„ICH WOLLTE MIT DIESER EP DAS ZIEMLICH TURBULENTE LETZTE JAHR VERARBEITEN […]“ – ROMC IM MICA-INTERVIEW

„Crossroads“ (Assim Records), die Debüt-EP des jungen Wiener Songwriters ROMC, ist ein stiller Blick zurück auf die Zeit der Pandemie, die emotional für viele sehr fordernd war und auch ihre Spuren hinterlassen hat. ROMC bringt in seinen Liedern mit eindringlichem Ton jene Gefühle zum Erklingen, die ihn in jener Zeit begleitet haben und die ihn fast verzweifeln ließen. Im Gespräch mit Michael Ternai erzählte ROMC – der zum Zeitpunkt des Interviews wegen einer Coronainfektion gezwungen war, die Tage in Heimquarantäne zu verbringen –, warum seine Songs so ruhig ausgefallen sind, was Balladen für ihn bedeuten und warum er sich lieber über das Singen ausdrückt.

Du hast mit „Crossroads“ ein wirklich sehr gelungenes Debüt vorgelegt. Die Stimmung deiner Songs ist sehr ruhig und melancholisch. Was willst du mit dieser EP sagen?

Romc: Ich wollte mit dieser EP das ziemlich turbulente letzte Jahr verarbeiten und mich mit der Musik zu einem gewissen Grad selbst therapieren und dieser Zeit – neben all dem Negativen, das sie mit sich brachte – dennoch einen schönen Aspekt verleihen.

Was waren die Themen, die dich beschäftigt haben? Die Einsamkeit und Isolation, zu denen man in der Pandemie gezwungen war?

Romc: Ja, definitiv. Und eigentlich alles, was zusammen mit dieser Isolation gekommen ist. Die ganzen existenziellen Fragen, die man sich zu stellen begann, diese fast schon Hoffnungslosigkeit, die irgendwann einmal von einem Besitz ergriff. Und das nicht nur in Bezug auf das eigene Wohlbefinden, sondern auf die ganze Welt gespiegelt. Wenn man sich ansieht, was gerade abgeht, das ist viel, und ich habe das Gefühl, dass es immer mehr wird.
So gesehen waren die Arbeit an der EP und all das, was mit dieser verbunden war, das Beste, was mir im vergangenen Jahr passieren konnte. Ich habe neue Leute kennenlernen und mit ihnen zusammenarbeiten dürfen. Die EP bot mir die Möglichkeit, meinen Emotionen freien Lauf lassen und meine Geschichten in Musik zu verkörpern, um so dem Ganzen um mich herum doch irgend so etwas wie einen Sinn zu geben. Die EP war für mich insofern wichtig, um mit allem Belastenden auch einmal abschließen zu können.

„ICH WOLLTE MEINEN TEXTEN UND DER ART, WIE ICH SIE SINGE, EINFACH DEN NÖTIGEN RAUM BIETEN.“

Dieser ruhige und sehr reduzierte Zugang war also gewollt.

Romc: Auf jeden Fall. Es gibt in dieser Zeit nämlich schon genug Lärm auf der Welt. Es hat einfach etwas Ruhigeres gebraucht, etwas, was für sich spricht. Ich wollte meinen Texten und der Art, wie ich sie singe, einfach den nötigen Raum bieten.

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Das ist dir auch sehr schön gelungen, wie ich finde. Der einzige Ausreißer ist vielleicht das Lied „A Song for Him“, das etwas flotter daherkommt.

Romc: Ja, das stimmt. Ich wollte auf der EP so einen kleinen Hügel formen. Die EP beginnt eher ruhiger und trauriger im Ton, dann geht es hoch und dann auch gleich wieder bergab [lacht]. Der Song ist mir sehr wichtig, weil er doch einen Gegensatz zu den anderen bildet. Somit hat die EP einen schönen Spannungsbogen.

Wie sehr kommt „Crossroads“ eigentlich deinem wahren Charakter nahe? Bist du auch privat ein eher zurückhaltender Typ oder waren die letzten beiden Jahre Kapitel in deinem Leben, die so eine Art von Soundtrack gebraucht haben? Könnten deine nächsten Songs wieder in ein anderes, vielleicht spritzigeres Klanggewand gehüllt sein?

Romc: Das definitiv. Es wird in alle Richtungen gehen. Ich bin schon ein irrsinniger Balladenfan. Ich liebe eine reduzierte Instrumentation und kräftige Stimmen, die sich emotional austoben. Das ist mein Stil, das berührt mich am meisten. Aber ich bin definitiv nicht immer so drauf und höre auch andere Musik. Ich will auch, dass meine Musik ein wenig vielfältiger ist, und habe schon vor, den Sound einer nächsten EP anders zu gestalten.

