„IN ÖSTERREICH SIND WIR DER ENTWICKLUNG IN VIELEN BEREICHEN VORAUS“ – ALEX TOMANN IM MICA-INTERVIEW

ALEX „FIRE“ TOMANN gehört seit langer Zeit zu den gefragtesten Tontechnikern des Landes und hat unter anderem mit Acts wie BILDERBUCH, BULBUL oder CARI CARI zusammengearbeitet. Clemens Engert sprach mit dem Wahlwiener über seine analoge Arbeitsweise, die Wichtigkeit der richtigen Lautstärke und warum Frauen in der Branche endlich am Vormarsch sind.

Du bist jetzt schon über 20 Jahre lang als Engineer tätig. Wie hat sich das Berufsbild des Tontechnikers im Laufe der Zeit geändert?

Alex Tomann: Mit dem Fortschritt der Technik hat sich natürlich vieles geändert. Früher hat ein Studiotag mindestens 10.000 Schilling gekostet, mittlerweile kommt man mit wenig Geld schon sehr weit. Heutzutage hat jeder einen Laptop, ein Interface und eine Software und man kann mit geringen Mitteln die eigene Musik gut klingen lassen. Tontechnik ist ja auch kein Selbstzweck, sondern es geht darum, dass man mit der Musik ein bestimmtes Gefühl vermittelt. Dafür braucht man nicht unbedingt das teuerste Mikro. Insofern glaube ich, dass es für einen professionellen Tontechniker mehr denn je gefragt ist, sich in den Dienst der Musik zu stellen. Das entspricht auch meiner Philosophie: Ich will die Künstler ein Stück ihres Weges begleiten und ihnen dabei helfen, in die richtige Richtung zu gehen.

Du bist dafür bekannt, dass du nach wie vor analog mischst.

Alex Tomann: Ja, ich arbeite analog, weil es mir dabei hilft, meinen Job bestmöglich zu machen. In dieser Hinsicht bin ich durchaus auch noch gewissen alten Strukturen verhaftet. Ich habe auch noch viele Geräte in meinem Studio stehen, die man mittlerweile hauptsächlich als Plug-Ins kennt. Es geht aber nicht vorrangig um die Hardware, sondern um die spezifische Arbeitsweise, die das Analoge bedingt. Meine Methodik lautet nach wie vor: Einen Song mischen dauert einen Tag – auch, wenn ich dabei bis Mitternacht im Studio stehe. Der Vorteil bei diesem Ansatz liegt darin, dass man nichts auf später verschieben kann, sondern an diesem Tag voll bei der Sache sein muss.

Kommen Künstler dezidiert zu dir, weil sie wissen, dass du analog arbeitest?

Alex Tomann: Das glaube ich nicht. Es hat bis jetzt zumindest noch niemand so kommuniziert. Es ist eher so, dass die Leute meist jemanden kennen, der schon einmal mit mir gearbeitet hat und so auf mich kommen. In den meisten Fällen muss ich sogar eher erklären, was analoges Mischen konkret bedeutet. Wenn man dann einmal darüber redet, gibt es allerdings schon Leute, die von dem Zugang begeistert sind.

Was macht deiner Meinung nach einen guten Engineer aus?

Alex Tomann: Ich glaube, dass eine breite musikalische Basis sehr wichtig ist – die Fähigkeit, über den Tellerrand hinausschauen zu können. Wenn man viel kennt, weiß man eben auch besser, was man nicht will. Kommunikation ist auch eines meiner Schlüsselelemente. Zudem sollte man über eine gewisse Selbstsicherheit verfügen. Wenn man sich selbst unsicher ist, ist es nämlich schwierig, jemand anderen von seiner Arbeit zu überzeugen. Selbstsicherheit hilft auch  dabei, das Gegenüber besser wahrzunehmen und mit etwaiger Kritik umgehen zu können. Da kommen wir wieder auf das Thema Kommunikation zurück.

„Tontechniker ist nicht gerade ein familienfreundlicher Job.“

Gibt es irgendeinen Bereich, wo es in deiner täglichen Arbeit besonders häufig zu Missverständnissen kommt?

Alex Tomann: Ein wiederkehrendes Thema ist zum Beispiel die Lautstärke – in all ihren Ausprägungen. Man muss sich bewusst sein, dass es in diesem Bereich eine rote Linie gibt, die man nicht überschreiten darf. Oft kommen nämlich Leute mit Demos ins Studio, die lauter sind als jedes finales Master je sein kann. Dann muss man dem Gegenüber erklären, warum der Mix wesentlich leiser ausgefallen ist oder, warum bestimmte Elemente leiser sind als andere. Das ist ein großes Feld, wo man immer wieder viel kommunizieren muss. Vertrauen spielt da auch eine wichtige Rolle.

Warum findet man in deiner Branche immer noch so wenige Frauen?

Alex Tomann: Grundsätzlich sind die Gründe dieselben wie überall sonst. Tontechniker ist halt nicht gerade ein familienfreundlicher Job, was für Frauen leider noch immer ein größerer Nachteil ist als für Männer. Für Männer ist es wohl noch immer einfacher, nicht in Karenz zu gehen als für Frauen. Die Strukturen sind da leider immer noch ziemlich verkrustet. Ich sehe aber auch, dass sich da derzeit einiges tut. Ich habe selber eine Assistentin, die fähiger ist als alle anderen, die jemals bei mir waren und es gibt einige weitere Beispiele. Es gibt auch eine strukturierte Tontechnikerinnen-Gruppe in Österreich, wo wirklich tolle Leute dabei sind. Es geht also was weiter und das ist super.

Wie siehst du allgemein den Wandel der Musiklandschaft bzw. der Musikindustrie?

Alex Tomann: Ich glaube, dass wir in Österreich der Entwicklung in vielen Bereichen sogar etwas voraus sind. Deutsche Acts richten sich zum Beispiel meiner Erfahrung nach noch immer sehr nach der Musikindustrie und Radiolandschaft aus, während das bei uns nicht mehr so passiert. Eine Band wie Bilderbuch etwa hat nie darauf geschielt, wie man die Aufmerksamkeit der Musikindustrie erringen kann, sondern immer ihr eigenes Ding gemacht. Da war am Anfang nie ein großes Marketingbudget dahinter, sondern sie sind organisch gewachsen. Ich finde, dass das etwas sehr Positives ist, weil es einfach von gewissen Zwängen befreit und es den Künstlern die Freiheit gibt, das zu machen, worauf sie Bock haben.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Clemens Engert

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