Im music austria Notenshop: CHRISTIAN OFENBAUER

Im music austria Notenshop befinden sich neben Kompositionen von Newcomern auf dem Neue-Musik-Markt auch Noten von etablierten VertreterInnen der zeitgenössischen Musikszene Österreichs. Christian Ofenbauer ist so ein erfahrener Komponist, in dessen Karriere sich bereits verschiedene Phasen abzeichnen. Von der Tradition der Zweiten Wiener Schule kommend und von seinem Lehrer Friedrich Cerha beeinflusst, beschäftigte sich Ofenbauer in den 80er Jahren vor allem mit expressionistischer Freiheit im Zusammenspiel mit musikalischer Formgestaltung des 20. Jahrhunderts. Die Auseinandersetzung mit den Amerikanern Morton Feldman und John Cage Anfang der 90er Jahre beeindruckte den Komponisten so maßgeblich, dass fortan Fragen der Intention und Performanz seine kompositorische Arbeit bestimmen sollten. In den Frühwerken des Komponisten, die sich im music austria Notenshop befinden, lässt sich diese Entwicklung an einigen Beispielen nachvollziehen.

Christian Ofenbauer betrieb neben dem Kompositions- auch ein Orgelstudium und hatte von 1982 bis 1987 die renommierte Stelle des Titularorganisten an der Wiener Votivkirche inne. Daher verwundert es nicht, dass zu dieser Zeit die 5 Stücke für große Orgel (1983/84) als kleine Charakterstücke mit sehr individueller und moderner Tonsprache entstanden. Widmungsträger der jeweiligen Sätze sind Organisten und Protagonisten der Alte-Musik-Bewegung, die ebenso ein starkes Interesse an der neuesten Musik hatten. Die Verbindung von historischer und aktueller Praxis wird in den Stücken von Ofenbauer auf vielfältige Art reflektiert. Das erste – „Nocturne“ für Ingomar Rainer – wirkt verklärend und geheimnisvoll. Vor allem der virtuose letzte Satz des Werkes, ebenfalls eine Nocturne, erinnert an die Tradition dieser Form, die Chopin mit seinen raffinierten Klavierstücken berühmt gemacht hat. Das „Adagietto“ für Josef Mertin, einem Pionier der Alten Musik, mimt mit den verwendeten Registern ein Kammerensemble nach und stellt möglicherweise eine Reminiszenz an Mahlers gleichnamigen Satz aus der 5. Symphonie dar.

„Zwei Stücke“ für Violoncello und Klavier von 1985 stehen beispielhaft für die hoch expressive Phase Ofenbauers. Beide Instrumente bieten ein Arsenal an verschiedenen musikalischen Gesten und spielen mitunter getrennt voneinander in frei wählbaren Tempi. Obwohl der Drang nach Unabhängigkeit und freiem Ausdruck größer ist als musikalische Stringenz oder abstrakte Schemata, sind in dem atonalen Gewand zusammenhängende Elemente erkennbar.

Die Nähe zu John Cage zeichnet sich seit den 90er Jahren schon an der Besetzung ab. Das präparierte Klavier, das der Amerikaner erfand, kommt in Ofenbauers Œuvre zum ersten Mal in „BruchStück IV“ vor. Zu dieser Zeit schrieb der theateraffine Ofenbauer auch seine erste Oper „Medea“, die stellvertretend für eine Reihe von Kompositionen steht, in denen sich der Komponist mit der antiken Mythologie beschäftigt. „Bruchstück IV“, das den Untertitel „Medeakommentar“ trägt, liegt in zwei Versionen vor. Während die erste Variante aus dem klassischen Vortrag einer ausgearbeiteten Partitur besteht, verwendet die performative Version Elemente des Zufalls, wie John Cage sie in seinen Werken anwandte. So hatte Ofenbauer die Idee, die drei GeigerInnen von verschiedenen Positionen aus einen 30-minütigen Weg durch den Aufführungsort zu dem Pianisten oder der Pianistin beim Spielen einer frei zusammenstellbaren Materialvorlage zurücklegen zu lassen. Auch Zwei Stücke für 8 Flöten verwendet eine unkonventionelle Aufstellung der MusikerInnen um die Bühne herum und verzichtet auf einen Dirigent. Deutlich reduziert ist das Klangmaterial in der „Mechanischen Bagatelle“ für Violine und Klavier von 1993, wobei die Instrumente ineinandergreifen und sich musikalische Sequenzen variierend im Fluss bewegen.

Betrachtet man die Hintergründe der verschiedenen ästhetischen Stränge, die Ofenbauer verfolgte, könnten die Unterschiede kaum größer sein. Ist der Expressionismus historisch stark mit dem Individualismus und damit unweigerlich mit den Intentionen des Komponierenden verknüpft, stellt die Aleatorik ein gegenteiliges Konzept vor. Dabei geht es nicht um den romantischen Topos des Gefühls, sondern um den Klang, der sich, befreit von Intention, im situativen Raum des Konzerthauses entfalten kann. Die Funktionslosigkeit der Musik im positiven Sinne zu betonen, propagierte vor allem Ofenbauers Idol Morton Feldman. Seine Vorbilder bekannten sich zur Nähe zum Zen-Buddhismus, und auch er übt sich beim Bogenschießen in höchster Konzentration.

Margarete Buch

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