Die aus Rumänien stammende Pianistin, die in Wien ihre Ausbildung abschloss und erfolgreich als Solistin auftritt, hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen das bemerkenswerte Projekt „Building Bridges“ ins Leben gerufen, das vor allem jungen „unbegleiteten“ Migrantinnen und Migranten eine sängerische, instrumentale und auch tänzerische Aus- und Weiterbildung in Form von Workshops ermöglicht. Bereits im Jänner gab es dazu einen öffentlichen Auftakt in Form eines Konzerts im Wiener Konzerthaus. Außerdem ist MARIA RADUTU Mitgbegründerin des NEW PIANO TRIO, das am 7. März im brick5 mit einem Programm mit Eigenkompositionen des Geigers Florian Willeitner in Erscheinung treten wird. Heinz Rögl sprach mit der Künstlerin.
Die in Bukarest geborene Pianistin Maria Radutu galt als Wunderkind und hat in ihrer bisherigen Karriere über zwanzig nationale und internationale Preise gewonnen. Orchesterkonzerte im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins (Rachmaninow 2.), im Salle Gaveau in Paris mit dem Wiener Kammerorchester (Mozart A-Dur KV414) oder im großen Saal des Auditorio National in Madrid mit der Orquesta Clasica Santa Cecilia (Strauss Burlesque) zählen zu den bisherigen Höhepunkten Maria Radutus solistischer Karriere. Anfang 2016 erfolgte eine Asientournee mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Cornelius Meister. Radutu spielt des öfteren als Gastpianistin der Wiener Philharmoniker.
Klavier- und Kammermusikabende führten sie von der Carnegie Hall in New York, dem Al Bustan Festival in Beirut, dem Festspielhaus Baden-Baden bis nach Peking, wo sie 2006 mit Lang Lang und Dominik Hellsberg das Mozartjahr eröffnete. 2013 erschien ihre Debut CD „Joujoux“ mit Werken von Chopin bis Ligeti. Im Juni 2016 erscheint bei Universal ihr zweites Album “Insomnia”.
Stets bestrebt, ihren musikalischen Horizont zu erweitern, beschritt Maria Radutu ihren Weg als künstlerische Leiterin des Kammermusikensembles PhilKlang Wien. Diesen Pfad setzte sie als Programmdirektorin des Kontrapunkte-Festivals in Lafnitz und als Intendantin des SoundGarden Kammermusikfestivals in Wien fort.
Zusammen mit Florian Willeitner und Ivan Turkalj bildet Maria Radutu das New Piano Trio, mit dem sie neue musikalische Wege eröffnet und gleichzeitig eine spannende Verbindung zu ihren Wurzeln im Balkan schafft. Am 7. März wird es mit dem Trio ein Konzert im brick5 geben. Das Klaviertrio erfindet die Gattung neu und erobert ungeahnte Klangräume. Zwischen Harmonie und dunklen Tönen changieren die Kompositionen des Geigers und Komponisten Florian Willeitner. Vertrackte Balkanrhythmen, gepaart mit lyrischen Melodien verzaubern die Sinne und bieten Hörerlebnisse der besonderen Art zwischen Klassik oder Pop (Brick-5, 1150 Wien, Fünfhausgasse 5, 7.3.).
Maria Radutu ist Gründerin und Leiterin von “Building Bridges – Kunst in Bewegung” – ein nachhaltiges Projekt mit Workshops und Konzerten von und für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Im Wiener Konzerthaus gab es am 27. Januar es ein Kick-Off-Event, mit von der Partie waren außer Maria Radutu am Klavier das Salah Ammo Quartett und das Duo Salah Ammo & Peter Gabis, das Ensemble LUX, Hakan Gürses an der Busuki, der Tenor Carlos Osuna, die kurdische Sängerin Özlem Bulut und der Regisseur Alexander Medem.
