Ins Porgy & Bess lud der ÖKB zur Composers’ Lounge # 5 – „Between“

Am Freitag, 16. März, wollte man auch „lauschergreifend“ sein und war’s teilweise auch wirklich, teilweise nicht so. Ein langer Abend in anregender „Porgy“ – Clubatmosphäre, mit den Highlights zu vorgerückter Stunde: Die neue Wienerlied-Musik mit Agnes Palmisano, am Ende eine geheim gehaltene Zugabe: „Der Novak lässt mich nicht verkommen!“; dann aber auch Agnes Heginger und die Gruppe „Extra Virgine“ – lauter Jungfrauen (aber nur nach dem Sternbild!). Vorher auch ein bissl zu viel Klavier-/Streichtrio am Rand des Kitsch, wiewohl sehr gut gespielt.

Verantwortlich für das Programm der ÖKB (Österreichischer Komponistenbund) in Kooperation mit dem ÖMR (Österreichischer Musikrat) und dem Porgy & Bess (und seinen guten Technikern).  Die Composers’ Lounge  # 5 fand auch im Rahmen des „European Forum on Music“ statt und war eine Preview zum österreichweiten „Musikfest der Vielfalt“.

Kann man heut’ noch so was komponieren? – Man kann, wie zu hören war, dargeboten von dem wackeren Eggner-Trio (Christoph Eggner – Klavier, Georg Eggner -Violine, Florian Eggner -Cello) und weiteren. Auf dem Programm „neue“ Musik von Sascha Peres („7 Praeludien mit Prolog und Epilog“) und Gerrit Wunder („Sequentia Miraculi“ für Klaviertrio und Film live zur Leinwand); Franz Cibulka – „Arminische Tänze“, Carina Jandl (Querflöte), Bernd Kohlhofer (Akkordeon), Dimitar Scharbonov (Gitarre); Sonja Huber – „Gesammelte Federn“, Robert Gillinger (Fagott), Caroline Menke (Kontrabass).

Intro und Outro gab es auch (2 Dj Sets von und mit Rupert Huber – TOSCA). Die waren, was die fast einstündige „Intro“ betrifft, zumindest weinkonsum- und (Porgy-) umsatzsteigernd, aber zum Großteil ‚verlorene Lebenszeit’, wenn man niemand zum Ratschen hatte.  Ein paar schöne Filmmelodien und -fanfaren und alte „Schlager“, sonst alles andere als „lauschergreifend“, etwa Beethoven VII-Trauermarsch mit Gitarrengeklimper dazu … man ging halt eine rauchen auf die Riemergasse, stellte fest, dass ein „Restoran Petschenko“ (russisch) nebenan wieder geschlossen wurde und das Lokal zu vermieten ist, betrachtete die Speise- und Weinkarten umliegender Lokale („3 Hacken“ usw.) und gab einer anregenden Dame Feuer, die auch rauchen wollte – sie entpuppte sich als die Sängerin Agnes Heginger (ohne Perücke und sehr hübsch), der man zu ihrem Kremser „Imago Dei“-Act (Deppe et al) gratulieren konnte und endlich ein bissl „ratschen“ konnte … mit ihr.

Über die gebotenen Kompositionen danach schweigt die Chronik, außer: Dass Rupert Huber eigentlich in Wirklichkeit kein DJ ist,  sondern was anderes macht (wie man u. a. von Ursula Strubinsky -Ö1 erfuhr, die in ihrer Moderation mit Komponisten und Interpreten für das Publikum vor Aufführung der Werke „talkte“). Und (Website www.composerslounge.at): „Besonders zu erwähnen – nicht nur die Musik “Sequentia Miracoli” von Gerrit Wunder wurde vom Eggner-Trio uraufgeführt, auch der Film dazu, live zur Leinwand interpretiert und auf Basis der Musik entstanden, war eine Premiere. Einen besonderen Dank an Regisseur Erik Etschel und die Schauspieler des Films.“

Und (ebda.): „In adrenalinspiegelsenkender Lounge-Atmosphäre präsentiert der Österreichische Komponistenbund in  seiner 5. Ausgabe der Composers Lounge wieder vollauf lebendige Komponistinnen und Komponisten vom neuen Wiener Lied bis Avantgarde, von Filmmusik bis Jazz (live und vom Plattenteller) und beweist, dass Musik „made in Austria“ und Musikschaffende Menschen wie du und ich sind. Ihre Musik spricht ernst, ironisch und auch mal pathetisch über die verschiedensten Facetten unserer Zeit. Das aktuelle Motto „Between“ richtet sich auch an das Experiment in Komposition oder Songwriting, an die Innovation, das Wagnis des/r Musikschaffenden, den Schritt in eine neue, andere oder ungewöhnliche Richtung innerhalb des eigenen Schaffens oder innerhalb der Stile bzw. Genres zu wagen.“

Durchaus „nett“: Cibulkas „Arminische Tänze“ für Flöte, Akkordeon & Gitarre, die übrigens nichts mit Armenien zu tun hatten, sondern mit Erlebnissen des Komponisten in Taipeh. Und das Ensemble wurde schon vor 30 Jahren gegründet.  Kommen wir zur „Innovation“.

