Das IMA Institut für Medienarchäologie feiert sein fünfjähriges Bestehen. Gegründet im Mai 2005 von Elisabeth Schimana und Andrea Sodomka blickt es auf fünf erfolgreiche und bewegende Jahre zurück. Ausgehend vom Begriff der Medienarchäologie wie ihn Siegfried Zielinski 2002 prägte, entwickelte das Institut einen eigenen künstlerischen Ansatz. An der Bruchstelle von analog und digital mit einem Fokus auf die akustischen Medien bewegt es durch unterschiedliche Zeitschichten und ist bestrebt vorhandene Potentiale zu reaktivieren. Am deutlichsten wurde dieser Ansatz wohl in der Ausstellung „Zauberhafte Klangmaschinen“. Am 3. und 4. Juli gab es ein Fest mit reichhaltigem „Menu“.
Aus der IMA-Selbstdarstellung: „Gegraben wird auch nach Produktionen von Frauen im Bereich der elektronischen Kunst. Technik und Kunst von Frauen hat für IMA einen klaren positiven Zusammenhang. Die wichtigsten Projekte bisher sind „Maschinendivas“, ein seit 2007 andauerndes künstlerisches Forschungsprojekt von Andrea Sodomka und Eva Ursprung, und die DVD Serie IMA fiction, in welcher auch die Komponistin Eliane Radigue portraitiert wurde.“ Die war am Sonntag auch „special guest“.
Am Abend zuvor jedoch gab es in der Kulturfabrik Hainburg ein „Abend mal“ – eine Tafel für 100 Personen in mehreren Gängen mit Beiträgen vom Restaurant „Goldener Anker“. Es begann mit einem „Blattsalat“ aus erlesenen Wortblättern, zubereitet in Echtzeit von diversen Künstlerinnen und Künstlern, die mit dem IMA in irgendeiner Weise in Verbindung standen und stehen. Und wie es sich gehört, wurde der Ablauf von der Protokollchefin Elisabeth Schimana auch erst im letzten Moment festgelegt. Die vollführte auch die Begrüßung zu Beginn und gedachte dem stellvertretenden Leiter der Abteilung für Kultur und Wissenschaft bei der Niederösterreichischen Landesregierung, der am 30. 11. 2009 verstarb. Er war IMA-Gründungsvater, kritischer Mentor und ein Wegbereiter für viele Projekte.
Weitere Abteilungen waren Starskys hausgemachte Buchstabennudeln, Geschnetzeltes mit Knödel und Nudeln als Hauptgang („Bewegtes aus fünf Jahren“), ein Flötensorbet in Klarinettenmantel an Thereminmark.
Zu hören uns sehen waren neben Starsky Tamara Wilhelm und Ushi Reiter, die Doyenne des „Kunstradio-Radiokunst“ Heidi Grundmann, Andrei Smirnov, ein erlesenes Trio Schimana (an einer Archiv-Schlagzeug-Soundmachine, dem Rhytmikon) – Manon Liu Winter (an einer Zither) – der formidable Zsolt Sores; sodann Peter Donhauser, Daniel Gethmann, Christine Clara Oppel, Seppo Gründler, Sandra Naumann und Susanna Niedermayr (die den IMA-Beitrag im zeitton von vor 5 Jahren mit Elisabeth Schimana präsentierte).
Weiters traten an: Oliver Stummer, Dominik Traun, Martin Breindl, als Duo Katharina Klement und Klaus Filip, Kathy Rae Huffman, ein tolles alien-production-Trio (Andrea Sodomka, Norbert Math, Eva Ursprung), Liesl Ujvary und am Ende eine All-Star- Truppe (mit viel Flöte): Anne La Berge, Cordula Boesze, Günther Gessert, Martin Schemitsch, Pia Palme und Susanna Gartmayer.
