„ICH WÜRDE SAGEN, DASS FÜR UNS DIE CREDIBILITY DEFINITIV HÖHER STEHT, ALS DER GROßE FAME.“ – CHRISTIAN JURASOVICH (DRIVE MOYA) im mica-Interview

Ein bisschen Shoegaze, ein bisschen Postrock – Hauptsache es kommt zu einem großartigen Ende! Das meinen zumindest die drei Köpfe hinter DRIVE MOYA, die mit ihrem lang erwarteten zweiten Album „The Great End“ auf Noise Appeal Records dystopische Zukunftsszenarien zelebrieren. Nicht falsch verstehen: CHRISTIAN JURASOVICH, SIMON LEE und PHILIP PFLEGER sind Optimisten und ihre Herzen sicher verankert in den 90ern. Zumindest musikalisch. Thematisch streifen sie als Realitäts-Seismografen durch die Gegenwart und kochen alles, was um sie herum passiert, in ihre Musik ein. Ganz getreu ihrem Namen navigieren uns DRIVE MOYA damit auf ihrer düsteren Traum-Ralley durch neun Tracks, die in einem Soundscape verschmelzen. Wie sie es wirklich um die Zukunft halten und warum Credibility für sie immer höher stehen wird als ihr Fame, erzählt CHRISTIAN JURASOVICH im Gespräch mit Ania Gleich.

Euer Album “The Great End” ist vor zehn Tagen herausgekommen: Wie fühlt sich das an? 

Christian Jurasovich: Wir genießen, was gerade an Rückmeldungen zum Album kommt und am 1. März gibt es die Album-Präsentation. Deswegen sind wir gerade im Modus des Abwartens und Vorbereitens.

Was ist denn da schon an Feedback zurückgekommen?

Christian Jurasovich: Es ist so, dass die Rezensionen durch die Bank bis jetzt sehr gut sind. Fast ein bisschen ungewöhnlich! Man geht natürlich immer mit einer gewissen Erwartungshaltung hinaus, wenn ein Produkt oder ein Album fertig ist. Und doch ist es immer wieder überraschend, wie andere Menschen unsere Musik wahrnehmen. Das ist so das erste Dankeschön, das man zurückbekommt. Und es erzeugt ein erstes Hoch! 

Bei eurer Musik kommen ganz unterschiedliche Einflüsse durch. Einerseits ist sie dreamy, andererseits doomy. Was war für euch der Grundtenor bei „The Great End“?

Christian Jurasovich: Wir sind grundsätzlich sehr in den 90er Jahren verhaftet. Gerade ‘92, ‘93 war die Zeit, in der wir – hauptsächlich Simon und ich – musikalisch sozialisiert worden sind. Mit all den Bands, die es damals gegeben hat! Das heißt: Die Musik von damals ist etwas, das, auch wenn wir gemeinsam spielen, immer wieder mitschwingt. Andererseits wollen wir dem ganzen schon auch einen modernen Twist geben. Rückblickend würde ich sagen, dass die Thematik von dem Album schon eher eine dunklere ist. Es geht um Verlust, um Zukunftsängste, um Tod. Also schon Dinge, denen eine Melancholie und Dunkelheit innewohnt. Die Musik ist andererseits vielleicht nicht immer so. Es gibt schon noch diesen Twist, wo man sagen kann: Die Musik verinnerlicht diesen Schritt nach vorne, das Optimistische! 

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Ich habe das erste Album musikalisch als um einiges düsterer empfunden, als das zweite. Wie schätzt du das im Rückblick ein?

Christian Jurasovich: Da würde ich dir definitiv recht geben! Ich glaube, das Songwriting fürs zweite Album hat sich dahingehend verändert und verbessert – Fragezeichen? –  als dass die Songstrukturen ein bisschen gekürzt, catchier sind und mehr Hooklines haben. Im Gegenzug haben wir uns bei “The Light We Lost” viel Zeit zum Entstehen der Songs gegeben. Jetzt ging es uns darum, diesen ganzen Prozess zu komprimieren und mehr in ein Song-Format zu bringen!

IN DEN LETZTEN JAHREN IST VIEL SCHEIßE PASSIERT (…) NATÜRLICH FÄRBT DAS AUF DIE ART UND WEISE AB, WIE WIR MUSIK MACHEN”

Die 90er kommen ja popkulturell wieder. Gleichzeitig ist das schon auch verbunden mit einer Melancholie, aufgrund von … Weltschmerz übers Jetzt? 

