„In den USA verstehen die Leute auf Anhieb die Texte und schätzen sie“ – SON OF THE VELVET RAT im mica-Interview

Son of the Velvet Rat 1Mehr als die Hälfte des Jahres verbringen die führenden Köpfe der österreichischen Band SON OF THE VELVET RAT – Georg Altziebler und Heike Binder – in der Wüste Kaliforniens, zwei Autostunden östlich von Los Angeles. Jürgen Plank führte mit GEORG ALTZIEBLER das folgende Interview – über die neue 3-Song-EP „Desert Stories“ und die Unterschiede zwischen der Musikszene in den USA und in Österreich.

Wie ist es vor drei Jahren zu diesem Schritt in die USA gekommen?

Georg Altziebler: Ich wollte weg aus Österreich, einfach etwas Neues kennenlernen und neue Eindrücke gewinnen. Österreich kenne ich und irgendwann wird es fad. Wir waren zuerst in Los Angeles, das ist aber zu teuer. In der Wüste ist es billig, daher sind wir in die Wüste gezogen und haben gemerkt, dass das vor uns schon viele Künstlerinnen und Künstler sowie Musikerinnen und Musiker gemacht haben. Es gibt dort eine sehr lebendige und auch inspirationsmäßig fruchtbare Musikszene, die uns sehr gut aufgenommen hat.

Wer ist dort tätig?

Georg Altziebler: Von den bekannten Namen: Queens Of The Stoneage haben ganz in der Nähe von uns aufgenommen und leben auch zum Teil dort. Mark Olson, Victoria Williams, Eric Burdon …
Es sind aber viele Bands, die man bei uns überhaupt nicht kennt, die aber genauso gut sind. Und die spielen in den Lokalen die ganze Wüste auf und ab.

Ihre neue 3-Song-EP „Desert Stories“ verweist im Titel auch auf die Wüste.

Georg Altziebler: Die Platte heißt „Desert Stories“, weil sie in der Wüste entstanden ist. Der Titel ist ein bisschen paradox, weil die Songs – jedenfalls das erste Stück „Angela“ – doch sehr europäisch sind. Mit Bezug nach Italien, nach Berlin und so weiter. Ich mag diese paradoxen Situationen ganz gerne und auch paradoxe Titel.

Wie ist die EP entstanden, haben auch US-Musikerinnen und -Musiker daran mitgewirkt?

Georg Altziebler: Ich habe mir meine Garage dort zu einem kleinen Studio umgebaut, habe selbst aufgenommen und fast alle Instrumente selbst gespielt, Heike hat Keyboard gespielt und gesungen. Wir haben die Platte in Eigenregie gemacht, es hat nur der Gitarrist unserer Liveband mitgespielt, Gar Robertson. Der hat bei einem Stück Pedal Steel Guitar gespielt.

Son of the Velvet Rat 2Kommen wir noch mal auf das Stück „Angela“ zurück, das eine imaginierte Geschichte über jemanden erzählt, der im Fernsehen zu sehen war. Haben Sie die Hauptfigur wirklich im Fernsehen gesehen oder ist die Geschichte erfunden?

Georg Altziebler: Das ist erfunden und ich finde es auch schöner so. Vielleicht habe ich mich in die Situation einfühlen können, nachdem ich sie mir vorgestellt habe. Die Geschichte schreibt sich dann von selbst weiter, man muss sie nur zulassen. Die letzte Strophe nimmt ja Bezug auf die Suche eines Songschreibers nach Plots, Storys und Titeln. Und diese Suche lässt man geschehen, im Song, aber auch in Wirklichkeit.

Welche Geschichten sind für Sie als Songwriter überhaupt erzählenswert?

Georg Altziebler: Ich schreibe fast nie Geschichten. Meine Lieder sind fast nie so, dass sie einen Plot erzählen oder irgendwie narrativ sind. „Angela“ ist da die Ausnahme. Für mich ist es wichtig, dass ein Song eine Stimmung transportiert und dabei offen ist für verschiedene Deutungen. Es darf nicht zu eindimensional werden.

Ich erinnere mich an eine CD von einer früheren Band von Ihnen, Bloom 05, die meiner Meinung nach auch Wüstenrock-Ansätze hatte. Inwiefern schließt sich da jetzt ein musikalischer Kreis?

