„IN WIEN MUSST DU MEHR ALS NUR GUTE MUSIK DRAUFHABEN“ – EVAN PARKS IM MICA-INTERVIEW

EVAN PARKS sitzt im Studio, vor ihm stehen mehrere Monitore und ein Mini-Keyboard, ein Musikprogramm mit zahlreichen Samples ist geöffnet. Er zeigt seine neuesten Entwürfe her, sucht ein paar Minuten in den Tiefen seiner Festplatte nach Tracks, die er vor einiger Zeit produziert hat. Dateien sinnvoll zu ordnen ist nicht sein Ding, erzählt er lachend. Aufgewachsen ist EVAN PARKS in Kalifornien, mit 18 zieht er nach Klagenfurt und beginnt, klassische Musik zu studieren. Die Leidenschaft für HipHop kommt erst später dazu: Gemeinsam mit seiner Band „The Icon“ bespielt er etliche Bühnen und macht sich dadurch einen Namen in Kärnten. Doch er will hoch hinaus, ein Soloprojekt und die Großstadt müssenher. Warum die österreichische Musikindustrie manchmal frustrierend ist, wie er zwischen Klassik und HipHop hin und her pendelt, und welche Herausforderungen die Wiener HipHop-Szene bereithält, hat EVAN PARKS im Gespräch mit Katharina Reiffenstuhl erzählt.

Man könnte meinen, Kalifornien ist DIE Gegend, um Musik zu machen. Trotzdem hast du dich entschieden, fürs Musikstudium nach Österreich zu ziehen.

Evan Parks: Das haben sich viele gefragt, warum ich das gemacht habe. (lacht) Aber mein einziger Weg zur Musik war damals nicht HipHop, sondern Klassik. Mir wurde halt eingeredet, dass Österreich oder generell Europa der beste Ort für klassische Musik wäre. Dadurch, dass meine Mutter Kärntnerin war, dachte ich mir, ich kann nach der Schule ein Jahr nach Österreich gehen und dort klassische Musik machen. Um von den Besten zu lernen. Dann bin ich hergezogen, habe viele Leute kennengelernt und habe angefangen neben der klassischen Musik auch HipHop zu machen. Das hat sich dann alles irgendwie entwickelt, ich habe in Kärnten dann auch mein Studium begonnen und bin dadurch weniger in Kalifornien gewesen. Ich hatte hier auch meine erste HipHop-Gruppe und irgendwann waren alle meine Kontakte hier. Das ist jetzt 8 Jahre her und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, zurückzugehen.

„ICH HABE ALLE BÜHNEN GESCHAFFT UND WAR DANN ABER TROTZDEM NIRGENDWO, WO ICH SAGEN KÖNNTE, DASS ICH FUß GEFASST HABE“

Mittlerweile wohnst du ja auch nicht mehr in Kärnten, sondern in Wien. Welchen Grund hat das, waren dir da die musikalischen Möglichkeiten zu begrenzt?

Evan Parks: Ja, vor zwei oder drei Jahren habe ich mich entschieden, mich auf HipHop zu konzentrieren. In Klagenfurt ist das leider zu begrenzt. Es ist eine schöne Stadt und es gibt viele talentierte Leute, aber die ziehen eigentlich alle immer irgendwohin weiter. Die ziehen nach Berlin, nach Wien oder Graz und da bleibt in Kärnten nicht viel übrig. Ich habe dort alle Gigs gemacht, ich habe alle Bühnen geschafft und war dann aber trotzdem nirgendwo, wo ich sagen könnte, dass ich Fuß gefasst habe. Daher wusste ich, ich muss nach Wien. Nach Berlin wollte ich nicht. 

Warum?

Evan Parks: 
Ich weiß nicht, jeder geht nach Berlin. Und ich will einfach nicht nach Deutschland, ich mag Österreich sehr. In Klagenfurt oder Graz sagt dir jeder “Geh nach Wien!”. Jetzt bin ich hierhergekommen und jeder erklärt mir “Geh nach Berlin!” (lacht). Aber ich bin happy in Wien. Es ist etwas ganz anderes, eine ganz andere Szene, ein ganz anderer Lifestyle.

Wie ist die Szene in Wien?

Evan Parks: Ich habe mir immer vorgestellt, dass sie groß wäre, dass viele HipHop machen. Aber sie ist sehr klein, jeder kennt sich irgendwie. Das find ich einerseits gut, andererseits ist es sehr begrenzt. Jeder muss irgendwie cool sein, man muss sich sehr beweisen. In Kärnten hast du ziemlich schnell neue Kontakte und wenn deine Musik gut ist, dann wirst du ziemlich schnell anerkannt. Hier in Wien musst du mehr als nur gute Musik draufhaben. 

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In Kärnten organisierst du viele Musik-Events mit. Ist das ein Versuch, die Kärntner HipHop-Szene ein bisschen aufleben zu lassen?