Christian Jurasovich: Ich glaube, dass …. Hm. Glauben. Was heißt schon Glauben? Ich denke, dass, wenn man ein bisschen selbst reflektiert durch die Welt geht, alles Einfluss auf Geist und Körper hat. Nennen wir es mal ein bisschen hochtrabend: Als Künstler:in ist die jeweilige Kunst eine Möglichkeit, diese Dinge zu verarbeiten und zu bearbeiten, die auf einen Einfluss nehmen und über die man sich Gedanken macht. In den letzten Jahren ist viel Scheiße passiert und man hat auch den Eindruck, dass jeden Tag irgendeine neue Ungeheuerlichkeit auf die Welt zukommt. Natürlich färbt das auf die Art und Weise ab, wie wir Musik machen, oder wie dann auch die Texte zustande kommen. Unser Bassist Simon fragt sich da immer auch ganz gerne, wo er vor allem auch Jungpapa ist: Was wird seine Tochter einmal erwarten können? Das sind schon Dinge, die uns drei prägen und die wir im Proberaum einkochen können. Sowohl Äußeres als auch Inneres werden in unserer Musik vermengt und vermischt.

Das Album heißt „The Great End“. Das bedeutet groß, aber auch großartig.

Christian Jurasovich: Das war auch ein bewusstes Spiel! Ich glaube, der Bezug von unserer Seite ist vermutlich wirklich mehr auf ein großartiges Ende. Also zum Schluss doch die positive Wendung, dass alles gut werden wird.

Wieso hat es fünf Jahre vom letzten zum jetzigen Album gedauert?

Christian Jurasovich: 2019 im Dezember ist „The Light We Lost“ herausgekommen. Dann kam 2020 und die nächsten zwei Jahre waren einfach nur … ein Loch! In der Zeit haben wir hauptsächlich die Songs für das nächste Album geschrieben, was sicher einen Einfluss auf unsere Stimmung hatte. Und um nicht ganz zu verschwinden, haben wir immer wieder Singles herausgebracht, die einerseits mit „The Sea“ und „In the Depths“ den Zyklus des ersten Albums komplett abgeschlossen haben. Tatsächlich war “The Great End” dann Dezember 2022 schon fertig, aber unser lieber Alexandr Vatagin – der großartige Arbeit geleistet und das Ganze als Produzent begleitet hat – hat die wahnsinnige Idee bekommen, mit dem Album nach New York zu fliegen, um es dort von Greg Calbi mastern zu lassen. So hat sich alles nochmal ein bisschen verschoben. In der Zwischenzeit haben wir uns gedacht, wir könnten noch eine Single hinausschießen. Aber da war schon auch klar, dass die Vorbereitung für einen Release bei Noise Appeal Records 2023 ein bisschen zu knapp wird. So haben wir dann alle gemeinsam beschlossen, dass wir es für Februar 2024 ansetzen.

Bild Drive Moya
Drive Moya (c) Thomas Schnötzlinger

Ihr seid teilweise auch in anderen Projekten aktiv oder habt Day Jobs?

Christian Jurasovich: Ja, also es gibt schon eine zweite Band, wo Philip und Simon auch spielen. Aber größtenteils ist es tatsächlich wirklich eher der Brotberuf und die Familie, die unsere Mühlen verlangsamen: Drei Personen koordinieren und einen nächsten Schritt in einer Albumproduktion zusammenbekommen, kann da manchmal Wochen dauern. Deswegen sind wir relativ behäbig. Der zweite Grund ist, dass dann oft gleich mehrere Termine notwendig sind, um diese oder jene Nuance aufzunehmen. Wir sind ja nicht so modern, alles erstmal Zuhause aufzunehmen, sondern machen das gleich im Studio mit Alexandr. Und wir haben dann von diesen Basics ausgehend – das dauert nur ein paar Tage – Wochenendweise Sessions gehabt, wo wir dann Overdubs und Nuancen verfeinern. Das ist bei uns einfach ein unglaublich langer Prozess.

Wie schreibt ihr denn Songs, wenn ihr euch nur so selten seht?

Christian Jurasovich: Grundsätzlich übernehmen das Songwriting Simon und ich. Und dann ist es wirklich ganz klassisch: Wir treffen uns im Proberaum und entwickeln von dort aus die jeweiligen Ideen, die entweder Simon oder ich bringen. Und meistens ist es Philip am Schlagzeug, der das ganze dann zusammenleimt, wenn man das so handwerklich ausdrücken mag. Das ist tatsächlich ein ganz traditioneller Prozess bei uns. Und textlich arbeitet auch jeder für sich selbst. In meinem Fall habe ich aber auch wirklich das Glück, dass Simon Native-Speaker ist und er so meine Texte lesen und rezensieren kann. So kriege ich immer total direktes Feedback und kann das dann auch direkt umsetzen.

ES WÜRDE UNS NICHT IN DEN SINN KOMMEN, MIT DIESER ART VON MUSIK THE NEXT BIG THING ZU WERDEN.” 

Apropos Text: Mir ist aufgefallen, dass in den Titeln dreimal das Wort „Heart“ vorkommt! Bedeutung?

Christian Jurasovich: Das ist schwierig. Es ist ein großes Wort und auch ein zentraler Punkt in dieser Dystopie. Gerade dort sollte man das Herz nicht vergessen. Man kann nicht immer alles im Kopf durchdenken, sondern muss das Herz zulassen. Das nimmt bei Entscheidungen einen genauso großen Teil ein. Das ist die einfachste und doch wichtigste Erklärung.

