Als eines der wichtigsten Wiener Indie-Labels begeht der Musikverlag von Christian Candid, Klein Records, dieser Tage den 10. Geburtstag. Eine Erfolgsgeschichte im Zeichen weitsichtiger elektronischer Musikproduktionen. Der Labelmacher im Gespräch mit Johannes Luxner über Musikexport, Erfolgsparameter und Britpop.
“Man hat mal probiert und g’schaut”.
10 Jahre Klein Records: Lässt sich nach einer Dekade Labeltätigkeit eine Art Bilanz ziehen?
Das kann man so wahrscheinlich gar nicht beantworten. Grundsätzlich war das ja so, dass ich vor 10 Jahren ins kalte Wasser gesprungen bin. Ich hab ja vorher nichts mit dem Plattenbusiness an sich zu tun gehabt. Man hat mal probiert und g’schaut. Und die ersten Erfolge haben das ganze natürlich am Leben erhalten. Ich mach das ja seit über 10 Jahren hauptberuflich. Aber dass es dann doch so lang geht – sagen wir das mal so: war nicht wirklich geplant. Ich hab gewusst es muss irgendwas mit Musik sein. Mich interessiert jetzt nicht nur Musik machen oder die kreative Seite, es ist schon auch das Business dahinter das mich interessiert. Für mich war aber klar, wenn ich was mach, dann mach ich’s voll und ganz. Das ist bei mir immer so. Und deswegen höre ich auch nicht auf wenn noch nicht das erfüllt ist was ich mir vorstelle. Es geht auch darum immer geilere Platten rauszubringen und gleichzeitig ein stark etabliertes Indie-Label in Europa zu sein. Einerseits treibt mich die gute Musik, der interessante Job und die Leidenschaft, aber auch der Wille als Label was zu bewegen. Die Labelarbeit – und das wissen viele glaub ich auch nicht – ist ein hartes, pures Business.
Klein Records entstand ja in der Wiener Sturm und Drang Phase der elektronischen Musik. Labels kamen und gingen. Das Rezept des Überlebens von Klein Records im Gegensatz zu anderen Musikverlagen?
Es ist immer schwierig über andere zu reden, weil ich gar nicht so genau weiß wie sie arbeiten. Aber wenn ich von mir ausgehe, hab ich immer versucht das möglichst im Ernst und relativ ausschließlich zu betreiben. Ich bin im Gegensatz zu vielen anderen Elektronik-Labels – die du jetzt wahrscheinlich meinst – nicht der Künstler und Produzent der dazu eine Plattform, ein Label hat. Ich bin nicht gleichzeitig das Zugpferd und das Label. Weil wie schon gesagt, es ist eine extrem Zeit intensive Sache. Ich bewundere jeden der das irgendwie hinkriegt – einerseits der Künstler zu sein, der produktiv und kreativ sein muss und gleichzeitig auch ein Label betreibt. Das finde ich ganz schwierig. Man muss sehr darauf fixiert sein, dass die Strukturen passen, dass das Netzwerk passt, also darauf strategisch angelegt sein. Andererseits ist es eine vitale Releasepolitik, um die ich mich sehr bemüh: Nicht so sehr sich in eine Schublade drängen zu lassen. Oder ein bissl stecken bleiben. Sondern schon immer versuchen Neues zu machen und vorne zu sein. Und das nicht nur in Bezug auf Club-Kultur, was jetzt die 12Inches betrifft, sondern auch was die Alben betrifft. Das ist bei mir aber eh immer schon so gewissen und das passiert jetzt auch wieder stärker, dass zum Beispiel Songstrukturen im Kommen sind. Ich ja eher vom Indie auch. Das ist alles irgendwie logisch und daran arbeite ich laufend. Das ist zwar teilweise schwierig und Vertriebe sagen “Bitte! Du hast so guten Erfolg gehabt, mach doch bitte dasselbe!” und ich sag dann “Na! Das geht net!”. Erstens einmal sind wir ein Künstlerlabel und es gibt nicht nur einen Künstler mit hundert Pseudonymen: Sprich es sind auch unterschiedliche Musikertypen die auch unterschiedliche Vorstellungen haben. Es ist ein Schwachsinn den Leuten immer zu sehr was einzureden, weil ich muss ehrlich sagen: es ist ihr Album! Ich misch mich zwar schon ein, aber vorsichtig. Da muss man echt aufpassen, weil sonst verdirbt man mehr die Eigenheit, wenn man immer die eigenen Verkaufsideen reinspielen lässt.
