Der aus Kärnten stammende Sänger, Gitarrist und Pianist GERNOT FELDNER, vor allem bekannt von der Band HARLEQUINS GLANCE, ist schon seit mehr als dreißig Jahren als Musiker aktiv. Auf dem neuen Album LINES INTO DUST sind intensive Balladen zu hören, die mit Akkordeon, Klarinette, Bläsern und Streichern instrumentiert wurden. Im Gespräch mit Robert Fischer erzählt er über den ausufernden Aufnahmeprozess des neuen Albums, wie er in seiner Jugend mehrere Instrumente autodidaktisch erlernte, und seine ganz spezielle Art des Songwritings. Neben Live-Konzerten mit seiner Stammband ist GERNOT FELDNER auch immer wieder bei Tribute-Konzerten für Bob Dylan, Tom Waits oder die Beatles zu hören.
Wie kam es zu dem neuen Album „Lines into dust“?
Gernot Feldner: Es gab seit dem Beginn meiner Karriere als Musiker viele selbstgeschriebene, nicht verwendete Songs, die ich nutzen bzw. veröffentlichen wollte. Während dem Aufnahmeprozess für das Album sind noch einige neue Songs dazugekommen. Für meine Stammband Harlequins Glance haben diese Songs nicht so richtig gepasst, weil das Material sehr balladesk ist. Das neue Projekt nennt sich The Harlequin Preservation Society.
Welches Konzept hast du dir für das neue Album überlegt?
Gernot Feldner: Es gab anfangs den Plan, ein paar befreundete MusikerInnen zu kontaktieren, um zu schauen, wer an meinem neuen Projekt interessiert sein könnte. Mein erster Ansatz war „Lines into dust“ ganz simpel im Duo mit einem anderen Musiker aufzunehmen, vielleicht noch eine zweite Gitarre hinzuzufügen, und zu veröffentlichen. Während den Aufnahmen wurde die Sache dann aber immer größer und umständlicher. Ich dachte, die Aufnahmen wären in vier Wochen erledigt, geworden sind es dann eineinhalb Jahre.
„Es gibt in meinem Kopf gewisse Vorstellungen, wie ein Lied klingen soll.“
Was war der Grund dafür?
Gernot Feldner: Es gibt in meinem Kopf gewisse Vorstellungen, wie ein Lied klingen soll, und das will ich unbedingt umsetzen. Ich denke mir z.B., dass zu einer Ballade doch ein Streichquartett gut passen würde, dann dauern die Aufnahmen für das Stück schon mind. einen Monat länger. In dem Zusammenhang möchte ich meinen Tontechniker Thomas Meitz besonders loben, der mich immer toll unterstützt hat und trotzdem drangeblieben ist, als die Sessions sich immer mehr in die Länge zogen.
Gab es noch andere Gründe für die Verzögerung im Aufnahmeprozess?
Gernot Feldner: Ich wollte so viel wie möglich live aufnehmen, also neben mir an Gesang und Gitarre noch mit zwei, drei Leuten für Bass, Schlagzeug und Keyboard. Von Neil Young gibt es das berühmte Album Harvest aus den siebziger Jahren, wo auf der Rückseite der LP ein Foto ist, dass zeigt, dass die Aufnahmen dafür in einem Barn, also einer umgebauten Scheune stattgefunden haben. Ich hatte den Wunsch bzw. die Vorstellung auch an so einem Ort aufzunehmen. Ein Platz, wo sich die MusikerInnen wohlfühlen, auch wenn die Tontechnik vielleicht nicht so toll ist. Wo beim Aufnehmen Momente passieren, wo du sagst: Hey, das war echt ein guter Take! Wir haben uns für ein paar Tage im Kulturfleckerl in Essling eingemietet. Leider gab es dort technische Probleme.
Welcher Art?
Gernot Feldner: Das Kulturfleckerl ist ein umgebauter Stadl, leider ist er tontechnisch ungünstig, denn der Raum hallt sehr stark. Die Aufnahmen von dort waren technisch nicht brauchbar. Das Schlagzeug hat dort meine Gesangstimme völlig überlagert, und war auf jedem offenen Mikrofon zu hören. Wir mussten viele Overdubs machen und konnten die Aufnahmen letztlich aber nicht verwenden.
