Auf LP1 folgt LP2, das Geschwister-Duo JANSKY meldet sich mit einem neuen Album. Aus der Zeit gefallen, sagen mache. Chamber Pop, sagen andere. Der Sound erstreckt sich zwischen Weite und Fokus, der Blick ist zentriert, liegt manchmal auf den einzelnen Dingen, man hört „Schatten“, „Strömung“, „Tisch“, „Uhr“, „Vase“, „Strauß“, „Münze“, so die Titel der Tracks. Stilisiert und kryptisch bewegt sich der Sound von Jansky neben und um die Alltagssprache. Das Label selbst sagt: „Jansky verorten sich klangmalerisch an den Fuß eines Baumes, der textlich erklommen wird.“ Ein Gespräch mit den Geschwistern Martin und Anna Rupp über das Album, über Fiktionen, ästhetische Romantisierungen, sakrale Deutungen und die Natur als Mittel zum Zweck. Am 2. Juni erscheint „LP2″ auf Problembär Records. Das Release-Konzert findet am 1. Juni als Listening-Session im Wiener Schikaneder statt.
Aus welchem Impuls heraus ist das Projekt Jansky entstanden?
Anna Rupp: Wie wir noch bei unseren Eltern gewohnt haben, hat es sich einfach angeboten, etwas zu zweit zu machen. Auch weil wir beide immer sehr viel mit Musik gemacht haben, aber auf total unterschiedliche Weise. Dadurch ergänzen wir uns irgendwie sehr gut. Ich weiß noch, wie Martin oft in der Nacht bei meinem Zimmer angeklopft hat, um mir irgendeine Idee zu zeigen. Ich war dann fast eher genervt, dass ich nicht weiter Serien schauen konnte. Aber es war einfach irgendwie praktisch.
Die Narrative von Jansky lassen auf den ersten Blick Assoziationen wie „authentisch“ „ehrlich“ oder „natürlich“ entstehen, ist dabei auch Fiktion im Spiel?
Martin Rupp: Wenn du Fiktion als das verstehst, was in unseren Köpfen gebildet wird, dann sind unsere Geschichten nicht mehr fiktiv als andere. Ich habe aber trotzdem oft das Gefühl, dass unsere Texte viel weniger authentisch oder ehrlich sind, als vieles, das um uns passiert. Weil unsere Texte ja doch oft sehr stilisiert und kryptisch sein wollen und aus der Alltagssprache bewusst entkoppelt sind.
Anna Rupp: Für mich ist immer eine emotionale Authentizität da. Ich kann nicht über Dinge singen, die ich nicht verstehe oder überhaupt noch nicht gefühlt habe. Aber an sich ist alles fiktional.
Irgendwo wird der Sound von Jansky als „Chamber Pop“ bezeichnet. Was kann man sich darunter vorstellen? Spielen Themen des mystischen oder sakralen eine Rolle für den Output?
Martin Rupp: Der Ursprung für die Bezeichnung war die Tatsache, dass wir durch unsere Live-Band sehr viel Streicher- und auch Saxofon-Stimmen aufgenommen haben. Als ich dann gelesen habe, dass der Begriff auf Brian Wilson zurückgeht, und ich zuvor das Album „Smile“ von den Beach Boys rauf und runter gehört habe, machte „Chamber Pop“ sehr viel Sinn als Einfluss auf unsere Musik.
Anna Rupp: Die Assoziationen “mystik” und “sakral” kommen daher, dass die Texte immer einen sehr starken Fokus auf ein Objekt bzw. eine Situation setzen. Die Texte sind sehr fokussiert, wohingegen die Musik eine Weite besitzt. Diese Kombination bringt vielleicht so eine fast religiöse Aura mit sich. Aber natürlich nicht auf einer religiösen Ebene.
Spielt die familiäre Beziehung (Geschwister) eine Rolle für das Projekt?
Anna Rupp: Durchs Musikmachen hat sich eine Freundschaft zwischen uns entwickelt. Was bei Geschwistern ja nicht immer so ist. Wir verbringen gern Zeit miteinander und das hilft natürlich, wenn man gemeinsam an einem Projekt arbeitet. Ich finde eigentlich die Art und Weise, wie Geschwister miteinander reden, total spannend. Mit wem ist man sonst so direkt?
Der Sound von Jansky steht in einem klaren Kontrast zu den musikalischen Ästhetiken, die auf den Chartspitzen stehen. In welcher Weise reflektiert ihr diese schnelllebige Popkultur in oder durch euer Duo?
Martin Rupp: Ich weiß nicht… Unsere Musik ist doch immer noch sehr poppig und catchy. Am neuen Album auch mehr als auf dem zuvor. Letztendlich machen wir ein Pop-Ding. Was in den Charts passiert, nehme ich immer nur entfernt wahr. Aber ich glaube, Pop-Musik muss sich immer Ästhetiken aus der experimentellen Welt aneignen, um nicht stehen zu bleiben. Dahingehend möchte ich noch mehr lernen.
Begleitend zu „LP2“ veröffentlicht ihr auf dem Inlay der Vinyl eine Kurzgeschichte. Was wird darin verhandelt? Wie wichtig ist euch das Literarische an sich?
Martin Rupp: Die Geschichte hatte ich schon lange herumliegen. Als ich sie dann wiedergefunden habe, tauchten viele Inhalte des Albums auch in ihr schon auf. So ergibt sich ein schönes Netz, das sich durch alles durchzieht. Bei solch einem Zufall habe ich aber Angst, dass ich mich nicht weiterentwickle oder mein Vokabular beschränkt ist.
Auch das kommende Album „LP2“ spielt mit allgegenwärtigen Themen wie Natur und Reduktion. Ist das ein Statement oder Rückzug?
