muss gestehen, ich habe das bisher auch nie wirklich publik gemacht, nie hinausposaunt. Warum sollte ich mir einen Wettbewerbsnachteil verschaffen, indem ich offenlege, wie genau ich vorgehe?! Die sollen halt weiter den Leuten Knebelverträge anbieten und von mir aus auch das große Geld machen. Ich mache es halt anders, habe ich für mich persönlich beschlossen.
Das Entscheidende bei der Extraplatte von Anfang an war, dass wir uns abgewandt haben von der klassischen Produzentenschiene: Hier Produzent – und da der Künstler. Ich sage immer: “Lieber Freund, wenn du glaubst, du lieferst jetzt deine Musik ab und sagst mir: das war’s , now it´s your turn! dann wird das nicht funktionieren. Wir sitzen in einem Boot. Wenn der eine so rudert, dann kann der andere nicht in die andere Richtung rudern. Das geht einfach nicht. Wir müssen konzertierte Aktion setzen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt “.

Du hast zahlreiche KünstlerInnen herausgebracht und aufgebaut. Ist es nicht in einer gewissen Weise frustrierend, wenn diese dann nicht bei Extraplatte bleiben?

Harald Quendler: Nein, überhaupt nicht. Das einzige was mich manchmal frustriert ist, dass Künstler nicht wollen, dass ich für sie verhandle, wenn sie ein Angebot erhalten. Ein Fallbeispiel: Es gibt eine Musikgruppe, mit der habe ich eine CD gemacht. Die war enorm erfolgreich. Das ist natürlich der Industrie aufgefallen. Die Firma hat ihr ein Angebot gemacht und dann sind sie zu mir gekommen und haben gefragt, was ich nun bieten würde. Ich habe zu ihnen gesagt: “Kinder, ihr seid völlig von den Socken! Ihr habt bewiesen, dass ihr eure Platten bei Konzerten verkaufen könnt. Ich habe ebenfalls bewiesen, dass ich verkaufen kann. Die “Anderen” haben noch gar nichts bewiesen. Die wollen euch im Moment nur haben. Außerdem besteht bei euch die Gefahr, dass die euch totkaufen wollen, weil ihr in einem Genre arbeitet, in dem sie selbst einen Künstler aufbauen wollen. Und dafür verkauft ihr einfach zu viel. Das ist störend. Wenn Ihr unbedint wollt, so macht es. Aber bitte lasst mich für Euch verhandeln!”

Sie haben das nicht gemacht. Sie haben einen Vertrag unterzeichnet, in dem sie sich verpflichtet haben, ein Drittel der Promotionkosten zu übernehmen. Daraufhin hat die Firma die Promotionkosten so hoch angesetzt, dass die Musiker fassungslos waren und sich gefragt haben, wie sie das jemals zahlen sollen. Okay – gab es halt keine Promotion. Kurz drauf hat mich der Bandleader angerufen und gemeint, dass er so verzweifelt wäre, weil immer, wenn er bei der Firma anrufen würde, bekäme er den Bescheid: es tue ihnen leid, aber es wäre für ihn kein Betreuer mehr im Hause tätig. Der wäre wieder zurück ins Stammhaus nach Deutschland gegangen.

Hinter solchen Vorgangsweisen sitzen Leute, die haben Angst um ihren Job. Da sitzen Investoren dahinter, die wollen Rendite sehen. Wenn die Rendite elf Prozent beträgt und die Investoren 13 Prozent haben wollen, dann werden eben Leute rausgeworfen. Das fängt bei Karstadt an und geht bis zu Sony. Beispiele dafür könnte ich zu Hauf nennen. Große Firmen in diversen Branchen waren früher meine Kunden. Ich kenne das Geschäftsprinzip. Mir ist das so was von am Arsch gegangen. Ich bin kein Revoluzzer oder extremer Linker oder sonst was. Aber das war nicht mein Geschäft. Für mich ist das entscheidende, dass die Leute lernen, in der Welt zu bestehen. Das ist Schwerstarbeit.

