Gerade erst hat die Grazer Band Code Inconnu ihr neues Album auf Noiseappeal Records veröffentlicht. Bereits im Vorfeld dazu wurde das gesamte Bandgefüge sowohl stilistisch als auch personell komplett neu aufgestellt. Gitarrist Gottfried Krienzer stellt im Interview mit Michael Masen die Band sowie deren aktuelles Werk vor.
Wie lange habt ihr an eurem neuen Album gearbeitet?
Wir haben sehr lange an den Stücken geschrieben. Unser letztes Album ist glaube ich 2005 erschienen und danach hatten wir dann einen Besetzungswechsel, bis zu dem wir immer ohne Sänger gearbeitet haben. Bei uns ist es auch so, dass wir immer versuchen, uns mit jeder Platte ein wenig anders zu strukturieren und zu erfinden. Und so haben wir auch für das aktuelle Album sehr viel probiert, viele Sachen auch wieder verworfen und an dem ganzen Programm gute zwei, eigentlich fast drei, Jahre lang gearbeitet.
Die Arbeit im Studio ist dann natürlich einerseits finanziell, andererseits aber auch zeitmäßig begrenzt. Da wir alle Jobs haben, ist es einfach nicht möglich gewesen, jetzt ein Monat lang im Studio durchzuarbeiten sondern das hat sich ungefähr über ein halbes Jahr hin gezogen. Zuerst nimmt man einmal in einer Woche das Rohmaterial auf und im Laufe der Zeit wird daran weiter gearbeitet, gemischt und Overdubs gemacht. Bis alles wirklich fertig war hat es also so ungefähr ein halbes Jahr an Studioarbeit benötigt.
Haben letztendlich alle Stücke, an denen ihr gearbeitet habt, den Weg auf die Platte gefunden oder wurde auch einiges verworfen?
Bevor wir aufgenommen haben, wurde schon einmal ganz viel Material aussortiert. Das waren insgesamt sicher noch einmal so viele Nummern, wie jetzt auf dem Album drauf sind. Und im Studio kommt man dann noch einmal bei ein paar Sachen drauf, dass die doch nicht so gut klingen, wie man sich das vorgestellt hat. Im Kopf funktionieren gewisse Dinge einfach besser als dann später in der Realität. Da schmeißt man natürlich dann ein paar Sachen weg, aber grundsätzlich sind wir schon sehr konzentriert, wenn wir an etwas dran sind. Dann arbeiten wir daran meistens so lange weiter, bis es für uns auch passt. Wenn wir uns also mal wirklich auf ein paar Nummern geeinigt haben, die wir spielen wollen, dann ziehen wir das auch bis zum Ende durch. Nur in der Vorphase ist es schon so, dass viele Dinge wieder wegfallen.
Werden die Stücke bei euch von Anfang an gemeinsam erarbeitet oder gibt es eine Art „Hauptsongwriter“?
Bei uns ist es schon so, dass alle Leute Layouts machen. Je nachdem, wie gut die dann schon gelungen sind und die Band repräsentieren, werden sie auch gleich gespielt oder manch andere Sachen, die für uns einfach nicht passen, wieder komplett verworfen. Wir sind da grundsätzlich immer sehr demokratisch, was natürlich auch nicht immer nur Vorteile mit sich bringt. Aber wir versuchen halt immer einen Konsens zu finden, mit dem alle gut leben können.
Nach eurer letzten Platte hat es ja Veränderungen im Lineup gegeben, so etwa auch erstmals einen Sänger. War der damit einhergehende stilistische Wechsel vor dem Besetzungswechsel geplant oder hat sich dieser dann erst mit den neuen Leuten eingestellt?
Wir haben in den zehn Jahren unseres Bestehens schon immer wieder mal Experimente mit Sängern gemacht, aber so richtig zufrieden waren wir damit nie. Mit dem Hannes war es jetzt eher so, dass wir so jam-mäßig herum probiert und dann gemerkt haben, dass das wunderbar funktioniert. Wir haben ihn nicht so richtig gesucht, sondern diese Entwicklung hat sich einfach so ergeben.
War es für euch anfangs schwer, eure Kompositionsabläufe dahingehend zu ändern, dass ihr nun auch den Gesang berücksichtigen musstet?