Georg Altziebler: Das ist schwer zu sagen. Ich weiß nicht einmal, was Wüstenmusik ist, ich weiß auch nicht, was Stoner Rock ist. Jede Band definiert das anders, ich habe immer nur versucht, das zu machen, was mir gefällt und was ich ausdrücken wollte. Und ob das jetzt Ansätze von Wüstenrock sind, konnte ich eigentlich nie an irgendwelchen musikalischen Details festmachen. Das Spektrum dort ist, wie gesagt, wahnsinnig breit: Es gibt vom Singer-Songwriter mit Gitarre bis hin zur Stoner-Rock-Band alles – und dazwischen alle Schattierungen. Ich wüsste gar nicht, was Wüstenklang ist. Calexico ist das für mich nicht, das ist wieder etwas anderes.

Ich denke an Bands wie Giant Sand, The Blasters oder an Dave Alvin.

Georg Altziebler: Das sind gute Leute, aber die könnten genauso in Kentucky unterwegs sein.

„Die Szene drüben unterstützt sich, weil alle das Gefühl haben, im selben Boot zu sitzen. Alle verdienen wenig Geld.“

Wie fällt für Sie ein Vergleich zwischen der österreichischen Musikszene und der Szene in Kalifornien aus?

Georg Altziebler: In den USA verstehen die Leute auf Anhieb die Texte und schätzen sie. Und zwar sehr. Das ist schon ein Unterschied. Hier wie dort sind die ersten Leute, die zu deinen Konzerten kommen Musikerinnen und Musiker und deren Freundinnen und Freunde. Die sind die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die dann normale Leute zu den Shows bringen. Das ist in Österreich so und drüben genauso. Wenn man diese Hürde überspringt, dann kommt man weiter. Das ist mir drüben schneller gelungen, als es mir hier gelungen ist, weil die Leute die Texte schneller verstanden haben.

Welche Unterschiede gibt es noch?

Georg Altziebler: Atmosphärische Unterschiede: Wenn jemandem etwas gelingt, freut sich die Nachbarin beziehungsweise der Nachbar, die nächste Musikerin beziehungsweise der nächste Musiker mit. Ich habe den Eindruck, dass das bei uns ein wenig anders ist. Die Szene drüben unterstützt sich, weil alle das Gefühl haben, im selben Boot zu sitzen. Alle verdienen wenig Geld. Mit Musik verdient man drüben weniger als bei uns, weil eben kein öffentliches Geld in die Musik und in die Kultur fließt. Die Clubbesitzerinnen und -besitzer drehen jeden Dollar fünfmal um, bevor sie ihn auszahlen. Trotzdem: Es gibt sehr viele gute Musikerinnen und Musiker und der Enthusiasmus ist riesig. Und es wird definitiv weniger gejammert.

„CDs kannst du in den USA nur mehr verschenken und Vinyl ist hier wie dort ein Minderheitenprogramm.“

Demnächst werden Sie auch in Polen spielen.

Georg Altziebler: Sechs Konzerte in sechs Tagen und alles im Auto …

Man hat den Eindruck, dass Sie gerade neu durchstarten. Wie erleben Sie diese Phase?

Georg Altziebler: Nein, ich finde, dass im Moment alles sehr ruhig abläuft. Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss …

Aber in Polen haben Sie noch nie gespielt, das ist schon etwas Neues.

Georg Altziebler: Ja, das ist etwas Neues für uns. Ich freue mich, weil das ein Land ist, in das man nie kommt, und ich schaue mir das gerne an.

Ist die 3-Song-EP der Vorbote für ein neues Album oder wird in den USA anders gedacht? Werden eher einzelne Songs online veröffentlicht?

Georg Altziebler: Ja, es ist schon so, dass das Album-Denken sehr abgenommen hat. Vor allem weil keiner mehr Tonträger kauft. CDs kannst du in den USA nur mehr verschenken und Vinyl ist hier wie dort ein Minderheitenprogramm. Deshalb produzieren die Leute eher einzelne Songs. Ich hänge dem Album-Gedanken sehr an, ich finde, das ist ein schönes Konzept, und ich möchte auch die nächste Platte wieder als Album herausbringen. Ich werde es wahrscheinlich in den USA aufnehmen, weil die Bedingungen besser sind.

Danke für das Gespräch.

Jürgen Plank

Polen-Tour mit Joe „City“ Garcia“ (USA):
Dienstag, 16. Juni 2015 – Klub Dragon, Posen
Mittwoch, 17. Juni 2015 – Galeria Wzgorze, Bielsko-Biała
Donnerstag, 18. Juni 2015 – Teatro  Cubano, Krakau
Freitag, 19. Juni 2015 – Teatr Barakah, Krakau
Sonntag, 21. Juni 2015 – Makulatura, Warschau

Fotos: Jürgen Plank

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