Ich habe verhandeln gelernt – und zwar immer aus der Position des Schwächeren heraus. Ich war immer der ganz kleine Anbieter. Und mit der Zeit machte es richtig Spaß, gerade bei den ganz Großen zu bestehen. Mir gegenüber saßen 15 Direktoren. Die haben mich ausgelacht und gesagt: Pass auf, unter 15 Millionen Umsatz bekommst du nicht einmal eine Lieferantennummer bei uns. Das waren die Leute vom Konsum. Und wo ist der Konsum heute?

Walter Gröbchen hat über dich in seinem Weblog Folgendes geschrieben. Quendler – ein knurriger, zäher Verfechter ewigen Widerstandsgeistes und wahren Indie-Espirits. Muss Indie immer Widerstand bedeuten? Heute ist Indie ja auch schon Mainstream geworden.

Harald Quendler: Bei diesem Thema bin ich sensibel: Seit Jahren erkläre ich das – offensichtlich immer wieder vergeblich: Nicht ich bin es, der in den Majorcompanies den Feind sieht, der unbedingt bekämpft werden muß. Dafür hätte ich weder die Zeit, noch ein ursprüngliches Interesse. (Was nicht heißen muß, dass ich mir nicht zum Ziel setze, bessere Sachen zu machem, als diese Konzernfirmen). Ich wiederhole: Nicht ich bin es, der dieses Feindbild aufbaut, sondern vielmehr ist es genau umgekehrt: Die Majorcompanies sehen in mir (und auch in allen anderen “Kleinen”) den Feind, der bekämpft, vom Markt gedrängt, als unliebsamer Konkurrent ausgeschaltet werden muß. Und dabei wird ziemlich rücksichtslos vorgegangen. Von feiner Klinge kann dabei nicht gesprochen werden.

Ich werde nie vergessen, dass Vertreter der Majors in den ersten Jahren der Extraplatte diverse Händlerkunden gewarnt haben, bei uns zu bestellen: “Das seien alles bootlegs; die Austro Mechana würde diese Ware beschlagnahmen.” Auch die großen Handelsketten kennen diese Methoden bzw. ist ihr Handeln von einschlägigem Denken beherrscht. O-Ton des Geschäftsführers, der bei der Eröffnung eines neuen Großmarktes über seine Ziele in naher Zukunft gesprochen hatte, auf die Frage, was seine Konkurrenz wohl zu diesen Plänen meinen würde: “Konkurrenz? Ja – noch haben wir welche…”. Jeder kann sich selbst ausmalen, was diese Aussage impliziert.

Von Walter Gröbchens Kolummne bin ich sehr angetan gewesen. Das erschien im Sound & Media. Der Walter kennt beide Seiten. Der war ja noch fast ein Kind, als er angefangen hat, in irgendwelchen Musikzeitschriften Rezensionen zu schreiben. So habe ich ihn kennen gelernt. Und wir waren bei Gott nicht immer einer Meinung.

Das ist eine ewige Diskussion. Indie ja, Indie nein. Wenn die Majors ein wenig cleverer wären und mehr Freiräume zuliessen, würden sie selbst mehr Indies gründen. Der absolute Traum wäre, dass du ein Indie bist, mit allen Freiheiten eines Indies, aber die Infrastruktur und den Support eines Majors “im Rücken” – z.B. im Bereich der Rechte oder der Finanzbuchhaltung ein enormer Vorteil. Das fängt bei Serviceverträgen eines Kopierers an und endet z.B. bei Verträgen.
Wenn du ein Konzern bist, hast du einfach ganz andere Konditionen. Das Entscheidende bei einem Indie ist die Unabhängigkeit. Das kann man sich groß auf die Fahnen schreiben, führt aber auch zu einer Reihe von Problemen. Unterschreibe beispielsweise einen japanischen Vertrag, der in englischer Sprache abgefasst ist. Da nützen Dir auch gute Englischkenntnisse wenig; nicht mal ein Nativespeaker… Da kostet dich so ein Vertrag schnell mal 1.200 Euro an den Rechtsanwalt – wenn Du einen findest, der sich da auch wirklich auskennt. Wenn du einen Lizenzvertrag unterschreibst, bei dem Du 800,- Euro bekommst, legst Du 400,- Euro drauf.