Evan Parks: Die Grundidee ist 2021 entstanden, kurz nach dem ersten Corona-Lockdown. Meine damalige Gruppe, “The Icon”, wollte Events machen, weil wir sonst keine Gigs bekommen hätten. Das heißt, wir haben das selbst organisieren müssen und haben ein Event gestartet. Dann bin ich mit meiner Freundin zusammengekommen und wir haben uns gedacht, wir machen genau für das eine Firma: Um unterrepräsentierten Gruppen eine Bühne zu geben. Wir werden vom Land finanziert und haben dadurch die Möglichkeit, Musiker:innen auf die Bühne zu stellen. 2022 haben wir begonnen, monatliche Events zu veranstalten. Dadurch, dass wir jetzt nach Wien gezogen sind, machen wir natürlich weniger Events. Aber wir schauen, dass wir das weiterhin ausbauen, ab Juni kommt dann wieder jeden Monat etwas in Kärnten. 

Deine Musik lebt sehr von Spontanität: Das Musikvideo zu „LTL“ ist als one-take gedreht worden, vor 3 Wochen hast du außerdem einen Freestyle-Track veröffentlicht. Bist du keiner, der sich gern hinsetzt und gezielt etwas konzipiert?

Evan Parks: Das ist eine gute Frage, ich würde sagen, nicht bewusst. Mein Plan ist es, mich irgendwann mal gezielt auf Themen zu konzentrieren, zum Beispiel auf ein Album. Aber ich experimentiere sehr, was kommt, das kommt und daran arbeite ich weiter. Jetzt im Moment habe ich kein Konzept. Wenn ich meine eigene Fanbase habe und weiß, was ich musikalisch alles kann, dann werde ich nach Konzept arbeiten. Aber dann in Albumform. Derweil bin ich noch nicht so bereit dafür.

Wie ist die Single “LTL” entstanden?

Evan Parks: Ich bin ab und zu frustriert, wie es in der Musiklandschaft in Österreich läuft. Ich habe ein gewisses Bewusstsein, wie gut meine Musik ist, ich habe ja auch eine Ausbildung dafür. Aber manchmal geht einfach nicht viel weiter. In so einem Moment habe ich “LTL” gemacht, weil ich mir gedacht habe, dass ich diese Frustration und dieses “ich mache gute Musik, ich kann das, aber ich habe noch nichts geschafft” in einen Song packen will. Ich habe dann einen Beat gefunden und gleich in einer Nacht den Text geschrieben und alles aufgenommen. Das war quasi innerhalb eines Tages fertig. Ein Kumpel von mir hat das dann gemixt und gemastert. Diese Spontanität wollte ich auch ins Musikvideo einbringen, daher der one-take. Ich wollte einfach ins Studio und die Emotion genau so einfangen.

„VERBINDUNGEN VON KLASSIK UND HIPHOP KLINGEN FÜR MICH PERSÖNLICH SEHR CHEESY“

Du hast Klassik studiert. Inwiefern hilft dir diese Ausbildung im HipHop, den du machst?

Evan Parks: Ich würde sagen, sehr. Ich habe dadurch eine gewisse Musikalität, ich weiß, wie man richtig auftritt, welche Methoden man da anwendet, damit das Publikum mit hineingezogen wird. Beim Produzieren selbst weiß ich, was richtig klingt und ich kenne die Prozesse dahinter. Wenn ich mit Produzent:innen arbeite, weiß ich sofort, wie ich das kommunizieren muss, wenn ich etwas Bestimmtes haben will. Das erleichtert einfach vieles. Studiert habe ich Klarinette und Klavier, also rein technisch bringe ich das wenig in meine Musik hinein. Eigentlich würde ich das gerne irgendwann mal verbinden, aber es soll nicht kitschig klingen. Verbindungen von Klassik und HipHop klingen für mich persönlich sehr cheesy. Ich will das verknüpfen können, ohne, dass es cheesy ist.

Du komponierst auch fürs Theater – eine ziemliche Abwechslung zum HipHop. Was taugt dir mehr?

Evan Parks: HipHop ist mehr mein Ding, weil es meine eigene Kunst ist. Ich habe in der Klassik das Gefühl gehabt, dass man immer die Musik von anderen Leuten macht – und das hat mich immer ein bisschen gebremst. Da nimmt man ein Stück von Chopin oder Weber und es ist irgendwie schon vorgeschrieben, was man machen soll. In diesem Sinne ist im Vergleich dazu der HipHop einfach nur meins. Niemand kann mir etwas sagen, weil es mein Ding ist. Am Theater ist halt das Coole, dass das auch meine eigene Komposition ist. Daher kann ich gar nicht sagen, was davon mir mehr gefällt.

Worauf konzentrierst du dich aktuell mehr?

Evan Parks: Gerade auf HipHop. Ich möchte das voll pushen. Es ist Spielraum da, wo ich noch etwas schaffen kann und ich will da auch einen gewissen Punkt erreichen. Deshalb bin ich auch nach Wien gezogen, deswegen habe ich mich weniger auf die Sachen in Kärnten konzentriert, damit HipHop jetzt wirklich meine volle Aufmerksamkeit hat. Dann kann ich später mit 40 nicht sagen, dass ich zu viele Sachen gleichzeitig gemacht habe und dadurch meine Ziele nicht erreicht habe.

