Interview mit Bernhard Gander

Bugs Bunny und die bunnies. Heinz Rögl im Gespräch mit Bernhard Gander. “verführung abschied alkohol nähe weinen 90-63-92 kotzen schöne worte schnelle autos playmate scarlatti flirten flüstern tanzen achterbahn verzweiflung teure uhren schreien parfum porno bahnhof playboy distanz nothing reality matters kommen covergirl after midnight sprechen unaussprechliches hasen mit langen ohren” (Bernhard Gander, 2006)

Bugs Bunny und die bunnies

15 energetische, gut disponierte, toll instrumentierte Charakter-Miniaturen, oft in einem saftigen “Crash” implodierend oder mit irgend etwas kollidierend, lieferte der aus Tirol stammende Komponist Bernhard Gander mit seinem in Venedig ur-, nun bei Wien Modern im Konzerthaus vom Klangforum Wien erstaufgeführten Ensemblestück bunny games. Die lapidare Assoziationskette, die er dem Werk als Gebrauchsanweisung mitgegeben hat, autorisierte er tags darauf anlässlich des mica-Interviews kurzerhand auch gleich als eine für sein Komponieren allgemein gültige “Stilbeschreibung” (mittlerweile im mica-Datenbankeintrag Bernhard Ganders nachzulesen).

HR: Wie fühlt sich der Komponist am Tag nach der erfolgreichen, ja bejubelten österreichischen Erstaufführung der bunny games bei Wien Modern?

BG: Er ist verkatert, schwebt aber noch auf Wolke Sieben.

HR: Das Publikum im Konzerthaus hat an einigen Stellen, etwa bei den Scarlatti- und später den Varèse-Zitaten, herzlich gelacht. Woraus war denn diese Blechbläserstelle?

BG: Aus den Intègrales.
HR: bunny games – worauf bezieht sich der Titel?

BG: Ein bisschen Bugs Bunny, aber ebenso auf die bunnies in den Erotikmagazinen …

HR: . und dann gibt es noch deinen assoziativen Leitfaden.

BG: Beim noch einmal Durchlesen hatte ich zwar das Gefühl, was da steht, klingt vielleicht sehr pubertär, das ist mir aber komplett wurst – denn es geht wirklich um diese Sachen. Das ist nicht an den Haaren herbeigezogen.

HR: Das Stück beginnt mit einer fanfarenartigen Tutti-Signation, gefolgt vom ersten, heißen Trompetensolo. Es folgt noch eine ganze Reihe sehr charakteristischer Soli.

BG: Das mit den Soli zieht sich durch das ganze Werk durch. Wie in einem Magazin macht jeder für sich sozusagen Werbung, preist sich an.

HR: Die Musik klingt sehr haptisch, manchmal regelrecht scheppernd, etwa in dem Schlagwerk-Duo .

BG: Ich habe eine Vorliebe für Müllklänge, ich verwende gerne so Sperrmüll- oder Baustellengeräusche.

HR: …aber dann gibt es auch wieder sehr g’schmackige, aufs jeweilige Instrument bezogene Klangerfindungen, irgendwie sehr musikerfreundlich.

BG:  Ja, das macht mir Spaß und ist mir wichtig. Die erste Hürde bei einer Komposition ist: Will das der Musiker eigentlich spielen. Wenn das der Fall ist, dann ist die Sache eigentlich schon gegessen. Weil ich weiß, wenn der Musiker etwas gern spielt, überträgt sich das auch auf das Publikum.

HR: Also auch hörerfreundliche Musik. Abgesehen von ihrer Kürze.

BG: Dass die Stücke kurz werden, war beim Komponieren ein programmatischer Auftrag an mich selber. Bis jetzt  komponierte ich immer Sachen, die zwanzig Minuten oder länger Vollgas durchgehen. Jetzt wollte ich einfach einmal immer wieder die Energie unterbrechen.  In der Hinsicht bin ich sicher stark beeinflusst von Rock- und Punk-Musik, von der ich ein sehr großer und aktiver Anhänger bin.

HR: Von Scarlatti auch?

BG: Das mit dem Scarlatti war eigentlich eine Spielerei, ich habe mich zu Hause mit Cembalo-Sounds beschäftigt, hab dann eine Scarlatti -CD gekauft und das in den Computer hineingespeichert, dann habe ich das so mit Rockmusik zusammengestöpselt, bin draufgekommen, dass das gut zueinander passt, sich überlagern lässt. Dann habe ich das aber nicht elektronisch gelassen, sondern wiederum auf ein Instrument – in diesem Fall für Keyboard – transkribiert.

HR: Alle diese Sounds kommen auf den Instrumenten wirklich sehr gut und sehr plastisch.

BG: Über die Jahre kommt mit der Beschäftigung mit den Instrumenten einiges an Erfahrungen zusammen, ich bin ja mit den Musikern befreundet und probe auch mit ihnen. Musiker wollen natürlich, dass sie ihre Instrumente möglichst gut zur Geltung bringen können, und ich will das ja auch – ohne ihnen da etwas zuliebe tun zu wollen.