Wo habt ihr weiter aufgenommen?
Gernot Feldner: Die Aufnahmen fanden bei mir zuhause statt, die MusikerInnen die nicht bei mir vorbeikommen konnten, haben ihre Parts per Mail geschickt. Das ist mit der heutigen Technik echt klasse, du schickst jemand eine Pilotspur und er kann daheim daran arbeiten. Die Posaunen-Parts bei einigen Songs auf Lines into dust bzw. die Vocals von Meena Cryle sind auf diesem Weg entstanden.
„Bei zwei Songs der CD habe ich an so eine Art frühe Sixties-Atmosphäre und den Sound der damals so erfolgreichen Girl-Groups gedacht.“
Genau, auf dem neuen Album sind zwei Duette mit Blues &Soul Sängerin Meena Cryle zu hören. Wie kam es dazu?
Gernot Feldner: Bei zwei Songs der CD habe ich an so eine Art frühe Sixties-Atmosphäre, und den Sound der damals so erfolgreichen Girl-Groups gedacht. Ich meine Gruppen wie z.B. die Ronettes, die Shangri-La´s oder die Crystals. Aber wenn die Nummern zu glatt arrangiert sind, wird das zu kitschig, so kam mir die Idee, mit einer rauen bzw. souligen Stimme eine Art Kontrapunkt zu setzen. Meena Cryle kenne ich schon seit langer Zeit und bin von Ihrer Stimme bzw. Ihrer Musik sehr begeistert. Ich wollte die Songs zuerst durchgängig zweistimmig, ähnlich wie Bring it on home to me in der Version von Eric Burdon, arrangieren. Das hat nicht so gut funktioniert, so kam es beiden zwei Songs You´re keeping me from lying down und All is shelter, all is growth jeweils zu einem Strophen-Splitting zwischen Meena und mir. Beim Gesang haben wir auch noch einige Verschränkungen eingebaut, wo wir aber schlussendlich immer wieder zusammenfinden.
Du hast vorher erwähnt, dass du bei Songs öfters Ideen für größere Arrangements hast – wie wurde das dann umgesetzt?
Gernot Feldner: Zuerst habe ich mit einer fixen Band die Basic-Tracks aufgenommen und später überlegt, zu welchen Songs man noch extra etwas hinzufügen könnte. Bei den Balladen höre ich in meinem Kopf fast immer schmalzige Streicher im Hintergrund, und ich wünsche mir schon seit sehr langer Zeit für die Arrangements meiner Songs den Einsatz von Blasinstrumenten und Streichern. Zusätzlich bin ich z.B. ein großer Fan von Klarinette. Bei meinen in Richtung Tom Waits-gehenden Stücken höre ich immer gleich fast automatisch dieses Instrument, weil es auch von Waits drei bis vier Alben gibt, auf denen die Klarinette eine wichtige Rolle spielt. Manche Stücke auf Lines into dust sind ganz nackt geblieben, also nur mit Stimme und akustischer Gitarre instrumentiert.
Was inspiriert dich beim Songwriting?
Gernot Feldner: Einerseits geht es mir wie vielen anderen Songwritern bzw. Songwriterinnen die ein Stück weit immer das Gleiche machen, immer das Gleiche erzählen, und ein bisschen ausgeschrieben sind. Die Themen werden weniger, was bei mir aber nicht sehr tragisch ist, da ich mit sehr bildhaften Texten arbeite. Meine tägliche Routine besteht darin, mich gleich nach dem Aufstehen und dem ersten Kaffee sofort für zwei bis drei Stunden zur Gitarre oder zum Klavier zu setzen. Nach einer Stunde herumklimpern, kommen schon automatisch Songideen. So entstehen jeden Tag ein bis zwei Song-Skizzen, wo ich das Gefühl habe, die will weiterverfolgen. Meistens ist das eine Akkordfolge, im besten Fall schon mit einer kleinen Hook-Line. Text habe ich zu diesem Zeitpunkt meistens noch keinen, aber es gibt schon eine Vorstellung vom Klang der Wörter bzw. wie der Text klingen soll. Die Phonetik der Wörter ist mir da wesentlich wichtiger als irgendeine bestimmte Aussage.