Du hast eben angesprochen, dass du prinzipiell von der Indie-Schiene kommst und du hast auch bekannte Indie-Clubs veranstaltet. Wie kam die elektronische Musik ins Spiel?
Damals war das irgendwie interessant, weil das Famos (Flex-Clubveranstaltung Anm.), das ich gemacht habe, war die einzige Indie-Britpop-Party in Wien. Es hat ja damals nicht soviel gegeben. Das war für mich ein Grund was zu machen – wenn was interessant war. Damals kam halt diese große Welle an Gitarrensounds aus England auf uns zu. Dann kam die erste Big-Beat-Welle: Die erste Single von Fatboy Slim, das ist ja noch durchgegangen. Aber dann musstest du immer dasselbe spielen. Da hab ich mir als DJ gedacht: Da scheisst du drauf. Da gabs den Chelsea-Mittwoch und eben am Freitag das Flex, da waren wir ganz vorne mit dabei und irgendwie ziemlich mitgebrandet. Nachher ist der Harry Jenner gekommen mit dem Panic … Es stimmt, ich komm aus dem Indie, aber ich hab durch die Plattensammlung meines Bruders eine ziemliche Bandbreite mitgekriegt: Ich bin ein großer New Order Fan. Mir fällt im Nachhinein auf, dass bei all dieser Musik der Rhythmus im Vordergrund steht und bin auch früh in den Neunzigern in diverse Techno-Sachen reingekippt, aber da hab ich noch nicht aufgelegt. HipHop hat mich auch immer interessiert und bin dann ziemlich in Black Music reingekippt. Das war am Anfang nicht so. Wir haben dann mit den Sofa Surfers – die ja vom Rock kommen – ziemlich viel herumgespielt, z’haus mit Samplern und so. Man interessiert sich dann mehr und kippt irgendwann voll rein. Aber damals hab ich mir schon gedacht das geht nicht als Label: Indie Bands – welche auch? – und die Projekte aus dem ganzen Elektronik-Hype der damals in Wien geherrscht hat, zu verbinden. Man hat auch damals – oder ich zumindest – in der Elektronik viel mehr Talent gefunden hat. Oder plötzlich hat das jeder produzieren wollen. So hat sich das dann ergeben. Wir haben damals ja auch eine Robert Rotifer Doppel 7Inch mit den Sofa Surfers als Produzenten gemacht. Das war sehr eigen.
Klein Records Produkte stehen immer noch unter dem großen dach der elektronischen Musik. Lassen sich andere Parameter ausmachen die deine Künstler verbindet ausmachen?
Wenn ich jetzt die Acts betrachte ist Klein Records schon relativ breit gefächert. Ich habe internationale Signings, aber auch Wiener Signings. Ich sage mal bei den Wiener Signings war immer schon die Liebe zum Downtempo, zum etwas langsameren in der elektronischen Musik, zum Verspielten, zum Eigenständigen, zum Verschrobenen, zum Obskuren klar. Kann das aber jetzt in der Phase nicht so sagen. Ich hab Stratus, den englischen Act, Coloma als deutschen Act … Was sie verbindet bzw. was sie für mich verbindet ist schon die jeweilige Eigenheit der Acts. Was auch der Grund ist warum ich sie gesignet habe. Und es ist halt so, dass auch einige Acts schon ziemlich lange bei Klein sind. Als dass es andauernde Fluktuation gibt. Und dass man sich halt schon recht gut kennt. Mit den meisten Acts ist man schon eng verbandelt. Und: Es sind alles richtige Musiker und keine DJs die sich produzieren lassen.
Der Musikexport funktioniert bei Klein erstaunlich gut. Welche Faktoren spielen mit, um erfolgreich Dinge ins Ausland zu tragen?
