„Indie trifft zu, weil meine Musik keinen Pop-Anspruch und keinen Anspruch auf Massentauglichkeit hat“ – SIMON USATY im mica-Interview

SIMON USATY begann mit sieben Jahren, Gitarre zu spielen, mit zwölf war er an seinem ersten Bandprojekt beteiligt. Vor Kurzem veröffentlichte er seine vierte Platte – „Are Wading in the Shallows“ (Konkord) – unter dem Bandnamen PROTESTANT WORK ETHIC. Jürgen Plank sprach mit dem Musiker über Bluegrass, Religion und Geschichte.

Was bedeutet der Bandname Protestant Work Ethic?

Simon Usaty: Ich bin auf diesen Bandnamen durch ein Buch von Max Weber gekommen, das „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ heißt. Das habe ich gelesen, als ich mit diesem Bandprojekt angefangen habe. Ich fand es toll und habe mir gedacht: „Das klingt gut.“ Religiöse Anspielungen sind im Folk auch immer gut und deshalb habe ich mir diesen Namen ausgesucht.

Worum geht es in diesem Buch?

Simon Usaty: Max Weber hat untersucht, wie sich religiöse Einstellungen auf den Kapitalismus ausgewirkt haben, er hat das insbesondere in Deutschland untersucht. Er hat zum Beispiel gezeigt, dass viele erfolgreiche Wirtschaftstreibende eine eher spartanische Lebensweise haben.

Hatten Sie keine Bedenken wegen der religiösen Konnotation?

Simon Usaty: Ganz selten hat mich jemand gefragt, ob wir eine religiöse Band sind. Aber ich werde immer wieder darauf angesprochen, ob das eine Weber-Anspielung ist.

Ergeben sich aus diesem Kontext inhaltliche Auswirkungen auf die Musik?

Simon Usaty: Nein, eigentlich nicht.

In welchen Bands haben Sie bereits gespielt?

Simon Usaty: Eine Band, die es recht lange gegeben hat, hat als Studioprojekt begonnen. Das war ein Projekt mit Bernhard Bauch, die Band hieß Kes. Anfangs haben wir nur aufgenommen, danach haben wir Leute gesucht, um auch live zu spielen. Die ersten zwei Alben waren Frühwerke, die teilweise ziemlich blödsinnig waren, aber wir haben immer viel experimentiert, unsere Musik war Pop mit Ausflügen in alle möglichen Richtungen.

Von Bands, in denen man mitspielt, hin zum eigenen Projekt, bei dem man die musikalische Richtung und die Lieder vorgibt, ist es ein ganz eigener Schritt. Wie war denn dieser Prozess?

Simon Usaty: Als ich mit Protestant Work Ethic begonnen habe, war es so, dass ich diese Indie-Folk-Schiene mit Will Oldham und Jason Molina entdeckt habe und sehr begeistert davon war, mit welch einfachen Mitteln man großartige Wirkungen erzielen kann. Lieder, die sieben Minuten dauern, zwei Akkorde haben und mich trotzdem weggesprengt haben, weil sie so großartig waren. Es hat mich interessiert, das auszuprobieren.

„Mich hat interessiert, mit möglichst wenigen Mitteln viel zu machen.“

Wie hat das Bandprojekt Protestant Work Ethic dann begonnen?

Simon Usaty: Das erste Album hatte nur akustische Instrumente, keine Synthesizer oder Ähnliches. Mich hat interessiert, mit möglichst wenigen Mitteln viel zu machen. Aus der Not eine Tugend machend wollte ich etwas allein machen, weil ich nicht davon abhängig sein wollte, ob Leute Zeit für Proben haben oder nicht.

Wie gut ist das aufgegangen, war das schwierig?

Simon Usaty: Mir hat das total Spaß gemacht, ich habe die erste Platte gemacht und sie dann ein bisschen liegen lassen, weil ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass das jemanden interessiert. Auf der zweiten Platte war die Hälfte der Lieder schon in Bandbesetzung und ich habe gemerkt, dass man durchaus jemanden finden konnte, der sich dafür interessiert.

Vor Kurzem fand die Präsentation der aktuellen Platte „Are Wading in the Shallows“ im Wiener rhiz statt. Wie waren denn die Reaktionen?

Simon Usaty: Da ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt an Menschen dabei und viele kenne ich persönlich, aber es gab gute Rückmeldungen. Ein paar Leute haben mir erzählt, warum sie das eine oder andere Lied gut finden, das hat mich natürlich gefreut.

Können Sie eines dieser Lieder herausgreifen?