Mit außergewöhnlichen CD Konzepten, klassisch bei Solokonzerten, groovig mit dem New Piano Trio und als kühne Programmgestalterin verfolgt Maria Radutu ein Ziel, Augenblicke zu erschaffen, die den Puls des Zuhörers verändern.
Was können Sie uns über „Building Bridges“ erzählen und wie kam es zustande?
Maria Radutu: Im Juli vergangenen Jahres haben wir uns zum ersten Mal getroffen, den Gedanken dazu hatte ich zwar schon im Sommer davor, aber noch nicht das richtige Team dafür. Als die große Flüchtlingswelle kam, konnte man kaum mehr wegschauen. Es hat sich ein Team gebildet und ich habe das Konzept, das ich schon hatte, in den folgenden Monaten weiterentwickelt, um schon vor dem Besuch des ersten Hauses zu wissen, wie wir das machen würden.
Was war und ist die eigentliche Idee?
Maria Radutu: Die Idee? Dort Hilfe zu leisten, wo sie am meisten gebraucht wird. Das funktioniert am besten lokal. Wenn ich nach Lateinamerika fahre, um Workshops zu geben, ist das zwar nett, aber die Kosten stehen in keinem Verhältnis zum Ertrag und das macht nicht viel Sinn. In meinen Augen waren die unbegleiteten Flüchtlinge die, die am meisten Hilfe brauchten, weil sie vielleicht unstabil sind und man nicht weiß, ob sie dableiben können und so weiter. Schon alleine aus therapeutischen Gründen brauchen sie so etwas am meisten.
Sie sind ausgebildete Pianistin, stammen aus Rumänien und haben dort begonnen zu lernen und sind dann nach Österreich gegangen?
Maria Radutu: Ich bin mit vierzehn Jahren nach Österreich gekommen, wo ich angefangen habe zu studieren.
Sie waren auch in Rumänien bereits erfolgreich?
Maria Radutu: In Rumänien gibt es ja noch den Begriff des „Wunderkindes“, das wird dort sehr ausgelebt, ich habe mit sechs angefangen, es gibt wahnsinnig viele Wettbewerbe.
Hat man gesagt: Übe, denn du bist gut?
Maria Radutu: Naja, es war schon viel Druck und die Konkurrenz ist sehr stark, im engsten Familienkreis meiner Mutter und meines Bruders war schon klar, dass ich üben muss, aber sobald ich gesagt hätte, ich will nicht mehr, wären sie die ersten gewesen, die mich beschützt hätten. Das war ein Glück. Mir hat das von Anfang an sehr gut gefallen, aber ungefähr mit zehn Jahren kam der Moment, wo ich mir gesagt habe, hoppala, das ist ja ernst. Es war aber nie so, dass ich vor einem Konzert gesagt hätte, ich will da nicht raus.
Dann haben Sie sich gesagt, ich gehe nach Wien?
Maria Radutu: Es gab mehrere Möglichkeiten, London, Paris, Rom und Wien. In London wurde ich an der International Menuhin Music Academy akzeptiert. Der Studienplatz hätte damals aber 30.000 Pfund pro Jahr gekostet und die hat man nicht so einfach unter der Decke. Wien ist doch nach wie vor eine Musikstadt. Was man von hier mitnehmen kann, ist gewaltig. Meine Lehrer hier waren Stefan Vladar und zum Schluss Stefan Arnold.
„Ich hatte immer den Gedanken, dass ich das, was ich selber bekommen habe, zurückgeben kann.“
Wie sind Sie als aufstrebende Pianistin auf die Idee gekommen, Flüchtlingen helfen zu wollen?