Es ist in den 10 Jahren ziemlich viel passiert und hab sehr stark versucht ein Vertriebsnetz aufzubauen. Sei es jetzt über direkte Kanäle, sprich: direkte Ländervertriebe. Oder über einen Großvertrieb der wiederum an seine Partner schickt. Soulseduction hat immer eine Rolle gespielt, mit denen hab ich immer zusammengearbeitet. Ich hab auch früh mit Rough Trade einen Deal gehabt und dass man halt ein gutes Promotion Netzwerk hat. Das ist jetzt mal die technische Seite. In England sind wir eine Zeit lang – und ich trauere dieser Zeit nach – vom Leaf Label von Tony Morley vertreten worden. Und da war die Lauren, eine der besten Promoterinnen Englands, die hat da damals begonnen. Da haben wir Sachen bekommen: Traumhaft! Die ist dann abgeworben worden und war dann Promo-Chefin von Warp und hat jetzt eine eigene, die angesagteste Promoagentur. Jetzt kann ich’s mir nicht mehr leisten (lacht). Es geht schon um Netzwerke, aber auch das Produkt muss natürlich prinzipiell funktionieren können.
Dinge die am Reißbrett planbar sind oder geht’s immer um Eigendynamik?
Am Indie ist ja das schöne, dass es nicht so durchplanbar ist. Das freut nicht alle meine Partner. Aber ich mein: du musst flexibel sein. Wenn ich die Möglichkeit hab, dass The Bug sagt ich will ein Album machen und du machst es mit Reflex zusammen – das Aphex Twin Label -, dann sag ich natürlich: “Ja! Bringen wir’s in drei Monaten raus. Na kloa! Passt!” Das war nicht geplant. Es muss aber möglich sein. Es muss trotzdem schnell funktionieren können und man darf die Strukturen nicht zu groß aufzublasen, weil man eben langsam wird. Das ist der Schmäh. Und deshalb auch “Klein”. Natürlich muss man planen, aber ich komm immer wieder drauf, dass man nie sagen kann ob was voll aufgeht oder nicht: Also ich kanns nicht wirklich. Es hat mich auch schon manches überrascht. Im Negativen wie im Positiven. Das ist eigentlich das spannende.
Die in dieser Hinsicht größte positive Überraschung?
Das sind zwei, drei Dinge: Zunächst mal wie’s begonnen hat mit den Sofa Surfers, das war eine positive Überraschung. Zumal ich’s damals noch nicht so abgecheckt hab was das denn so wirklich heisst. Oder solche Dinge wie Manila von Seelenluft. So einen kleinen Hit zu haben, wo wir auch wirklich vorne waren mit den Remixen. Oder die Soul Strata von I-Wolf, als wir Spex Platte des Monats waren.
Du hast in deiner Funktion viele junge Bands kommen und gehen gesehen. Woran scheitert es denn bevorzugter Weise bei den meisten Bands bzw. was ist zu tun?
Einerseits muss man immer international denken. Der österreichische Markt ist nun mal sehr klein und überschaubar. Ich würde darauf schauen was mich so speziell oder anders macht und daran arbeiten. Weil man darf nie vergessen, dass du in jedem Segment eine enorme Konkurrenz an Acts hast. Und dann das Ganze sehen. Nicht nur Musik machen sondern sich schon auch Dinge professionell überlegen. Kleine Strukturen schaffen, sich nicht zurücklehnen. Ich glaube schon, dass es in Österreich viele Bands gibt die das haben, aber das nicht umsetzen können. Da geht es darum: Wo nimmt man auf und mit wem? Wie vernetzt ist man mit anderen Artists und Künstlern. Das spielt alles eine Rolle. Wenn man zu provinziell denkt oder nur eine Kopie davon ist was im Ausland bekannt ist, wird es schwierig. Außer da ist viel Geld dahinter und das ist in vielen Fällen einfach nicht gegeben.
Weitere Dates:
18.11. 10 Jahre Kleinrecords, Graz, PPC: SOFA SURFERS, LOUIE AUSTEN, DAS BIERBEBEN, DJ RAINER KLANG, DJ CANDID, DJ SIMONLEBON
09.12. 10 Jahre Kleinrecords, Salzburg, Rockhouse: LOUIE AUSTEN, DJ RAINER KLANG, DJ CANDID, DJ ODD