Wien hat seit 1. Dezember ein neues Veranstaltungsgesetz mit teils gravierenden Änderungen zur bisher geltenden Rechtslage. Ziel des Gesetzes waren Deregulierung und Bürokratieabbau. Aber bringt das Gesetz tatsächlich die erhoffte Erleichterung für Veranstalter? DIETMAR KLOSE, Abteilungsleiter der MA 36, erklärte dem mica, wie aus drei Verfahren eines wurde und wann das vereinfachte Anmeldungsverfahren zur Anwendung kommt.
Das neue Veranstaltungsgesetz ersetzt das bisher geltende. Ein gänzlich neues Gesetz war nach 34 Novellierungen und dem sich daraus ergebende Fleckerlteppich längst überfällig, sagen viele. Das Gesetz war – verglichen mit moderneren Landesgesetzen (Steiermark 2012, Oberösterreich, Niederösterreich) auch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Würden Sie das neue Gesetz als „großen Wurf” oder als „angemessenen Kompromiss” bezeichnen?
Dietmar Klose: Das neue Wiener Veranstaltungsgesetz 2020 ist ein modernes und zeitgemäßes Gesetz und sicherlich „ein großer Wurf“. Im Begutachtungsverfahren hat auch die Wirtschaftskammer Wien darauf verwiesen, dass dieses Gesetz ein Vorbild für die anderen Länder sein könnte.
Das bisherige VeranstaltungsG kannte die Berechtigungsarten: anmelde- und bewilligungsfreie (= berechtigungsfreie) sowie anmelde- und bewilligungspflichtige Veranstaltungen. Das neue setzt mit der Wien bislang fremden Anzeigepflicht eins drauf und unterteilt zusätzlich dazu die berechtigungsfreien Veranstaltungen in zwei Arten: solche, die auf gewerblichen Betriebsanlagen stattfinden und keine Eignungsfeststellung nach Veranstaltungsrecht benötigen, und solche in sonstigen Lokalitäten, die dieses Kriterium sehr wohl erfüllen müssen. Damit wurde die bisher bestehende, erst 2010 eingeführte generelle „Eignungsvermutung” für die meisten Veranstaltungsarten bis zu 200 Besuchern wieder sistiert. In Summe müssen wir daher fortan in Wien mit insgesamt fünf Berechtigungsarten leben, was im Ländervergleich der Veranstaltungsgesetze einen einsamen Rekord darstellt. War diese Komplexität wirklich notwendig?
Dietmar Klose: Diese Frage gibt den Text eines tendenziösen Gastkommentars in der Wiener Zeitung wieder, der inhaltlich in weiten Teilen nicht richtig ist. Die Anmeldepflicht für Veranstaltungen hängt in Zukunft mit der Personenanzahl zusammen: ab 300 im Freien, ab 200 in Räumlichkeiten und ab 120 im Souterrain (letztes auf Grund der erforderlichen zwei Fluchtwege). Im Anmeldungsverfahren inkludiert ist die Eignungsfeststellung, also die Bewilligung für die Veranstaltungsstätte. Für Veranstaltungen in gewerblichen Betriebsanlagen ist eine Bewilligung nicht erforderlich, wenn es ohnehin eine Betriebsanlagengenehmigung gibt.
Wird sich aufgrund dieser Neuregelung aus Ihrer Sicht ein bürokratischer Mehraufwand und/oder Unsicherheiten ergeben?
Dietmar Klose: Die Intention des neuen Wiener Veranstaltungsgesetzes war eine Deregulierung. Das wird alleine schon dadurch deutlich, dass bislang oft drei Verfahren für eine Veranstaltung erforderlich waren (Anmeldungsverfahren, Eignungsfeststellung und Verlängerung der Sperrzeit). In Hinkunft wird dies alles in einem einzigen Verfahren abgewickelt. Von einem bürokratischen Mehraufwand kann daher keine Rede sein.
Könnten Sie den Unterschied zwischen einer „Veranstaltung anzeigen“ und einer „Veranstaltung anmelden“ erläutern?