Maria Radutu: Man ist ja nicht nur Pianistin, die Tätigkeit hat mehrere Facetten. Schon als ich klein war, machte ich viele Reisen und habe sehr viele Abenteuer hinter mir. In wirklich riskanten Momenten habe ich immer Hilfe bekommen, und meistens aus Ecken, aus denen sie nicht zu erwarten war. Als ich nach Wien gekommen bin, hat mir die Rumänische Akademie ein Stipendium gegeben, was auch nicht zu erwarten war. Ich hatte immer den Gedanken, dass ich das, was ich selber bekommen habe, zurückgeben kann. Ich habe ein Patenkind gehabt, war für jedes Benefizkonzert zu haben, aber etwas zu machen, wo ich selber aktiv werde und auch meine Erfahrung hineinlegen konnte, das hat dauert.
Waren es mehrere Leute, die „Building Bridges“ entwickelten?
Maria Radutu: Der erste Anstoß kam von meinem Bruder, ich kannte natürlich El Sistema und ähnliche Initiativen, besonders fasziniert hat mich ein Video vom paraguayischen The Landfillharmonic, das daraus entstand, dass Kinder Instrumente aus Müll machten und, andere El-Sistema-Projekte. Wichtig war mir auch, dass die künstlerische Qualität sehr hoch ist. Ich möchte nicht, dass man sich für ein solches Konzert statt einer Spende eine Karte kauft, sondern weil man das hören will. So werden Kinder und Jugendliche auf einer Bühne wertgeschätzt. Es ist unsere Aufgabe zu schauen, wie wir sie auf der Bühne einsetzen können und das Beste aus ihnen herauszuholen.
Wie kam das Projekt ins Konzerthaus?
Maria Radutu: Die Workshops für das Projekt „Building Bridges“ haben im Dezember begonnen. Das Benefizkonzert im Jänner von uns, also von Künstlern, sozusagen Profis, auch solchen, die sich angeschlossen haben, war ein Mittel, um damit an die Öffentlichkeit zu treten, auch wegen der Finanzierung. Salah Ammo ist ein syrischer Musiker, der schon länger in Wen lebt und in Europa bekannt ist, mit Peter Gabis spielte er als Duo und auch im Quartett. Özlem Bulut ist eine kurdische Sängerin, die auch in Wien studiert hat, eine Brückenbauerin schlechthin. Sie sang im Duo mit Hakan Gürses, der Busuki spielte. Und Carlos Osuna von der Wiener Staatsoper war dabei. Wichtig ist natürlich Alexander Medem, mit dem ich das Projekt leite. Medem ist Regisseur, er hat an diesem Abend Geschichten aus „Tausendundeiner Nacht“ gelesen, dazu gab es klassischer über orientalische Musik bis hin zu Ethno-Jazz. Ich spielte ein Mozart-Konzert, das frühe in A-Dur, dabei hat mich das Ensemble Lux als Streichquartett unterstützt und begeleitet.
Wo sind die Workshops, laufen die?
Maria Radutu: Die sind samstags und mittwochs. In der Zentrale des Arbeiter-Samariter-Bundes Österreichs laufen zwei Gruppen, und im Haus Ottakring – auch vom Samariterbund – lernen Mädchen, die fast alle aus Somalia sind, tanzen. Für den November planen wir eine größere Aufführung, bei der Gruppen aus allen Sparten stattfinden. Persönlicher Erfolgspunkt für mich war ein sechsstündiges Gespräch, das ich mit Royston Maldoom, dem Choreografen von “Rhythm is it!” und dem eigentlichen Begründer der Community-Dance-Bewegung, in Berlin hatte. Er hat nicht nur zugesagt, zum Großevent 2017 nach Wien zu kommen, um die Choreografie zu machen, sondern er kommt auch im November, um eine Choreografie für kleinere Gruppen, mit denen wir dann viel mobiler sein können, zu erarbeiten. Wir haben eingespielte Musik und je zehn bis fünfzehn Kinder aus jeder Sparte.
Wie alt sind die Kinder und Jugendlichen?
Maria Radutu: Es gibt keine Altersbeschränkungen, Sprachbarrieren, Geschlechtsvorlieben oder so etwas. Das Projekt ist grundsätzlich für unbegleitete Minderjährige und die meisten sind zwischen vierzehn und achtzehn Jahren.
