„Ich wollte nicht mehr glatt klingen“ – SIMON LEWIS im mica-Interview

Musik ist für SIMON LEWIS der Ort, an dem er seinen Frieden findet, weil er tun und sich so ausdrücken kann, wie er will. Im März erschien mit „Rebel“ (töchtersöhne records) das zweite Album des Wieners, das abermals ein sehr persönliches Bild des Musikers zeichnet. Gleichzeitig zeigt es SIMON LEWIS als jemanden mit eigenem Willen, der von den musikalischen Wegen, die für ihn vorgesehen waren, selbstbewusst abgeht. Im Interview mit Michael Ternai erzählte der Songwriter von seinem Wunsch, wieder die Kontrolle über seine Musik zu erhalten, darüber, welche therapeutische Wirkung diese für ihn hat, und wie ihn die Zeit als Straßenmusikant geprägt hat.

Bisher kannte ich dich als jemanden, dessen Musik eher im Mainstream-Pop angesiedelt ist. Zumindest werden deine Songs im Mainstream-Radio gespielt. Wenn man aber deine Biografie liest und sich die Songs wirklich genauer anhört, spiegelt sich dieses Bild nicht wirklich mit dem Auftreten im Radio. Der Sound deiner Songs ist alles andere als glatt und poliert. Er ist eher von einer melancholischen und authentischen Note getragen, die viel Persönliches von dir offenbart. Im Pressetext zum Album steht, dass für dich die letzten vier Jahre nicht leicht waren. Inwieweit ist Musik der Katalysator für deine Gefühle?

Simon Lewis: Du hast recht. Meine Songs spiegeln viel von meiner Gefühlswelt wider. Ich selber sehe mich auch nicht wirklich als Teil dieser Popwelt, obwohl ich mit Popmusik aufgewachsen bin und ich sie liebe. Musik war für mich immer eine Art Flucht vor der Realität, eine eigene Welt, in die ich mich zurückziehen und in der ich wirklich – ohne Vorgaben von irgendjemanden – das machen konnte, was ich wollte. Das war für mich immer sehr befreiend. Bei meinem ersten Album dagegen war es etwas anders. Es war das erste Mal, dass ich mit professionellen Produzent:innen zusammengearbeitet habe. Und auch wenn es mir wirklich wahnsinnig viel Freude bereitete und es großen Spaß machte, mit so professionellen Leuten zusammenzuarbeiten, habe ich mir letztlich doch sehr viel sagen lassen. Man kann sagen, die Zeit im Studio war mehr ein Lernen als Machen. Was aber, denke ich, normal ist, denn so eine Albumproduktion war für mich zum damaligen Zeitpunkt etwas ganz Neues. Dennoch habe ich mich schon recht schnell in dieser Popklischee-Welt gefangen gefühlt und war mit dem Album irgendwann nicht mehr wirklich happy. Wobei ganz unglücklich war ich mit diesem dann auch nicht. Ich sehe das Album heute als Teil eines Prozesses. Es war für mich der Beginn einer Entwicklung. Und die ist für mich sehr wichtig, denn Stillstand ist das, was ich auf alle Fälle vermeiden will. Es reicht mir nicht, einfach der nächste gehypte Radiostar zu sein. Von denen gibt es genügend.

Das heißt, du hast beim neuen Album das Zepter wieder allein in die Hand genommen.

Simon Lewis: Ja, wobei diese Entscheidung nicht überall auf Verständnis gestoßen ist. Vor allem mein erstes Label war da sehr skeptisch. Die Leute dort sind natürlich schon auch interessiert daran, dass ein solches Album finanziell Sinn macht. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Das Gute an Musik, die im Radio gespielt wird, ist ja, dass sie Geld einbringt. Und wenn ich ehrlich bin, hat sie mir auch einige Türen geöffnet. Ich wollte aber nicht mehr in diese Richtung gehen. Ich wollte nicht mehr glatt klingen. Meine Musik sollte schon Ecken und Kanten haben. Das war letztlich auch einer der Gründe, warum ich mich vom ersten Label getrennt habe. Mein neues Label töchtersöhne stand dagegen von Anfang an hinter meinen musikalischen Vorstellungen.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

„Die Musik sollte wirklich so sein, wie ich sie wollte.“

Dir war also klar, was auf Album Nummer zwei anders sein sollte?

Simon Lewis: Ja, definitiv. Es war irgendwie wie ein Aufbruch. Ich habe mich von meinem ersten Label getrennt und hatte wirklich den großen Wunsch, wieder mehr Kontrolle über meine Sachen zu haben. Die Musik sollte wirklich so sein, wie ich sie wollte. Auch wenn das vielleicht mit einem etwas höheren Risiko verbunden ist. Für mich war es auch sehr wichtig, dass noch mehr Persönliches von mir in die Musik einfließt. Die Songs behandeln meine Gefühle und meine Visionen, und die Herausforderung war, diese beiden Ebenen zusammenzuführen.

Ecken und Kanten haben deine Songs auf jeden Fall. Zudem besitzen sie Authentizität. Wie sehr haben die letzten vier Jahre, die für dich mit einigen persönlichen Krisen verbunden waren, in die Musik reingespielt?

Simon Lewis: Natürlich sehr. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und habe in den letzten Jahren sehr viel über mich selbst herausgefunden. Und in den schwierigen Momenten und Phasen war die Musik mein bester Therapeut. Die Songs sind alle über einen sehr großen Zeitraum entstanden und behandeln die unterschiedlichen Stationen, in denen ich mich gerade befand.