Wie lebt ihr diese Gefühle auch als Liveband?

Christian Jurasovich: Ich glaube, dass das Ganze live noch ein bisschen rauer und roher ist. Und auf das Album spezifisch angesprochen: Wir haben schon auch letzten Herbst viele Songs live ausprobiert. Wir hatten ja von September bis Ende November auch ein paar Konzerte. Die haben wir dann bewusst genutzt, um das Programm einmal abzuspielen und zu schauen, wie die Songs live funktionieren und wie sie ankommen. Das ging lustigerweise in kleinem Rahmen genauso gut wie in einem etwas Größerem. Wir hatten ja etwa Glück, dass wir im Vorprogramm von Algiers in Bratislava waren. Das hat genauso super gepasst, wie irgendwo anders mit zwanzig Leuten im Publikum!

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Habt ihr eine treue Fanbase?

Christian Jurasovich: Ja, also in Wien ist es definitiv so, dass wir eine gute, solide base haben, die sich vielleicht jetzt auch wieder ein bisschen erweitert hat. Und ich persönlich mag alle Konzert Situationen. Jede hat etwas Spezielles. Das ist aber auch ein bisschen dem geschuldet, dass ich sehr gerne live spiele. Obwohl natürlich die Angst, dass etwas schiefgeht oder nicht ankommt, was wir tun, schon immer da ist. Aber es ist egal, ob wir vor zwanzig Besucher:innen, wie letztes Jahr in Budapest, spielen oder wie als Vorband für Cari Cari 2022 vor sechshundert Leuten: Es ist immer ein gutes Gefühl. Beides hat wirklich etwas Einzigartiges. Wäre auch komisch, wenn’s anders wäre.

Eure Musik weicht auch ab von diesem Popethos, der immer einen Hype verfolgt. Wolltet ihr jemals „big“ sein?

Christian Jurasovich: Also ich würde sagen, dass für uns die Credibility definitiv höher steht, als der große Fame. Es würde uns nicht in den Sinn kommen, mit dieser Art von Musik the next big thing zu werden. Aber, was wir mit unseren beiden Alben geschaffen haben, wird unsere Welt trotzdem weiter ausformen. 

Weil du “Welt” sagst: Das Cover-Art hat auch einen ganz eigenen Fantasy-Charakter. 

Christian Jurasovich: Das ist eine bewusste künstlerische Entscheidung, dass Harald Thaler, der die Cover für alle Singles und Alben gemacht hat, einen Gleichklang erschafft, der einen roten Faden aufzeigt, der so auch visuell wahrnehmbar wird. Es geht um das Ganze, als immer nur um den nächsten Schritt. Im Endeffekt könnte man den Kreis hier jetzt auch schließen und sagen, dass auch der Name „Drive Moya“ nichts anderes ist als der Hinweis auf einen real lebenden Navigator. Und genauso wollen wir auch Zuhörer:innen durch unsere Welt navigieren! Das ist die Conclusio des Ganzen.

Wenn du 1993 als Teen Drive Moya das erste Mal gesehen hättest, was hättest du über die Musik gedacht?

Christian Jurasovich: Ich glaube, ich hätte es nicht verstanden. Aber ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht – Danke dafür, dass ich heute nicht einschlafen können werde! Aber der erste Impuls ist wirklich, dass ich es vermutlich wirklich nicht gecheckt hätte.

Als Jugendliche habe ich Jazz auch nicht verstanden. Inzwischen ist das ganz anders. Vielleicht will man als Teenie einfach immer nur harder, faster, stronger, oder?

Christian Jurasovich: Ja, ich hätte das auch so gesagt! Als Jugendliche wollte man immer eher ein straight in your face. Drive Moya ist nicht so. Das hätte mir als Jugendlicher im Publikum zu denken gegeben.

Bild Drive Moya
Drive Moya (c) Thomas Schnötzlinger

In der Zwischenzeit ist die Welt so vernetzt, dass es sicher auch Teenie-Bubbles gibt, die Drive Moya hören!

Christian Jurasovich: Vielleicht sollte man das austesten!

Also meine sechzehnjährige Nichte fand es geil und meinte, es klinge wie Deftones!

Christian Jurasovich: Hauptsache es hat sie abgeholt – Das ist sehr cool, perfekt!

In diesem Sinne: Danke fürs Gespräch!

Christian Jurasovich: Danke dir vielmals!

Ania Gleich

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TOUR-DATES: 

1.3.2024
Vienna (AT) – Club 1019 (with Phal:Angst)
ALBUM RELEASE SHOW (Tickets)

2.3.2024
Graz (AT) – Club Wakuum (with Haunted by the Remote)

6.3.2024
Prague (CZ) – Cafe v Lese (with The New Mourning)

7.3.2024
Linz (AT) – The Vinyl Bar (with The New Mourning)

8.3.2024
Budapest (HU) – A38 (with The New Mourning)

25.4.2024
Vienna (AT) – Chelsea (with Reflector, Lehnen, le_mol)
NOISE APPEAL FEST

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