Nach diesem reichen Menu-Abend gehörte tags darauf von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr die Kulturfabrik Eliane Radigue, die auch im Konzerthaus Wien bereits präsentiert worden war. Die Tafel war fortgeschafft worden, stattdessen waren für den Genuss der Performance „Adnos I, III“ Liegekissen im Raum verteilt worden. Radigues Lebenslauf ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert. Ende der 50er Jahre studierte sie in Paris unter den Pionieren der Music concréte, Pierre Schaeffer und Pierre Henry, und arbeitete als Assistentin an der Premiere von L´Apocalypse de Jean (Die Apokalypse des Johannes). In den 60er Jahren begann sie mittels einfacher Elektronik (Feedback und asynchronen Tonband Loops) zu komponieren, stieß jedoch mit ihrer Forschungsarbeit in Frankreich auf wenig Anerkennung.
In den frühen 70er Jahren fand sie in New York Anerkennung und Gleichgesinnte und erforschte den beginnenden Minimalismus mit James Tenney, Charlemagne Palestine, Phillip Glass, John Gibson und Steve Reich. In dieser Zeit wandte sie sich ausschließlich der elektronischen Musik zu. Seither komponiert sie auf den besten Synthesizern ihrer Zeit: Buchla, Moog, Serge und ARP Synthesizer zählen zu ihren bevorzugten Instrumenten. Aus der Zusammenarbeit mit Robert Ashley entstand Les Chants de Milarepa. Radigue komponierte etwa zwei Dutzend Werke, die sie an renommierten Konzerthäusern und Festivals in den USA und Europa präsentiert.
2004 entstanden auf Anregung von Kasper Toeplitz und aus der engen Zusammenarbeit mit den InterpretInnen während des Kompositionsprozesses akustische Kompositionen für ein oder mehrere InstrumentalistInnen. Diese Kompositionen, die sich durch eine starke Fokussierung auf das rein akustische Klangmaterial und einen äußerst empfindsamen Umgang mit dem jeweiligen Timbre auszeichnen, stellen keinen ästhetischen Bruch, sondern, im Gegenteil, eine Erweiterung zu ihrer bisherigen elektronischen Arbeit dar. Von 2004-2009 entstand “Naldjorlak”, ein dreiteiliger Werkzyklus für Charles Curtis am Cello, und Carol Robinson und Bruno Martinez am Bassetthorn. Derzeit schreibt Eliane Radigue ausschließlich für akustische Instrumente (Emmanuel Holterbach).
Last, but not least sei auf ein neues Buch hingewiesen, das im August 2010 im transcript-Verlag erscheinen wird: Daniel Gethmann (Hg.): „Klangmaschinen zwischen Experiment und Medientechnik“. – Neue Formen der Klangerzeugung sind seit dem 18. Jahrhundert als Nebeneffekte von Laborexperimenten häufig beiläufig entdeckt und zu musikalischen Instrumenten weiterentwickelt worden. Experimentelle Wissenschaften waren somit ein Entstehungsherd akustischer Medientechniken, Apparaturen sowie Musikinstrumente und führten zu Innovationen, die für die elektroakustische Ästhetik des 20. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung sind. Dieser Band stellt einige der inspirierenden technischen und künstlerischen Experimente vor. Die Perspektive richtet sich auf Experimentalanordnungen, akustische Medientechniken, Apparaturen und Musikinstrumente in ihrer engen Wechselwirkung mit neuen künstlerischen Ausdrucksformen der Sound-Art, in deren konzeptionellen und apparativen Kontexten zentrale Begriffe des musikalischen und medialen Wissens zur Disposition stehen oder neu gefasst werden.
Beiträge von: Daniel Gethmann (Dr. phil., lehrt Medien- und Kulturwissenschaft an der Technischen Universität Graz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Auditive Kultur, Optische Medien sowie Geschichte und Theorie der Kulturtechniken), Pter Donhauser, Andrei Smirnov, Tamara Wilhelm, Ute Holl/Elisabeth Schimana, Seppo Gründler, Elena Ungeheuer et. al.
Heinz Rögl