IMA reloaded | INTIME RÄUME

Zur Eröffnung der IMA Soundgalerie unternimmt das IMA Institut für Medienarchäologie am 29. und 30. September 2012 kleine Zeitreisen in die nahe Vergangenheit und Zukunft von Klang- und Medienkunst. Ausgangspunkt der experimentellen Exkurse, die sich allesamt dem Thema „Intime Räume“ verschreiben, ist die neue Wirkungsstätte des Instituts im ehemaligen Kloster in Hainburg an der Donau.

Intime Räume sind ständig in Bewegung, sind ambivalent. Sie entstehen überall und sind nicht eindeutig wahrnehmbar. Sie sind geprägt von Utopien der Vertrautheit, Beständigkeit und der Erfüllung unserer Sehnsüchte. Gleichzeitig sind sie Orte von Verletzlichkeit und Brüchen. Im Rahmen von IMA reloaded | INTIME Räume teilen Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Herkunft und Disziplinen Zonen des Privaten mit dem Publikum – an vier Spielorten: in der IMA Soundgalerie, im Klosterhof, im Hotel „Altes Kloster“ sowie in der Kulturfabrik Hainburg.

IMA Soundgalerie

In der neuen IMA Soundgalerie sind ausgewählte Produktionen der ORF Ö1 Sendereihe „Kunstradio – Radiokunst“ (Ö1, Sonntag, 23:03 Uhr) rund um das Thema „Intime Räume“ zu hören. Allesamt in 5.1 Dolby Surround Qualität. Ausgangpunkt ist die 2009 entstandene Radiokunstarbeit „Intimate Space“ von Andrea Sodomka (A), die sich auf poetische Weise mit dem Themenkomplex Distanz, Kommunikation und Intimität auseinandersetzt. Weitere Audiokunstwerke in der Soundgalerie: Andres Bosshards (CH) „Zwischen Antares und Altair“ verarbeitet die Aufwärmübungen eines Sängers, Sounds aus privaten Umgebungen prägen Lucas Cejpeks (A)„Sirenen, intim“, Ines Lechleitner (A) hat den Iran mit einem im Schleier versteckten Mikrofon erkundet, während Margarita Jimeno (CO) die chinesische Spuckkultur hörbar macht und die entführte Protagonistin in Birgit Kempkers (DE) „Papa, short version“ Radiobotschaften an ihren Vater sendet. Intime Soundlandschaften mit Aufnahmen aus Tibet, Nepal und Nordinindien entfaltet Peter Pessls (A) „Re-Inventing Tibet“, die Kanadier Anna Friz und Manuel Madan entwerfen in „The Joy Channel“ eine fiktive Welt der emotionalen Manipulation durch Radio.

„You never know“ nennt sich ein taktiler, intimer Klangraum in der Soundgalerie, gestaltet von der Electronic Textile Künstlerin Hillevy Munthe (NO) und der Klangkünstlerin Elisabeth Schimana (A). Das Objekt will betreten und berührt werden – und es reagiert … unvorhersehbar.

Sämtliche Installationen in der IMA Soundgalerie sind über das Wochenende vom 29. und 30. September 2012 hinaus bis zum 17. Jänner 2013, dem 1.000.050sten „Art’s Birthday“, bei freiem Eintritt zu besuchen. Info

Klosterhof Hainburg

Anne Wellmer (DE/NL) nimmt in ihrer Installation „frozen voices“ Bezug auf die Geschichte des ehemaligen Minoritenklosters Hainburg, das im Zuge der Inquisition im 13. Jahrhundert gegründet wurde. Ausgehend von einem mittelalterlichen Hymnus an die Jungfrau der Schmerzen, dessen originale Notation aus Tierfiguren in der Kirche von Girona (E) besteht, gemahnt die elektronische Bearbeitung von weiblichem Choralgesang und Insektenlauten besonders an die im Verlauf der Geschichte zum Verstummen gebrachten weiblichen Stimmen.

Zur Eröffnung der IMA Soundgalerie komponierte Norbert Math (A) eine „Fanfare für 3 Sirenen und 3 Trichterlautsprecher“ mit dem Titel „Public Address To The Inner Ear“. Ihre Klangdichte wird im Inneren der Zuhörer virtuelle Klänge erzeugen und so Innen und Außen akustisch verschmelzen.

Hotel Altes Kloster

Fünf Künstlerinnen und fünf Künstler beziehen während des IMA reloaded | INTIME RÄUME Wochenendes je ein Zimmer im Hotel „Altes Kloster“ und verwandeln es in ein ganz persönliches Präsentations- oder Performance-Ambiente, in ihren intimen Raum. Zu bestimmten Zeiten darf das Publikum mit aufs Zimmer.

„Kleine Motoren“ nennt Tamara Wilhelm (A) ihre Installation, in der eine mit elektrischem Kleingerät präparierte Zimmerpflanze zum Meditieren, Assoziieren und Phantasieren einlädt. Besonders intim geht es in Nicole Pruckermayrs (A) Versuchsanordnung „HAUTEN – herbstliches Schinden“ zu. Sie fertigt Latexabdrücke von Körperstellen unterschiedlicher Menschen an. Eine bisweilen auch schmerzhafte Prozedur, auf deren Ergebnisse das Publikum bei den Zimmerbesuchen stößt, wie ein Gast auf Hautpartikel früherer Gäste.