Simon Usaty: Also, „Lots Of Luck“ – ein Duett mit Werner Kitzmüller – gefällt einigen Leuten ziemlich gut. Werner hat eine eher tiefe Stimme und meine ist eher hoch – diese beiden Stimmen zu kombinieren ist total lustig und funktioniert zumindest für uns ziemlich gut.

Bei Ihrem Duett habe ich eben wegen der tiefen Stimme an Leonard Cohen gedacht.

Simon Usaty: Ich kenne Werner schon so lange, deshalb fallen mir Vergleiche schwer, aber ich habe gehört, dass ihn Leute mit dem Sänger der Tindersticks verglichen haben.

Cover Are Wading in the Shadows
Cover Are Wading in the Shadows

Das Lied erinnert mich insbesondere an Duette von Nick Cave und Kylie Minogue, haben Sie so etwas im Hinterkopf gehabt?

Simon Usaty: Ja und nein. Ich wollte aus Spaß mal ein Duett schreiben, wie es in den 1980er-Jahren üblich war: Ein Mann und eine Frau singen miteinander und erzählen dabei eine Liebesgeschichte.

Sie schlüpfen dabei nicht in die Hosen-, sondern in die Rockrolle.

Simon Usaty: Die populärsten Beispiele sind Duette von Männern und Frauen. Mir war das egal. Den Text kann man ohnehin unisex lesen, den kann man auf Männer und auf Frauen beziehen. Die Sparte Duett war sozusagen die Inspiration und der Text macht sich ein bisschen lustig über dieses Genre.

„Ich ziele nicht darauf ab, dass meine Musik so klingt wie guter alter Folk oder wie Country-Musik aus den 1940er-Jahren.“

Wenn man eine Verortung von Protestant Work Ethic vornimmt und sie als Indie-Bluegrass-Folk-Band beschreibt, würden Sie dem zustimmen?

Simon Usaty: Solche Beschreibungen sind auf der einen Seite immer schwierig, aber auf der anderen Seite braucht man sie, weil man schnell wissen muss, worum es geht. Indie trifft zu, weil meine Musik keinen Pop-Anspruch und keinen Anspruch auf Massentauglichkeit hat. Und Folk und Country sind auf jeden Fall eine Inspiration für mich, eine Quelle, aus der ich schöpfen kann. Ich ziele nicht darauf ab, dass meine Musik so klingt wie guter alter Folk oder wie Country-Musik aus den 1940er-Jahren. Ich nehme das als Material, mit dem ich dann arbeite.

Wie setzten Sie sich mit diesen Richtungen auseinander, hören Sie Bluegrass?

Simon Usaty: Ja, ich interessiere mich schon dafür, sowohl musikalisch als auch textlich. Auch Country-Texte sind ja oft ganz großartig, da geht es nur um Herzschmerz und den Highway. So etwas höre ich gerne und man kann daraus auch immer wieder zitieren.

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Was sind wichtige Bezugspunkte für Sie? Geht das zurück bis zu Earl Scruggs?

Simon Usaty: Ja, also Flatt & Scruggs waren ganz großartig, vor allem weil Earl Scruggs so toll Banjo spielte. Auch Bill Monroe, von dem man sagt, er hätte den Bluegrass erfunden. Roscoe Holcomb finde ich total großartig, das war ein Banjospieler und Sänger, der in den 1960er-Jahren seinen eigenen Gesangs- und Banjostil entwickelt hat. Er war zwar kein professioneller Musiker, wurde aber über die Smithsonian-Reihe von Alan Lomax entdeckt.

Worum geht es in Ihren Liedern inhaltlich?

Simon Usaty: Die Texte haben nichts mit Bluegrass zu tun, es sind mehr oder weniger normale Poptexte. Ich habe wenig Geschichten, sondern ich erinnere mich etwa an einen Abend vor mehreren Jahren, der ein Bild oder eine Stimmung erzeugt. Das verarbeite ich dann in einem Lied. Auf dieser Platte sind tatsächlich viele Liebeslieder, die aber weniger autobiografisch sind. Ich versuche, das Thema humorvoll oder zynisch zu verarbeiten.

Sie sind auch Historiker, verbindet sich Ihre Historiker-Seite mit Ihrer Musiker-Seite in irgendeinem Moment?

Simon Usaty: Ja, ich glaube schon. Ich entnehme oft einzelne Wörter, die mir gefallen, aus Büchern, und das kann auch aus einem historischen Buch sein, das ich lese, weil es mich interessiert. Da gibt es schon eine Überschneidung.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Jürgen Plank

Links:
Protestant Work Ethic
Protestant Work Ethic (Facebook)
Konkrod Records