Die können sich melden oder werden vermittelt?
Maria Radutu: Das ist von Haus zu Haus unterschiedlich. In den Häusern, in denen die Jugendlichen länger leben, kennen die Betreuerinnen und Betreuer sie schon besser und können sagen, wer sicher mit dabei ist. Im Haus Ottakring ist das Ganze auch ein bisschen entstanden.
Abgesehen von den somalischen Mädchen, woher sind die anderen Jugendlichen in den Gruppen?
Maria Radutu: Die meisten aus Afghanistan, Syrien und dem Irak.
Das Schöne am New Piano Trio ist, dass es dafür kein „Kastl“ gibt
Reden wir noch über das New Piano Trio, das am Montag, 7. März ein Konzert im brick5 gibt. Spielt ihr Neue Musik oder in welches „Kastl“ gehört das?
Maria Radutu: Das Schöne am New Piano Trio ist, dass es dafür kein „Kastl“ gibt beziehungsweise bilden wir uns ein eigenes. Es ist schon dadurch Neue Musik, dass unser Geiger Florian Willeitner die Musik komponiert. Seine Harmonien sind sehr jazzig, die Rhythmen kommen oft aus dem Balkan, die Melodien erinnern an irische Volksmusik, die Formen sind sehr klassisch. Es sind viele Elemente, die zusammen ein Ganzes ergeben. Was uns betrifft, sagt man oft CrossOver, aber wir verstehen es nicht so.
Der Cellist Ivan Turkalj ist Kroate, wir kommen also aus drei unterschiedlichen Ländern. Wir sind alle drei klassisch ausgebildet, spielten allerdings in sehr verschiedenen Bereichen. Ich bin der Klassik zuzurechnen. Ich kenne ich kaum jemanden, der vielseitiger ist, er spielt Pop, Barockcello, alles Mögliche, und bringt unwahrscheinlich viel Erfahrung ein. Florian ist am meisten im Jazzbereich unterwegs und komponiert sehr viel, auch für andere Ensembles, und eben für uns. Florian wollte mich dabeihaben, weil ich Klassikerin bin und vom Anschlag und meiner Spielart anders bin, als es im Jazz üblich ist.
Welche Projekte verfolgen Sie außerdem?
Maria Radutu: Als Pianistin bringe ich im Juni mein zweites Album heraus, das „Insomnia“ heißen wird und das ich letztes Jahr aufgenommen habe. Das Konzept ist über ein Jahr hinweg entstanden und hat sich immer wieder verändert. Mir ist es wichtig, dass man das Konzept erkennt. Es ist das persönlichste Programm, das ich je zusammengestellt habe. Auf dem Album sind sieben Komponisten, von denen man auf den ersten Blick glauben könnte, sie haben nichts miteinander zu tun. Sie haben mit mir zu tun. Es gibt Musik von Skrjabin, eine Pavane von Fauré, eine Partita von Arvo Pärt, dann drei Lieder von Jean Sibelius mit einem großartigen Bariton, nämlich Klemens Sander [der an der Wiener Volksoper Ensemblemitglied ist, Anm.], dann kommt noch ein weiteres Lied, gesungen von einem Wiener Sängerknaben, ein Lied an den Mond von Reynaldo Hahn. Ein weiteres Werk ist von Peteris Vasks. Es ist nicht das klassische Programm, das man bei einem Album mit dem Thema „Nacht“ erwarten würde. Es geht mir darum, möglichst unterschiedliche Elemente anzuspielen die im Moment kurz vor dem Einschafen in unseren Gedanken vorkommen können. Wenn ich in meinen Recherchen keine passenden Werke gefunden habe, dann sind sie eben dafür geschrieben worden – “Last Smoke” von Margareta Ferek-Petric und die Jazz-Ballade “Ohne Worte” von Christoph Cech.
Vielen Dank für das Gespräch!
Heinz Rögl
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