Inspiriert von Leben und Werk der mexikanischen Barockdichterin und Nonne Sorn Juana Inez de la Cruz begibt sich die Komponistin und Performerin Pia Palme (A) mit Kontrabassflöte und einem transportablen Studio in Klausur. Wie Sor Juana im Kloster empfängt die in einen zeitgemäßen Habit gehüllte Künstlerin ZuhörerInnen in ihrer Zelle, aus der neu entstandene Kompositionen klingen: „oyeme con los ojos“ („höre mich mit den Augen“). Martin Breindl (A) ist bildender Künstler und verspricht seinen ZimmerbesucherInnen: „Ich male Ihr Problem“. 40 Minuten hat jeder Gast Zeit, im Vieraugengespräch zu erläutern, was ihm/ihr auf dem Herzen liegt. Breindl visualisiert das Gesagte, der/die BesucherIn darf das entstandene Bild behalten.

E-Gitarren sind Sexsymbol, Fetisch, Axt, etc. Auf der Bühne werden sie gespielt, verbrannt, zerstört, geschlagen. In Seppo Gründlers (A) Installation „While my guitar gently sleeps“ hingegen liegt eine E-Gitarre allein im Hotelbett und gibt BesucherInnen ihr Innerstes preis. Bei Berührung reagiert sie verschreckt, wähnt sie sich ungestört, produziert sie dezente, leise und fragile Klänge aus ihr selbst.

„Unter uns“ nennt Eva Ursprung (A) ihr Klang-Environment, das die Intimität von Hotelzimmern und deren Störungen durch Lärm aus Nachbarappartements, hereinplatzende Zimmermädchen oder tropfende Wasserhähne akustisch inszeniert.

„Regression“ betitelt Marta Moreno Muñoz (E) ihren intimen Raum. Er ist inspiriert vom so genannten Diogenes Syndrom, einer Funktionsstörung, die durch extreme Vernachlässigung der eigenen Erscheinung und des Wohnbereichs sowie durch sozialen Rückzug und zwanghaftes Müllsammeln charakterisiert ist. Die Performance im abgedunkelten, ritualisiert vermüllten Hotelzimmer bricht mit dem patriarchalen Konzept einer linearen Zeitstruktur und setzt, unter Verweis auf Theoreme der Philosophin Julia Kristeva, eine durch Wiederholungen gekennzeichnete Zeit entgegen.

„Silicon Spirits“ von Hans W. Koch (DE) benutzt ausgemusterte Motherboards und Platinen, um sich einem Lieblings-Topos aller Verschwörungstheoretiker anzunehmen, der Schnittstelle von Technologie und spiritistischen Phänomenen. In der Intimität einer Zwei-Personen Seance in einem abgedunkelten Hotelzimmer wird eine Platine mit elektronischen Griffeln abgetastet. Unwillkürliche Bewegungen rufen unerwartete Klänge hervor. Das geheimnisvolle Innenleben der Silikonscheiben verbindet sich mit dem noch geheimnisvolleren der Human Wetware.

„Was passiert, wenn ich mit mir selbst bin?“ fragt sich Patrick K.-H. (RU) in seinem interaktiven visuellen und auditiven Setting „Room Sketch: Chess, intimate set“. Mögliche Antworten lotet der Künstler in einem Schachspiel mit sich selbst aus. Auch One Man Nation, das Alter Ego des/der Künstlers/Künstlerin Tara Chia (SGP / E) verwischt die Trennlinie zwischen Kunst und Leben und versucht mit „TRANSform, TRANSmit, TRANScend // The Dissolution Of One Man Nation“ die Dekonstruktion eben dieser Künstlerpersönlichkeit. Ziel: Katharsis, Auflösung des Selbst, Kreation eines neuen Alter Egos.

Weitere Programmpunkte

Workshop: Bau dir deins!
Klangerzeuger herstellen für alle Altersgruppen
mit den KünstlerInnen von IMA reloaded | INTIME RÄUME

Samstag, 29. September 2012, ab 16:00 Uhr

Der Workshop ist DIE Gelegenheit, den Lötkolben selbst in die Hand zu nehmen und einen individuellen sonnenbetriebenen Klangerzeuger zu bauen. Es sind keine Vorkenntnisse nötig, gearbeitet wird mittels Reißnageltechnik, die auch Lötneulingen rasche Erfolge verspricht. Besonders Kindern macht es Spaß, einen fiependen Freund zu basteln! Teilnahme kostenlos! Info

8-Bit Disco
Lineup: Bit Face (GB), Commodore 64 & Theremin à la Martinland (A)
Special guests: Günther Gessert (A) und Niklas Rizzolli (A)

Samstag, 29. September 2012, ab 22:00 Uhr, Kulturfabrik Hainburg

Beginnt das Saturday Night Fever zu brennen, heißt es: Raus aus den intimen Räumen, hinein ins kollektive Tanzvergnügen! Als Werkzeuge der Beat & Sound Erzeugung fungieren Gerätschaften aus der Frühzeit der Elektronik: der unverwüstliche Gameboy, der Klassiker Commodore 64 sowie diverse Effektgeräte aus dem Bastelzimmer, oder ein Eigenbau-Theremin. An den Decks werken die Glasgowerin Bit Face aka Sharon Graham, Disketten-Jockey Martinland aka Martin Schemitsch, unterstützt von den special guests Günther Gessert (sensorisch gesteuerte 8-Bit Fragmentierungen und Schichtungen) sowie Niklas Rizzolli. Info

„Hirn, Haut und Schaltkreise“ / Theorie Brunch

Sonntag, 30. September 2012, ab 11:00 Uhr

Impulsvorträge der Musikwissenschafterin Elena Ungeheuer (DE), der Medientheoretikerin Verena Kuni (DE), des Genderforschers Paul Scheinlhofer (A), der Künstlerin Nicole Pruckermayr (A) sowie von Tara Chia (aka One Man Nation, SGP/E) stimulieren eine Diskussion zwischen interessiertem Publikum und den KünstlerInnen von IMA reloaded | Intime Räume.

Foto 1 & 2: Lena Tikhonova
Foto 3: Palme & Palme