Dietmar Klose: Im Anmeldungsverfahren wird von der Behörde geprüft, ob die Veranstaltung allen gesetzlichen Bestimmungen entspricht und werden für die Durchführung der Veranstaltung erforderliche Auflagen vorgeschrieben. Die Veranstaltung darf erst nach positivem Bescheid durchgeführt werden. Musik im Freien unter 300 Personen muss nur angezeigt werden, wenn die gesetzlichen Lärmwerte eingehalten werden. Diese Anzeige dient dazu, dass die LPD Wien und der Bezirk von einer solchen nicht anmeldungspflichtigen Veranstaltung Kenntnis erlangen, falls es zu Beschwerden kommt.
Die Zusammenlegung von Anmelde- und Eignungsfeststellungsverfahren wird in der Praxis evtl. nicht so viel bringen, weil Inhaber der Location und Veranstalter oft/meist verschiedene Personen sind, wurde kritisiert. Wie sehen Sie das?
Dietmar Klose: Ich teile diese Meinung nicht. Bei dauerhaften Veranstaltungsstätten (z.B. Konzerthalle) kann der Inhaber der Location (wie bisher) eine generelle Eignungsfeststellung erwirken, die dann für alle Veranstaltungen gilt. Für eine Veranstaltung in einer bereits bewilligten Veranstaltungsstätte ist das vereinfachte Anmeldungsverfahren vorgesehen, in dem nur noch die persönlichen Voraussetzungen des Veranstalters geprüft werden.
Durch eine Systemumstellung ergeben sich deutlich verlängerte Erledigungszeiten bei Anmeldungen: Während man bisher eine Veranstaltung in einer bereits genehmigten Veranstaltungsstätte noch eine Woche im Vorhinein anmelden konnte, verlängert sich diese Frist im neuen Gesetz auf mindestens zwei Wochen nach Anmeldung, bei Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Besuchern auf einen Monat. Wird das für Veranstalter nachteilig sein?
Dietmar Klose: Veranstaltungen werden ohnehin rechtzeitig angemeldet. Wer eine Veranstaltung für 5.000 Personen plant, beginnt mit den Planungen meistens ein Jahr vorher.
Vereinfacht das neue Veranstaltungsgesetz kleinere Veranstaltungen im Freien?
Dietmar Klose: Für Veranstaltungen im Freien bis 299 Personen gibt es keine Anmeldepflicht, sofern die Lärmgrenzwerte eingehalten werden und es keine besonders „gefährlichen“ Veranstaltungsteile gibt.
Wie ist die Regelung zur Eignungsfeststellung in Bezug auf Off Locations zu verstehen?
Dietmar Klose: Jede Veranstaltung muss an einem geeigneten Ort stattfinden. Bei anmeldepflichtigen Veranstaltungen wird im Zuge des Anmeldungsverfahrens die Eignung der Veranstaltungsstätte festgestellt.
Das Veranstaltungsstättengesetz entfällt völlig und ersatzlos. Das bedeutet, dass hinsichtlich der Betriebssicherheit und -ausstattung der Locations auf den ‘Stand der Technik’ verweist. Diesen muss der Betreiber der Veranstaltungsstätte selbst in Eigenverantwortung eruieren. Manche meinen, das wirke zwar wie eine Deregulierung, wird aber aufgrund der Unbestimmtheit de facto der Behörde mehr Eingriffsmöglichkeiten eröffnen. Wie sehen Sie das?
Dietmar Klose: Im Bereich der gewerblichen Betriebsanlagen und in den anderen Anlagenverfahren wird seit Jahrzehnten bei der Bewilligung der jeweilige Stand der Technik angewendet. Das alte Veranstaltungsstättengesetz widersprach in vielen Punkten den derzeit geltenden technischen Normen, was in der Praxis zu zahlreichen Problemen, besonders für die Veranstalter, geführt hat. Der Stand der Technik ist im Veranstaltungsrecht auch nichts Neues, da § 21 Abs. 8 des alten Veranstaltungsgesetzes vorgesehen hatte, dass die Behörde nach dem Stand der Technik Auflagen erteilen konnte. Sollten Fragen von Veranstaltern auftauchen, kann man sich gerne an die MA 36 wenden, außerdem haben wir eine Veranstaltungsstättenrichtlinie erstellt. Diese und viele andere Informationen können auf https://www.wien.gv.at/wirtschaft/gewerbe/technik/veranstaltungswesen/index.html heruntergeladen werden.