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Das erste Album hast du mit deiner Band „The Icon“ veröffentlicht. Jetzt trittst du eher solo in Erscheinung. Was ist aus der Band geworden?

Evan Parks: Die Band ist stillgelegt, weil es einfach gerade nicht mehr so ist, wie es mal war. Die Ursprungsidee von “The Icon” war, dass wir zu dritt waren und alle was schaffen wollten in der Musik. Aber unser Produzent ist dann ausgestiegen, weil er sich mehr auf Klassik konzentrieren wollte, er ist Pianist. Also waren wir nur mehr zu zweit und haben an dem Punkt einen Manager geholt, der viel auf Marketing gesetzt hat. Dann waren wir viel auf Instagram präsent und haben viele Interviews gegeben, aber irgendwie keine Musik mehr gemacht. Und dann war das weg, was wir damals eigentlich wollten, der ganze Sinn dahinter. Vor zwei Jahren habe ich gemerkt, dass das nicht mehr wirklich “The Icon” ist. Max Grosseck, der andere, der da beteiligt war, hat dann auch einen Job bekommen und sich mehr auf den konzentriert. Ich war dann quasi nur noch alleine und dachte mir, bevor ich “The Icon” pushe, was eigentlich gar nicht mehr so richtig existiert, pushe ich mich lieber selbst. Seitdem mache ich mein eigenes Ding.

Macht ihr generell noch Musik zusammen, privat?

Evan Parks: Dadurch, dass ich jetzt in Wien bin, weniger. Die beiden wollten in Kärnten bleiben und ich nicht. Also ich glaube nicht, dass aus “The Icon” wieder etwas wird. Aber es war eine super Zeit für uns alle, sonst hätte ich vermutlich auch nicht mit dem Produzieren angefangen. 

Was glaubst du wäre heute anders für dich, wenn du direkt als Solokünstler begonnen hättest?

Evan Parks: Darüber habe ich letztens nachgedacht. Ich glaube, ich wäre schneller nach Wien gekommen. Ich bin dortgeblieben, weil es eben diese Band gab und ich sehr viel Energie dort hineingesteckt habe. Vieles in Österreich läuft einfach in Wien ab. Aber das wäre das einzige, und ich würde auch nicht sagen, dass ich das bereue.

„ES GIBT HIPHOP-FESTIVALS, DA STEHT KEINE EINZIGE SCHWARZE PERSON AUF DER BÜHNE“

Was sind deine Erfahrungen mit Rassismus in der Musikbranche?

Evan Parks: Ich glaube, ich bin sehr naiv, wenn es darum geht. Bevor ich meine Freundin kennengelernt habe, die auch Anti-Rassismus-Trainerin ist, habe ich alles weggesteckt und ignoriert, was mit Rassismus zu tun hatte. In der Klassik war ich ja quasi die einzige schwarze Person, überall. Ab und zu, wenn die Universität etwas gebraucht hat, zum Beispiel Diversität zeigen wollte, dann wurde ich eingesetzt. Sonst wurde ich eigentlich nie für Konzerte aufgerufen, aber wenn es um Diversität ging, dann mussten die mich nehmen. Meiner Meinung nach habe ich ja trotzdem davon profitiert, also war es okay für mich. Aber jetzt, wo ich in Wien mehr Gigs spielen will, merke ich, dass schwarze Künstler:innen keine Bühne kriegen. Obwohl es wirklich viele gibt, die gut sind. Es gibt HipHop-Festivals, da steht keine einzige schwarze Person auf der Bühne, obwohl HipHop von schwarzen Menschen gemacht ist. Das ist crazy. 

Vor allem dieses Jahr gab es schon ein paar neue Singles von dir. Was kann man denn vom Rest des Jahres erwarten?

Evan Parks: Ich will jetzt viele Features mit anderen Leuten in Österreich, vor allem mit schwarzen Künstler:innen, machen. Ich arbeite da gerade an einem Projekt, wo der Beat supercool ist. Aber es ist voll schwierig, dazu zu texten. Ansonsten viele weitere Singles und viele Musikvideos. Auch sehr abwechslungsreiche Singles. Ich will meine Bandbreite zeigen und auch selbst finden. Der letzte Song “Facts”, zum Beispiel, war eher chilliger und depressiver, aber die nächste Single dann full hyped. Du kannst quasi von 12 Singles auf mich schließen, wie ich bin: Evan kann so, aber auch so. Am Ende des Jahres sollte man mich einstufen können, was ich kann, wofür ich stehe und wo meine Grenzen sind. Eine EP ist auch in Planung, aber da warten wir auf ein gutes Datum. Ich möchte das gut vermarkten.

Danke für das Interview!

Katharina Reiffenstuhl

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