Im music austria Notenshop: DIETER KAUFMANN

DIETER KAUFMANN hatte als einer der einflussreichsten österreichischen Komponisten des 20. Jahrhunderts nicht nur die wichtigsten musikpolitischen Posten inne, sondern ist auch im Kanon der Musikgeschichte bereits fest verankert.

Er hat immer versucht, sich dem Mainstream, den es auch in der Neuen Musik gibt, zu widersetzen. Die Berührung Kaufmanns mit den unterschiedlichsten Strömungen innerhalb der Orientierung suchenden Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg haben in der Vielseitigkeit der Kompositionen ihre Spuren hinterlassen. Drei seiner kleineren, kammermusikalisch besetzten Werke, die man über den music austria Notenshop erwerben kann, geben Einblick in die verschiedenen kompositorischen Betätigungsfelder.

Elektronik und Musiktheater: „Flötenzauber“

Schon in den 70er Jahren beschäftigte sich Dieter Kaufmann mit den Möglichkeiten der elektroakustischen Musik und war damit in Österreich ein Pionier. Zunächst setzte er Elektronik vor allem in Form von Zuspielungen ein – etwa in „Flötenzauber“, bei dem in Ergänzung zum solistischen Blasinstrument ein Tonband zur Besetzung gehört. Der Flötist Hans Maria Kneihs, dem dieses Werk gewidmet ist, spielte in Kaufmanns Kärntner Studio eigene Improvisationen ein. Von diesem Klangmaterial ausgehend analysierte Kaufmann die persönlichen Spielweisen und Vorlieben Kneihs und ließ sie in „Flötenzauber“ mit einfließen. Der Titel ist auf vielfältige Weise programmatisch und wird nicht nur mit einem Zitat aus Mozarts „Zauberflöte“ verarbeitet. Vor allem der Interpret selbst soll sich als Magier darstellen, wenn er in einer Performance auf der Bühne seine verschiedenen Blockflöten zunächst zusammenbaut und schon durch seine erhabene Kleidung und Haltung etwas Geheimnisvolles ausstrahlt. Den Klang der 15-minütigen Komposition vergleicht Kaufmann mit dem „Zusammenbrauen einer wichtigen Sache“, die sich in clusterartigen Klangwolken ausdrückt. Die sprachlich basierte Notation enthält neben freien musikalischen auch sprachliche Improvisationen des Musikers. Hinzu kommen von Kneihs ausgewählte und von Gunda König eingesprochene Texte und bilden nicht nur in der Partitur, sondern auch in der Komposition ein Zusammenspiel von Sprache und Musik. Ähnlich wie Robert Schumann hätte Kaufmann beinahe eine schriftstellerische Karriere eingeschlagen, daher sind viele seiner Kompositionen Ausdruck eines Schwankens zwischen Worten und Klängen.

Natürliche vs. Artifizielle Klänge: „Camilla“

Es entstand eine ganze Reihe von Werken, bei denen Kaufmann nicht nur ein Instrument, sondern auch einen bestimmten Interpreten musikalisch portraitierte. Neben Hans Maria Kneihs und seiner Frau Gunda König komponierte er für die Pianistin Elisabeth Chojnacka und die Flötistin Camilla Söderberg. „Camilla“ aus dem Jahr 1999, benannt nach der Widmungsträgerin, weist einige Ähnlichkeiten mit „Flötenzauber“ auf. Die verschiedensten, von Söderberg gespielten Blockflöten kommen hier ebenso zum Einsatz wie ein Tonband, mit dem die Interpretin in einen Dialog mit sich selbst tritt. Bei den verarbeiteten Aufnahmen von Söderberg in der ländlichen Umgebung Kärntens haben sich Vogelstimmen und Hundegebell ebenso wie urbane Nebengeräusche von Autos und Flugzeugen mit auf die Aufnahme geschummelt. Ein literarischer Beitrag des Komponisten, der eine Elegie auf die Ausbeutung von Klängen darstellt, gibt dem poetischen Duett zwischen tonalen Flöten- und Vogeltönen nebst den Maschinengeräuschen einen zivilisationskritischen Unterton.

Neue Einfachheit? „Berceuse“

Dieter Kaufmann lernte zunächst in dem von der Dodekaphonie geprägten österreichischen Musikhochschulbetrieb bei Karl Schiske die Vermeidung von tonalen Zentren. Diesem Konsens in der damaligen zeitgenössischen Musik wiedersetzte sich Kaufmann schon frühzeitig. Da er tonale Elemente immer wieder als Zitate in seine Arbeit eingliederte, wurde er mehrfach zu den noch jungen Strömungen der Neuen Einfachheit oder der Postmoderne gezählt. Dieter Kaufmann distanzierte sich von solchen Kategorisierungen und hielt an seinen eigenen Prinzipien, der aus der Pariser Zeit geprägten objektbezogenen Ästhetik und der engagierten Musik, fest. Das vom Brahms-Festival beauftrage Violoncellostück „Berceuse“ wäre im Umgang mit der Tonalität und Tradition aber ein Argument für die Einordnung zur Postmoderne. Die tonalen Elemente treten hier in Form der Obertonreihe auf, die Kaufmann in vielen Werken verwendete. Zudem zitiert er das berühmte Wiegenlied von Brahms, das das einzige Kunstlied ist, das sich auch als Volkslied durchgesetzt hat. Die charakteristische Anfangsprime und Terz reichen schon aus, um die Anleihen daran hörbar zu machen. Ein weiteres Zitat stellt eine Figur aus Brahmsʼ Deutschem Requiem dar. Aus diesem tonalen Material, mit D-Dur im Mittelpunkt, kreiert Kaufmann Musik über Musik. Diese Art des Komponierens benutzt Kaufmann als Kommunikationsmittel mit dem Publikum. Daraus wird die jahrzehntelange Bemühung des Komponisten deutlich, durch inner- und außermusikalische Bezüge Neue Musik auch jenen näher zu bringen, die Hörerfahrungen aus anderen Bereichen mitbringen. Mit einer (Neuen) Musik, die sich anderen Genres und dem gesellschaftlichen Leben nicht verschließt, ist Kaufmann ein Vorbild der nachkommenden Generation und durchaus Vorreiter der postmodernen Musikästhetik.

Margarete Buch

 

Link:
mica Notenverkauf