Ja, sicher. Vor allem musste man sich darauf einstellen, noch genügend Platz zu lassen. Wir haben ja zuvor sehr stark auf ziemlich fette Klangtürme aufgebaut, Sampler und Tonnen von Effekten verwendet, was schließlich einen sehr dichten Sound ergeben hat. In dieser Hinsicht haben wir jetzt ziemlich abgespeckt und versucht, den Song aus eher spärlichen Gerüsten heraus zu entwickeln. Erst als der Gesang dann gestanden ist, haben wir zusätzliche Dinge eingebaut, aber immer darauf geachtet, dass die Stücke nicht zu überfrachtet werden. Es war zwar nicht ganz einfach, das so hinzubekommen, aber natürlich auch eine große Herausforderung, die zu bewältigen uns großen Spaß gemacht hat.
Habt ihr eure alten Stücke komplett verworfen oder doch versucht, einige davon für das neue Lineup zu adaptieren?
Unser letztes Album klingt wie ein Elektronikalbum, alles Instrumentalnummern, die wir heute alle nicht mehr spielen. Das wäre schon alleine vom Setting her überhaupt nicht möglich, weil wir dafür komplett umbauen müssten. Wir haben auch nie versucht, unsere Sachen irgendwie zu verfeinern, sondern immer lieber etwas Neues angefangen. Es ist nicht so, dass wir unsere Sachen jetzt auf einmal schlecht finden, aber es ist einfach spannender, neue Sachen zu machen. Das alte Material würde da nicht mehr ins Konzept passen.
Stichwort „Konzept“. Liegt dem Album eine Art Gesamtkonzept zu Grunde oder seht ihr es eher als Ansammlung einzelner Stücke?
Im Sinne einer großen Geschichte, die da erzählt wird, gibt bei uns kein Konzept. Es ist eher so, dass wir ein gewisses ästhetisches Konzept verfolgt haben und sich im Laufe der Arbeiten gewisse Schwerpunkte etabliert haben, nach denen wir entschieden haben, was dazu passt und was nicht. Es war also einerseits kein Konzeptalbum andererseits war es aber auch nicht so, dass wir die Sachen einfach so zusammen gewürfelt haben. Teilweise haben sich die Stücke einfach so entwickelt, teilweise mussten wir wirklich überlegen, in welche Richtung wir weiter gehen wollten, aber dass die Songs direkt miteinander zusammen hängen, das ist nicht der Fall.
Entwickelt ihr eure Stücke auch noch weiter, nachdem sie einmal ihren Weg auf das Album gefunden haben oder widmet ihr euch ab da schon wieder neuen Dingen?
Es gibt dann schon noch einmal so einen Schub, wo man beginnt, Dinge noch irgendwie zu verfeinern und weiter zu entwickeln. So lange wir die Nummern spielen, ändert sich schon noch immer da und dort irgendetwas.
Großartig umarrangieren müsst ihr eure Studiosachen dann für die Liveauftritte aber nicht mehr? Das könnt ihr in der jetzigen Besetzung schon sozusagen eins zu eins auf die Bühne bringen?
Ja, das funktioniert. Wir haben auch im Studio, was die Instrumente betrifft, jetzt nicht irgendwelche großartigen Experimente gemacht und die Nummern sind ja auch schon vorher live erarbeitet und gespielt worden. Das ist sicher ein anderer Weg, als wenn man zuerst ins Studio geht, dort Sachen entwickelt und das dann erst auf eine Live-Band übertragen möchte. In diesem Fall muss man wahrscheinlich wieder neu arrangieren, aber bei uns war das nicht so. Wir hatten bereits fertige Songs, die wir im Studio dann eingespielt haben und wo an den Arrangements auch danach nichts Grundlegendes mehr geändert wurde.
Wollt ihr diese Herangehensweise auch für euer nächstes Album beibehalten oder einmal mehr hinsichtlich eures Zugangs bzw. eures Lineups große Änderungen vornehmen?
Was die Besetzung betrifft, gehe ich schon davon aus, dass wir jetzt bei der aktuellen bleiben werden. Was die Art und Weise betrifft, Musik zu machen, ist hingegen noch alles sehr offen. Da befinden wir uns gerade in der Diskussionsphase, was noch weiter passieren kann. Es wird aber ganz sicher nicht so sein, dass wir bei einer neuen Platte lediglich versuchen werden, den Zugang, den wir für die aktuelle Platte hatten, lediglich zu verfeinern. Es wird auf jeden Fall wieder etwas ganz anderes werden. Aber wie genau das ausschauen könnte, kann ich jetzt noch nicht sagen.
Überlegungen, wohin es ungefähr gehen könnte, gibt es also noch nicht?
In den Köpfen gibt es schon solche Überlegungen, die halt jetzt gerade diskutiert werden. Da gibt es aber, so wie das immer ist bei uns, sehr unterschiedliche Standpunkte. Es wird also jedenfalls nicht gleich im nächsten Jahr das neue Album kommen, sondern wir werden jetzt sicher mal für längere Zeit diverse Sachen ausprobieren.