Anna Rupp: Also vielleicht bei „Leinwand”. Hier geht es schon irgendwie darum, alles einmal liegen zu lassen und sich unter einen Baum zu setzen. Aber eigentlich ist unsere Musik generell für mich kein Statement oder Rückzug.
Martin Rupp: Diese künstlerische Welt in Text und Sound, wie die Musik auch manchmal Vogelgezwitscher imitiert oder wir gezielt Fieldrecordings einsetzen, ist uns wichtig, um das Album in einem Raum zu verorten, in dem man abstrakt Thematiken verhandeln kann. Das diese Inhalte so versteckt sind, ist Geschmackssache. Aber letztendlich ist für uns die Natur nur ein kreatives Mittel zum Zweck.
Im Kontext von Jansky werden oftmals Phrasen wie „Aus der Zeit gefallen“ benutzt. Könnt ihr damit etwas anfangen?
Anna Rupp: Ich finde es spannend, wenn Musik eine Atmosphäre verkörpert, die nicht ganz klar zeitlich einzuordnen ist. Das lässt alles fast “fabelähnlich” wirken.
Wo kann man eure musikalischen Einflüsse verorten?
Martin Rupp: Wie schon erwähnt, gefällt mir der Zugang von Brian Wilson. Dass zwar viele Instrumente zusammenarbeiten, aber keines als Lead-Instrument herausspringt. Auch die Arbeit mit Leitmotiven, wie sie auf dem „Smile”-Album passierte, haben wir auf „LP2“ aufgegriffen. Das Melodie- und Chord-Writing von Joni Mitchell ist für mich unübertroffen. So gegenwärtig begeistert mich die Musik von Jungstötter und Paul Plut kann auch nichts falsch machen. Und die klangliche Welt vom Laurel Halo Album „Quarentine” hat mich auch länger beschäftigt.
„Generell ist die Musik bunter geworden.”
Das letzte Album trug den Titel „LP1“ und erschien 2020 auf Problembär Records. Was hat sich seit diesem Release inhaltlich und in eurer Arbeit verändert?
Anna Rupp: Vieles, finde ich. Generell ist die Musik bunter geworden. Die Sounds und die Energie der Lieder allgemein. Es spielt alles noch in derselben Welt von „LP1, aber die Stimmung ist eine andere. „LP2” ist vielleicht ein bisschen intensiver. Ich persönlich hab zum Beispiel dieses Mal auch sehr viel Freude gehabt, stimmlich viel mehr auszuprobieren.
Wie kann man sich euren Arbeitsprozess vorstellen?
Anna Rupp: Vieles ausprobieren und wieder verwerfen. Oft machen wir wirklich viele Versionen von ein und demselben Lied. Es ist immer spannend zu sehen, was alles möglich ist. Das meiste entwickelt sich eigentlich zusammen mit der Produktion, also wir schreiben die Lieder praktisch am Computer. Ich versuche, viel intuitiv zu machen, und mags am liebsten, wenn ich mich selbst ein bisschen überrasche.
Martin Rupp: Wie Anna schon sagt, es ist etwas Skulpturales, wo man immer wieder Sachen verformt, etwas dazugibt und wegnimmt, weil die Zielsetzungen sich während dem Aufnehmen immer neu adjustieren, auch zwischen den einzelnen Songs, weil die ja auch im Einklang sein müssen.
Zum Beispiel das Lied „Leinwand”. Es war lange Zeit als der Closing-Track gedacht, und wir haben vieles versucht, damit es ein alles umspannendes Stück wird. Das war sehr frustrierend. Aber als wir gemerkt haben, dass das Lied „Wächter” diese Rolle viel besser ausfüllt, ist von „Leinwand” echt eine Last gefallen.
Die Narrative des Albums erstrecken sich draußen vor der Tür. Man hört die Natur, den Sound von Blättern und Bäumen, sieht Erinnerungen an damals, die jeder irgendwo im Kopf trägt. Ist das Nostalgie, Eskapismus oder einfach ein Blick auf das, was neben der Beschleunigung der Gegenwart passiert?
Anna Rupp: Für mich ist es irgendwie nichts davon. Die Welt des Albums schließt ja auch Konflikte ein. Zum Beispiel in Liedern wie „Vase“, oder „Dächer“, „Uhr“. Es ist also vielleicht eine ästhetische Romantisierung, aber nicht inhaltlich. Die Geräusche der Natur und das Vogelzwitschern sind eigentlich fast Realismus, weil das auch einfach das ist, was unser Studio umgibt.
Martin Rupp: Wie schon vorhin gesagt, geht es uns dabei in erster Linie um den Vorhang, vor dem man Geschichten erzählen oder in dem man sie einwickeln kann. Aber mir gefällt auch, was Anna sagt, es ist halt schlichtweg der Ort, an dem die Aufnahmen entstehen. Wenn wir zum Beispiel das Klavier aufnehmen, lassen wir vielleicht das Fenster offen, die Musik wird ja nicht im luftleeren Raum recorded.
Abschließend: was sind eure Erwartungen oder Wünsche für den Release?
Anna Rupp: Ich glaube, Erwartungen darf man nicht allzu viele haben. Man kann nie wissen, wie die Musik dann bei anderen Menschen ankommen wird oder ob sie überhaupt jemanden interessiert.
Martin Rupp: Ich wünsche mir nur, dass in 10 Jahren irgendwer die Platte in einem Second-Hand-Geschäft findet, für 5€ kauft, und ur die Freude hat.
Vielen Dank für das Gespräch!
Ada Karlbauer
++++
LP-Listening Party: 1. Juni Schikaneder, Wien
++++