HR: Die E-Gitarre, vorzugsweise mit Verzerrung, wird in bunny games auch ausgiebig eingesetzt.

BG: Oft mit dem Cembalo-Sound, das, finde ich, passt gut zur E-Gitarre. Ich mag das Cembalo, für mich klingt das überhaupt nicht  “historisch”, das ist für mich wie ein neuer Elektronik-Sound. Und das Keyboard, auf dem das gespielt wird, hätte ruhig noch ein wenig schäbiger, billiger sein können.

HR: Gibt es für dich Grenzen zwischen E- und U?

BG: Irgendwie schon, es wird jeweils zu anderen Anlässen und Gebräuchen gehört. Wenn ich etwa nach der Arbeit in ein Lokal komme, in dem moderne elektronische Musik gespielt wird, dann lass’ ich mein Bier stehen und gehe woanders hin. Meine Musik ist auch nicht zum nebenbei Kaffeetrinken geeignet.

HR: Wie oft hast du schon mit dem Klangforum zusammengearbeitet?

BG: Das war jetzt schon das  fünfte Mal. Und es ist super, immer wieder mit so einem Ensemble zusammenzukommen. So bin ich mehr gefordert, Sachen weiterzuentwickeln und nicht zweimal dasselbe zu machen. Die Versuchung bei einem anderen Ensemble wäre vielleicht, etwas, das sehr gut funktioniert hat, eins zu eins zu übernehmen. Aber das will ich nicht.

HR: Im Vorjahr hast du mit dem Ensemble Modern etwas gemacht .

BG: . das war die Orpheus-Akte.

HR: Hat das etwas mit Beat Furrer zu tun, bei dem du studiert hast, das ist ja eines seiner Lieblingsthemen?

BG: Überhaupt nicht. Mir taugt das Thema einfach auch und der Beat hat da ja kein Copyright darauf. Bei mir ist das ein Doppelkonzert für Bratsche und Klavier, das ist auch nicht leise, da geht’s zehn Minuten Vollgas dahin.

HR: Bei dir geht die Geschichte gut aus?

BG: Ich hab’ den Mythos ein wenig umgedichtet. Orpheus kriegt seine Eurydike zurück,  sie gehen aus der Unterwelt hinaus und sind glücklich.

HR: Gibt es neue Aufträge?

BG: Schon. Für das Musikprotokoll Graz kommt etwas – ein Quintett plus Vokalstimme, das wird das deutsche ensemble intégrales aufführen, das ein Programm ausschließlich mit Werken aus Österreich machen will, dann für das Schömerhaus in Klosterneuburg .

HR: Lebst du derzeit in der Hauptsache vom Komponieren?

BG: Im Moment ja, aber das war nicht immer so. Ich habe nach dem Abbruch meines ersten Studiums nebenbei hunderttausend Jobs gemacht, aber immer komponiert. Dass ich dann noch nach Graz zu Beat Furrer ging, hat vor allem damit zu tun, dass ich einfach den Abschluss machen wollte. Mit dem Beat treffe ich mich einmal im Jahr, da trinken wir Kaffee und reden über alles Mögliche, über Musik eher weniger. Überleben als Komponist, das ist sowieso schwierig, seit zwei Jahren geht’s so, aber eigentlich nur, wenn man ein Stipendium hat, Preise bekommt und so weiter. Ich bin außerdem in der Arbeit fürchterlich langsam, brauche Zeit. Kann nicht alle Aufträge annehmen.

HR: Du sagst also nicht, jetzt habe ich gerade Konjunktur und nehme alles, was sich anbietet?

BG: Bevor ich zu viel schreibe, gehe ich lieber wieder kellnern. Natürlich ist so ein Auftrag super, aber auch nicht so super bezahlt, ich brauche etwa für das Klavierquartett, das ich jetzt gerade schreibe, sicher vier, fünf Monate Zeit.

HR: Warum ist die Arbeit langwierig?

BG: Ich bin so ein Skizzentiger, bis ein Stück fertig ist, durchläuft es ungefähr zehn Durchgänge. Zuerst gibt es eine grobe Skizze, da zeichne ich mir meist etwas graphisch auf, dann entwickle ich Vorstellungen mit den Instrumenten. Erst beim fünften Durchgang etwa schreibe ich Noten, arbeite wieder um, dann bleibt es bis zur letzten Reinschrift immer wieder liegen.

HR: Du willst immer etwas Neues machen?

BG: Schon. Vielleicht dauert es deshalb so lang bei mir. Ich will mich nicht selbst plagiieren.

HR: Dein Lebensmittelpunkt ist Wien, bist du aus Tirol geflüchtet?

BG: Mehr oder weniger schon vor zehn Jahren, in Tirol könnte man als Komponist schon gar nicht überleben und Wien finde ich einfach lässig.

HR: Gehst du morgen zum Klangforum-Konzert?

BG: Ich schwänze es ausnahmsweise, weil ich das Programm schon in Venedig gehört habe. Und außerdem muss ich morgen unbedingt zu einem Dead-Metal-Konzert gehen!

 

Bernhard Gander