Wie oft wird der „Stand der Technik“ von der MA 36 evaluiert?
Dietmar Klose: Der Stand der Technik ergibt sich aus zahlreichen technischen Normen, die in ganz Österreich bzw. auch in der EU gelten. Die Veranstaltungsstättenrichtlinie der MA 36 wird regelmäßig adaptiert werden.
Was bedeutet das für die Betreiber*innen / Besitzer*innen?
Dietmar Klose: Eignungsfeststellungen wirken dinglich, das bedeutet, dass die Veranstalter Rechtssicherheit haben. Solange nichts geändert wird, kann man sich auf den Stand der Bewilligung berufen.
Wo liegt in Zukunft der Unterschied zwischen Betriebsanlagengenehmigung und Eignungsfeststellung? Was passiert mit der Eignungsfeststellung, wenn schon eine Betriebsanalagengenehmigung vorliegt?
Dietmar Klose: Die Eignungsfeststellung kann zurückgelegt werden, wenn es eine Betriebsanlagengenehmigung gibt.
Wieso wurde die Geldstrafen erhöht?
Dietmar Klose: Das alte Veranstaltungsgesetz war aus 1971, es erfolgten Anpassungen. Außerdem wurden die Straftatbestände genau definiert, damit je nach Schwere der Tat die Höchststrafe unterschiedlich festgesetzt werden konnte.
Der Grundsatz “Beraten statt Strafen” wurde nicht im Gesetz implementiert. Egal oder aus Ihrer Sicht ein Versäumnis?
Dietmar Klose: Das Land Wien hat bereits mit dem Gesetz vom 27.12.2018 betreffend die Anwendbarkeit des § 33a VStG im Bereich der Wiener Rechtsvorschriften den Grundsatz „Beraten statt Strafen“ für 36 Wiener Landesgesetze, darunter das Veranstaltungsgesetz, ausgeschlossen. Dieser Grundsatz ist rechtspolitisch sehr umstritten, da es im Verwaltungsstrafrecht ohnehin das Institut des Absehens von der Strafe bei Geringfügigkeiten gibt.
Der Begriff “Veranstaltungsstätte” ist im Gesetz sehr weit formuliert, erfasst zB auch an die unmittelbare Location “angrenzende Flächen, die für den Zu- und Abgang der Besucher unmittelbar erforderlich sind”. Was wird diese Ausweitung für Konsequenzen haben? Wird es überhaupt noch Veranstaltungen geben, die nicht in einer Veranstaltungsstätte stattfinden?
Dietmar Klose: Es gibt keine physische Veranstaltung, die nicht in einer Veranstaltungsstätte stattfindet, da damit der Ort gemeint ist, der für die Durchführung der Veranstaltung verwendet wird. Es ist nicht richtig, dass die angrenzenden Flächen zur Veranstaltungsstätte dazu gehören. Der hier maßgebliche § 22 Abs. 2 lautet: „Eine Veranstaltungsstätte umfasst alle im Zuge der Veranstaltung verwendeten Gebäude, Räume, Einrichtungen und Freiflächen. Sie muss örtlich bestimmt, ortsfest und für die Behörde jederzeit zugänglich sein. Bei der Beurteilung der Eignung einer Veranstaltungsstätte sind auch angrenzende Flächen mitzuberücksichtigen, die für den Zu- und Abgang der Personen unmittelbar erforderlich sind.“ Die angrenzenden Flächen sind nur bei der Beurteilung mit zu berücksichtigen, da es z.B. bei einer Veranstaltungshalle wichtig ist, ob hinter dem Ausgang eine sichere Fläche oder etwa eine Baugrube vorhanden sind.
Vielen Dank für das Gespräch.
Markus Deisenberger
Vienna Club Commission Blog
Leitfaden: Neues Wiener Veranstaltungsgesetz
Link:
Stadt Wien / MA 36