Wie entstehen dann konkret die Texte zu den Songs?
Gernot Feldner: Ich probiere solange herum, bis ich das Gefühl habe, da könne so und so eine Art Wortlaut zu den Akkorden passen. Da ich in Englisch schreibe, entstehen dann oft Wortkreationen, wo ich die Worte teilweise gar nicht kenne, teilweise sind es Phrasen die gar keinen Sinn ergeben. Beim ersten Hören von Bob Dylans Like a rolling stone bzw. dem berühmten Refrain mit How does it feel habe ich mir auch keine Gedanken gemacht, was es bedeutet. Doch die Phonetik dieser Worte war so stark, das hat mich in den Bann gezogen! Als Jugendlicher habe ich z.B. Beatles-Texte überhaupt nicht verstanden, aber es klang trotzdem für mich wunderbar.
„Die Texte zu meinen Songs zu verfassen, ist wie so eine Art Schnitzeljagd.“
Also nimmst du dir nicht vor einen Song zu einem bestimmten Thema zu schreiben, sondern du arbeitest mit dem Klang der von dir erfundenen Wörter?
Gernot Feldner: Genau, ein bestimmtes Thema zu finden passiert oft erst mit einer bestimmten Phrase in einem neuen Song, wo ich mir denke, das könnte dort hinführen. Der ganze Schreibprozess passiert bei mir sehr intuitiv. Die Texte zu meinen Songs zu verfassen, ist so eine Art Schnitzeljagd. Viele Songwriter bzw. Songwriterinnen arbeiten ja gegensätzlich, d.h. sie haben zuerst einen Text, zu dem sie dann die Musik schreiben, bei mir ist es aber umgekehrt. Das Songschreiben ist bei mir fast wie der klassische Ablauf bei den legendären Columbo – Krimis aus den USA, wo man zu Beginn der Folge den Mord sieht und sich dann erst im Laufe der Sendung zur Auflösung zurück arbeitet. (schmunzelt).
Wenn man im Krimi-Genre blieben würde, bist du bei deinem Songwriting so eine Art Kommissar der Indizien sammelt und mit Zeugen spricht, um den Mord aufzuklären. In deinem Fall musst du quasi immer erst selbst entschlüsseln, um was sich die Texte der Songs drehen richtig?
Gernot Feldner: Ja, das ist eine super Beschreibung von meinem Songwriting!
Wie lange arbeitest du durchschnittlich an einem neuen Song?
Gernot Feldner: Das ist völlig unterschiedlich. Auf Lines into dust gibt´s das Lied Gates to farrow, walls too high, der mir gut gefällt, weil er so schlüssig, einfach und kompakt ist. Beim Schreiben habe ich dauernd überlegt, ob es das Lied nicht schon von jemand anderen gibt, weil das Stück in einer Stunde komplett fertig komponiert war. An anderen Songs arbeite ich jahrelang ohne Ergebnis. Way down the passion route auf dem neuen Album ist ca. fünfzehn Jahre alt. Erst durch die Arbeit am Album konnte ich das Lied jetzt fertigstellen.
Geht es thematisch in deinen Songs eher um dein eigenes Innenleben oder kommentierst du darin Dinge, die du in der Gesellschaft beobachtest?
Gernot Feldner: Ich würde sagen beides. Natürlich geht es schon um mein Innenleben, das von äußeren Umständen beeinflusst wird. Das können nachdenkliche, philosophische Sachen sein, oder manchmal auch etwas Zorniges. Der Song You just love to reign ist z.B. ein sehr wütendes Stück. Da geht’s um Machtmissbrauch, Gier, unehrenhafte Bereicherung und Korruption. Also wenn jemand seine Machtposition sehr egoistisch für seine eigenen Zwecke ausnützt.
Wie bist du selbst zur Musik gekommen?