Dann ist es ja auch so, dass es bei den anderen auch gleich „Klick“ macht, sobald die Idee von jemandem funktioniert. An diese Idee kann man anknüpfen und nach und nach entwickelt sich daraus etwas.
Also ist es bei euch schon so, dass ihr so lange an den Songs arbeitet, bis sie am Ende wirklich so sind, wie ihr euch das vorgestellt habt?
Ja, das auf jeden Fall. Das hängt vor allem auch damit zusammen, dass bei uns bandintern alles demokratisch abläuft. Wenn einer dabei ist, der Zweifel hat, dann versucht man eben, diese irgendwie auszuräumen. Manchmal funktioniert das über die Diskussion und manchmal muss man wirklich von der Substanz her im jeweiligen Stück etwas ändern. Aber da sind wir schon so weit, dass wir unsere Sachen dahin bringen, dass wirklich jeder in der Band dahinter stehen kann. Natürlich hat jeder andere Anknüpfungspunkte und es ist auch nicht so, dass jedes Bandmitglied jeden Song auf der Platte gleich gut findet, aber insgesamt stimmt das Gesamtpaket einfach für jeden.
Kommen bei euch alle Mitglieder vom selben musikalischen Background?
Nein, es ist schon eher sehr bunt gemischt, das kann man aber gar nicht so konkret zusammen fassen. Es ist aber schon so, dass wir uns immer ein wenig zusammen raufen müssen.
Du spielst ja neben Codu Inconnu noch bei den Striggles Gitarre. Sind andere Leute bei euch auch noch in anderen Bands aktiv?
Ja, schon sehr viele. Unser Schlagzeuger spielt noch bei Hella Comet, die auch gerade erst ein neues Album veröffentlicht haben. Der Bassist hat ein Soloprojekt und gemeinsam mit dem Christoph, der Synthesizer spielt, habe ich ein Improvisationsduo. Unser Sänger hat ebenfalls ein Soloprojekt. Der war auch lange in London und hat dort viel elektronische Musik gemacht und auch ein kleines Label betrieben. Mittlerweile liegt sein Hauptaugenmerk aber auf Code Inconnu. Es haben also eigentlich eh alle irgendwelche Projekte laufen, die aber teilweise auch schon wieder am Abklingen sind. Es ist jedenfalls nicht so, dass alle nur in dieser einen Band spielen und sonst nichts passieren würde, ganz im Gegenteil.
Wie ist das bei dir, wenn du eine Idee für einen Song hast. Weißt du schon immer genau, ob du das für die Striggles oder Code Inconnu verwenden wirst?
Für mich ist das eigentlich immer relativ klar, weil es doch sehr unterschiedliche Bands sind. Ganz selten nur gibt es Sachen, wo ich mir denke, dass man das mit beiden Bands mal anspielen und ausprobieren könnte. Die Striggles haben halt mehr diesen Rock’N’Roll-Charakter, während das bei Code Inconnu wiederum überhaupt nicht so ist.
Ganz praktisch ist auch, dass ich zu Hause eine Gitarre in Striggles- und eine in Code Inconnu-Stimmung stehen habe. Schon dadurch, wie die jeweilige Gitarre gestimmt ist, spielt man anders und dieser Stil ist dann auch kaum auf die andere Band übertragbar. Außerdem ergibt sich das schon oft dadurch, für welche Band man gerade arbeitet. So zielgerichtet bin ich dann schon, dass ich für das jeweils anstehende Projekt etwas mache. Dass ich mir währenddessen denke, dass das jeweilige Stück für die andere Band besser passen würde, ist mir bisher eigentlich noch nie passiert.
Wird es zum neuen Album jetzt auch eine größere Tour geben?
Wir haben jetzt im Jänner für unsere Verhältnisse viel gespielt. Es gab eine kleinere Tour in Slowenien und auch Konzerte in Österreich. Momentan sind wir gerade wieder am Organisieren, aber Konzerte wird es frühestens im Herbst wieder geben. Da werden wir dann aber wieder einiges machen und auf Noiseappeal wird auch noch eine Maxi erscheinen. Ein Stück davon haben wir bereits aufgenommen, das hat aber auf dem Album keinen Platz gefunden und ein weiteres wird sich in einer längeren Version als auf dem Album auf eben dieser Maxi finden. Es wird also definitiv im Herbst einiges passieren.
Vielen Dank fürs Interview.