Berühmte Komponisten in der Geschichte waren selten sehr reich. Daran hat sich anscheinend auch im 21. Jahrhundert nichts geändert. Warum sonst sollte man einem zeitgenössischen Werk den Titel ärmliches Abendbrot geben? Mit dem Spannungsfeld zwischen Kunst und Armut beschäftigt sich Alexander Stankovski in „Cena Povera“. Die Komposition für Gitarre und Schlagwerk ist im music austria Notenshop erhältlich.
Schon die Besetzung des Werkes wurde kontrapunktisch zum Reichtum gesetzt. Die Gitarre ist im Vergleich zu vielen anderen klassischen Instrumenten sehr billig zu erstehen und hat damit Einzug in die Volksmusiktradition vieler Länder gefunden. Bei Stankovski werden die Saiten des Instruments mit verschiedenen Haushaltsgegenständen wie Büronadeln, Stricknadeln und Nagelpfeilen präpariert. Die Gitarre übernimmt in „Cena povera“ unter Einsatz des Hohlraumes rhythmische Funktionen, die durch Bongos, Metallröhren und Logdrum ergänzt werden. Die Neue Musik hat neben vielen Stücken und Spieltechniken für Blas- und Streichinstrumente Experimente mit Zupfinstrumenten weitestgehend außer Acht gelassen. Die Gitarre ist eher für die Handlichkeit als Begleitinstrument an Lagerfeuerabenden bekannt. Mit einfachen Mittel schafft es Stankovski aber, die Gitarre in einen neuen Kontext zu stellen und die Partitur nicht mit komplexen Strukturen zu überwuchern, sondern den eingesetzten Klängen ihren Raum zu geben.
Für den 45-jährigen Komponist ist Armut kein distanziertes Dritte-Welt-Thema. Er beobachtet die zunehmende Vereinnahmung der ökonomischen Prinzipien in der Neuen Musik, die den Künstlern Sparsamkeit diktiert. Aus Notdürftigkeit können so geschmackvolle Gerichte wie Borschtsch oder Soljanka entstehen, die Stankovski anscheinend zu schätzen weiß. Als Komponist macht er aus der Not aber kein Essen, sondern Kunst, die durch die eingeschränkten Mittel nicht schlechter werden muss. Im Gegenteil: Gerade diese Eingrenzung kann die Kreativität auch befördern.
Ob das musikalische Pendant so gut ankommt wie das Arme-Leute-Essen aus Osteuropa, mussten die Zuhörer 2012 bei der Uraufführung in einem privaten Wohnzimmer im Rahmen des Klangspuren Festivals selbst entscheiden. „Rent a musician“ hieß die Konzertidee, bei der man für einen Abend ein Ensemble im eigenen Zuhause in der Nähe von Schwaz buchen und zusammen mit eingeladenen Freunden genießen konnte. Hoffentlich hat „Cena povera“ dabei an diesem Abend allen gut gemundet.
Margarete Buch