Gernot Feldner: Ganz früh war ich Fan der Beatles. Mit neun oder zehn Jahren habe ich von meinen Eltern ein Bon Tempi-Keyboard geschenkt bekommen. Als ersten Schritt versuchte ich, vieles nach Gehör nachzuspielen. Bis ich mich mit der Gitarre beschäftigte, hat es noch sehr lange gedauert. Mit vierzehn, fünfzehn Jahren habe ich mit einigen Freunden in Villach eine Band gegründet, wir haben alles gespielt, was damals in der Hitparade war.
Hast du auch Unterricht genommen?
Gernot Feldner: Ich hatte nie Unterricht. Ich kann weder Noten lesen noch schreiben. Bei dem Thema bin ich sehr zwiegespalten. Manchmal vermisse ich diese Fähigkeit, wenn ich sehe, wie andere Musiker z.B. auf ein Blatt Noten schreiben, andrerseits denke ich mir, vielleicht wäre ich gar nicht der Typ für eine langjährige musikalische Ausbildung gewesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich dabei irgendwann die Geduld verloren hätte und überhaupt keine Musik mehr gemacht hätte.
Wie ging es dann in deiner musikalischen Entwicklung weiter?
Gernot Feldner: Mit fünfzehn Jahren war ich dann Mitglied einer völlig aus der Zeit gefallenen Rockabilly-Band, wo ich für Klavier und Orgel zuständig war. Durch Bob Dylan, der mich damals sehr begeistert hat, begann ich mit ca. zwanzig Jahren erste eigene Songs zu schreiben. Wenn ich mich mit anderen Kollegen vergleiche, war das eigentlich ziemlich spät. Trotzdem war ich sehr leidenschaftlich bei der Sache und habe damals fast jeden Tag einen neuen Song geschrieben. Einige dieser Songs sind immer noch in meinem Live-Repertoire. Beispielsweise der Song The butterfly and the worm, der hat schon ca. fünfunddreißig Jahre am Buckel!
Du veranstaltest öfters Tribute-Abende mit Songs von Bob Dylan, Tom Waits oder den Beatles. Was reizt dich an diesen Konzerten?
Gernot Feldner: Ich finde das Ausgangsmaterial, also die Songs dieser Künstler, schon so großartig. Wenn du selbest mit einer Band als Songwriter unterwegs bist, gibt s immer Unwägbarkeiten oder Momente, wo du an dir selbst, der Band oder deinen Songs zweifelst. Mit Cover-Bands zu spielen bzw. an Tribute-Abenden teilzunehmen ist ein gutes Training, finde ich, denn man geht bei den Songs als Sänger bzw. als Band schon von einem hohen Niveau aus. Noch reizvoller ist es aber natürlich immer dein eigenes Zeug aufzunehmen bzw. auf die Bühne zu bringen.
Im Jänner 2024 wurde „Lines into dust“ im Atelier-Theater in Wien live präsentiert. Was ist in punkto der weiteren Live-Umsetzung des neuen Albums geplant?
Gernot Feldner: Prinzipiell ist The Harlequins Preservation Society eher als Projekt zu sehen und nicht als fixe Band. Ich versuche gerade mit meiner Tom Waits-Cover Band eine Basis zu entwickeln, um die Songs des neuen Albums live aufzuführen. Es sind auch Auftritte im Duo oder Trio geplant, für nähere Infos am besten regelmäßig auf meiner Facebook-Seite vorbeischauen. Das ganze Ensemble von Lines into dust incl. Bläser und Streicher komplett auf die Bühne zu bringen, ist organisatorisch bzw. finanziell sehr schwierig.
Vielen Dank für das Interview!
Robert Fischer
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Harlequin Preservation Society live:
Freitag 26. April 2024 (Trio)
Kultur im Kotter, Groß-Enzersdorf
Donnerstag 2. Mai 2024 (Solo)
Verein 08, Piaristengasse 1080 Wien
Freitag 17. Mai 2024 (Band)
Künstlergruppe Stachel im Alten SPAR
Neulengbach/NÖ
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