Deine Texte sind also sehr persönlich. Hast du nicht die Angst, dass du manchmal vielleicht zu viel von dir preisgibst?

Simon Lewis: Darüber habe ich eigentlich noch nicht nachgedacht. Vielleicht auch deswegen nicht, weil ich noch nicht die Erfahrung gemacht habe, dass es einmal vielleicht too much war. Vielleicht passiert mir das irgendwann einmal. Für mich ist Musik einfach der Ort, an dem ich offen und ehrlich sein kann. Mir fällt es schwer, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Ich bin kein guter Schauspieler. Mir ist es auch immer schwergefallen, mit anderen Leuten an Songs zu schreiben, weil ich immer wollte, dass es meine Worte sind und die Texte von mir kommen und ich die Angst habe, dass in der Zusammenarbeit mit anderen vielleicht etwas von diesen verloren geht. Ich schreibe die Songs in erster Linie für mich. Und wenn ich das Gefühl habe, dass sie gut genug sind, um sie mit anderen zu teilen, dann teile ich sie auch.

Bild Simon Lewis
Simon Lewis (c) Lara Hensel

„Das Spielen auf der Straße hat mir auch im Songwriting sehr geholfen […]“

Du hast einst viel Straßenmusik gespielt. Wie sehr hat dich das in deinen musikalischen Vorstellungen geprägt?

Simon Lewis: Ich spiele heute ab und zu auch noch Straßenmusik. Und es macht immer noch Spaß. Aber es ist für mich spannend zu sehen, dass ich das nie aus der Intention heraus gemacht habe, ein großer Songwriter zu werden. Für mich war es einfach logisch, das zu tun. Ich war grad mal 15, ich hatte überhaupt kein Netzwerk beziehungsweise keine Kontakte zu Leuten, die mir helfen hätten können, ich wusste nicht, wie man Konzerte veranstaltet etc. Ich wollte damals einfach wissen, wie meine Musik bei den Leuten ankommt. Und um dies zu erfahren, blieb mir einfach nur die Straße. Und das erste Mal war auch wirklich zuerst ganz furchtbar. Ich hatte zwar die Idee im Kopf und war voll motiviert, nur war ich so nervös, dass ich am Anfang mit der plötzlichen Aufmerksamkeit sehr überfordert war. Das hat sich dann aber immer mehr verbessert. Im Nachhinein muss ich schon sagen, dass ich schon ein wenig stolz auf mich bin, dass ich das gemacht und auch weiter durchgezogen habe. Das positive Feedback der Leute hat mich auf jeden Fall wirklich bestärkt weiterzutun. Das Spielen auf der Straße hat mir auch im Songwriting sehr geholfen, weil ich direkt beobachten konnte, ob ein Song funktioniert oder nicht, ob er vom Publikum angenommen wird oder nicht. Das war spannend.

Du hast mit dem Musikmachen und Livespielen früh begonnen. Wann ist dir klar geworden, dass du das zu deinem Beruf machen willst?

Simon Lewis: Das war mit etwa 18. Ich bin auf eine grafische Schule gegangen und habe dort maturiert. Und das mit dem ursprünglichen Ziel, Regisseur zu werden. Ich hatte dann aber eine Beziehung mit einer Schulkollegin, die mich dann einmal gefragt hat, warum ich denn nicht Musiker werden will, weil ich eh die ganze Zeit Musik mache. Bis zu diesem Moment hatte ich nie daran gedacht, das zu meinem Beruf zu machen. Erst dann kam die Idee, es zu versuchen.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Woher stammen deine musikalischen Inspirationen? Wer hat dich musikalisch beeinflusst?

Simon Lewis: Es hat angefangen, als ich 13 war. Die ersten Bands, die mich wirklich begeistert und auch beeinflusst haben, waren Green Day, Sum 41 und System of a Down, also eher Bands aus den Bereichen Punkrock und Rock. Es war vor allem dieses Rebellische und Freche, für das diese Gruppen standen, das mich angesprochen hat. Ich muss auch sagen, dass ich mich lange auch nicht als Sänger gesehen habe. Ich habe zunächst mit der Gitarre begonnen und war zuerst wirklich vom Songwriting besessen. Ich hörte zu dieser Zeit wahnsinnig viel Musik und war fasziniert davon, was man eigentlich aus wenigen Akkorden machen kann und dass man auch mit einer kratzigen und nicht perfekten Stimme einen Platz in der Musikwelt finden kann. Das hat mich schon sehr ermutigt, mich selber am Mikrofon zu versuchen. Mit 20 hatte ich dann das Gefühl, dass sich meine Stimme so weit entwickelt hat, dass ich die Songs schreiben konnte, die ich wollte.   

Das Album ist Anfang März erschienen. Was sehen die bisherigen Reaktionen aus?

Simon Lewis: Im Großen und Ganzen sehr positiv, wobei es im Moment mit dem Radio ein wenig schwierig zu sein scheint. Das habe ich aber schon irgendwie kommen gesehen, dass das so werden könnte. Von meinen Fans und den Leuten um mich herum dagegen war das Feedback sehr schön. Mir ist es im Grunde genommen auch nicht so wichtig, dass es so erfolgreich wird wie das Debüt. Mir geht es mehr darum, dass die neuen Songs den Leuten, die sie hören, etwas mehr geben als jene, die ich davor gemacht habe.

Vielen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

++++

Links:
Simon Lewis
Simon Lewis (Facebook)
töchterundsöhne