Agnes Palmisano, Helmut Stippich, Peter Havlicek

Agnes, die Sängerin, erklärte mit ihren Worten das Wienerlied und das „Atmen-Können“ der Wiener Musik, die keine Taktstriche und Tempo-Vorschriften kennt und deren Rückungen und Nuancen man eben kennen müsse. Konsequent in diesem Verständnis versucht das Trio diese Vorgaben zu beachten und auch „Neue Wiener Musik“ zu machen. So gab es im Verein mit der Ziehharmonika (mit Knöpfen statt Tasten) und der Kontra-Gitarre dann einen „Ozwigdn“ (Haviclek komponierte im unüblichen 7/8-Takt), die Lieder „Sehnsucht“ (Text: Palmisano, die schöne Wienerin, Musik: Stippich), „lepschi“ (Havlicek; ja, es war eine Frau – aber auch ein Mann wie ich geht öfter auf lepschi, koste es was es wolle) und ein „Unbekanntes“ (dass sich als das folgende, manchen auch noch mit Cissy Kramer Bekannten, entpuppte. Hier Strophe 1, und die Palmisano kann das):

Ich habe einen Mann, den viele möchten,
der immer mich bewahrt vor allem Schlechten.
Ein jeder kennt ihn, Nowak ist sein Name,
ihm dank’ ich es, daß heut’ ich eine Dame.
Ob angezogen oder als ein Nackter,
der Nowak hat am ganzen Leib Charakter,
ich hätt’ schon längst ein böses End’ genommen.
Aber der Nowak läßt mich nicht verkommen.

Und auch noch Strophe # 4:

Der Nowak ist zwar einerseits ein Segen,
doch andrerseits läßt er mich nicht bewegen.
Da stand ein Inserat in einer Zeitung:
Es sucht von einem Nachtlokal die Leitung
ein junges Mädchen, brav mit nettem Wesen,
das nackert tanzt vor Negern und Chinesen …
Den Posten hätt’ sofort ich angenommen.
Aber der Nowak läßt mich nicht verkommen.

So.

„Extra Virgine“ – Vier Jungfrauen (eine davon: Agnes Heginger)

Extra Virgine bewegt sich zwischen PopRock, Jazz, Komposition + Improvisation, erklärte uns Agnes II, die Sängerin, die Hegingerin (eigentlich Agnes I für mich …).  Das Gewand der „Jungfrauen“ (alle Sternzeichen im August) ist weiß („damit wir zusammenpassen“, AH).

Agnes Heginger, ausgebildet sowohl im klassischen Sologesang, als auch im Jazzgesang, bewegt sich in den verschiedensten Genres.  Sie war Soubrette in Roland Neuwirths Schrammeloperette „Und das bei uns!“, sang in der Dada-Produktion von der Formation Pago Libre, arbeitet auch mit dem Kontrabassisten Georg Breinschmid, mit Krzystof Dobrek oder Paul Gulda .So findet man über sie im Internet: „Agnes Heginger ist im Laufe der letzten Jahre nicht nur als Sängerin und Performerin bekannt geworden, sondern konnte sich auch zunehmend als Komponistin und Texterin profilieren. Ihre Songwriter-Qualitäten sind u. a. in der Zusammenarbeit mit dem Kontrabassisten Georg Breinschmid (CD „tanzen“), der Stefan-Heckel-Group (CD „News From The Royal Alpine Music Factory“), oder der Formation Pago Libre (CD „platzDADA!“) dokumentiert.“ Ihr Credo: „In meinen Texten verarbeite ich nach wie vor meine persönlichen Erfahrungen. Die Mitglieder meiner Band sind – so wie ich selbst auch – in unterschiedlichen musikalischen Genres tätig, dadurch kann eine Farbenvielfalt in die Interpretation der Lieder fließen, die ich sehr liebe.“

Extra Virgine blieb ein Extra-Virgine-Quartett, trotz einer Einspringerin, die ist nämlich eh auch „Jungfrau“ im Sternzeichen.  Zu hören waren Kompositionen der wunderbaren Percussionistin Ingrid Oberkanins: „Brigitte“ war eigentlich einem Geburtstagskind gewidmet, aber es wurde ausnahmsweise auch beim Konzert aufgeführt, und Oberkanins erklärte ein seltsames Perkussionsinstrument, das von ihr gespielt wurde, die Hanghi, das aussieht wie ein Doppel-Wok, ein Gong-Instrument mit Tonhöhen ist und toll klingt und nicht in Asien, sondern „made in Suisse“ ist. Von Heginger folgte das Lied „trotzdem“. Von Ilse Riedler, der formidablen Jazz-Saxophistin das Stück „Jawohl“, das sie einst ihrem zuständigen Finanzamt widmete. Und das war alles – Zugabe gab’s auch noch („Der Vogel des Abschieds“) – knapp vor Mitternacht wirklich: „Lauschergreifend“!
Heinz Rögl