Wo kommst du eigentlich musikalisch her? Du hast eben erwähnt, dass du ein Balladenfan bist. Wer hat dich dahingehend geprägt?

Romc: Man konnte im Gymnasium, das ich besucht habe, in der Oberstufe einen musikalischen Zweig wählen. Und dieser hat mich sehr geprägt. In diesem Zweig fand sehr viel Chor- und klassische Musik statt. Dort habe ich viel darüber gelernt, Harmonien zu bilden, was mir lange Zeit nicht leichtgefallen ist und für mich auch heute noch manchmal eine Herausforderung darstellt. Hätte ich mir damals nicht diesen Zweig ausgesucht, würde ich das mit Sicherheit heute noch nicht auf die Reihe bekommen.

Wer mich musikalisch geprägt hat? Ich habe als Kind sehr viel Tina Turner und Queen gehört. Was ich auch sehr geliebt habe, waren Musicals. Irgendwann bin ich dann in diese R-’n‘-B- und Pop-Diven-Schiene gerutscht. Ich bin ein riesiger Fan von Mariah Carey und Whitney Houston. Ich stehe einfach auf diese großen Stimmen, die etwas zum Ausdruck bringen und auch keine Scheu haben, ihre Emotionen und Gefühle preiszugeben.

„ICH SEHE MICH SELBER EHER ALS GESCHICHTENERZÄHLER […]“

„Crossroads“ ist ein sehr intimes und persönliches Stück Musik. Man merkt, welche Bedeutung die Songs für dich haben. Inwieweit gibt es Leute, die dir beim Schreiben der Songs zur Seite stehen?

Romc: Ich habe es eigentlich nicht gern, wenn andere Leute da mitmischen, weil es meine Geschichten sind. Ich habe schon einmal mit einer Gedichteschreiberin zusammengearbeitet. Und zwar bei „Insecure“, meiner einzigen schnelleren Nummer. Das war schon nice, nur ist mir aufgefallen, dass ich mich schwer damit tue, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die meine Geschichte nicht wirklich kennen. Ich sehe mich selber eher als Geschichtenerzähler, das ist mein Zugang beim Schreiben. Und ich versuche immer, die Dinge so rüberzubringen, wie ich sie fühle. Bei einer Zusammenarbeit fühle ich mich irgendwie gehemmt.

Bild ROMC
ROMC (c) John Kücükcay

Wie lange dauert es bei dir, bis ein Song fertig ist und du mit dessen Ton zufrieden bist? Bist du ein akribischer Tüftler oder lässt du dich eher von Gefühlen leiten?

Romc: Es beginnt eigentlich alles aus der Improvisation heraus. Wenn da ein Beat ist oder ich mit den anderen jamme, improvisiere ich meine Melodien einfach drüber. Bis der Song dann aber wirklich fertig ist, kann es dauern. Da wird noch einiges geschliffen und gefeilt, bis ich wirklich zufrieden bin. Ich höre dann schon auch Sachen, die mir nicht gefallen und die anderen gar nicht auffallen. Und es kann schon vorkommen, dass ich manche Takes hundertmal aufnehme, um am Ende wieder beim ersten zu landen, weil ich ihn nicht mehr besser hinbekomme. Da bin ich ein irrsinniger Perfektionist.

Du gibst in deinen Texten sehr viel Persönliches preis. Inwieweit sind deine Lieder für dich auch ein Weg der Kommunikation?

Romc: MeineLieder sind definitiv eine Art der Kommunikation für mich. Das Singen fällt mir deutlich leichter als das Sprechen. Ich neige oft zu Missverständnissen in meiner Ausdrucksweise, weil ich Dinge manchmal nicht so sagen kann, wie ich sie meine. Beim Singen fällt mir das leichter. Ich könnte viele meiner Texte nie so sagen, wie ich es in einem Lied tue. Und es ist auch nicht immer leicht. Manchmal ist es schon ein Kampf, weil ich mir nie sicher bin, ob die Leute es auch wirklich verstehen, was ich sagen will, oder ob das, was ich sage, auch wirklich gesagt gehört. Ich muss da schon oft meine Selbstzweifel überwinden. Und zum Glück gelingt es mir auch immer öfter, sie zu überwinden.

Das Video zu deiner ersten Single „One in a Million“ ist bei den Vienna Shorts nominiert. Du kannst wegen eine Coronainfektion leider nicht an der Verleihung, die heute stattfindet, teilnehmen. Aber kannst du erzählen, wie es zu diesem wirklich schönen Video gekommen ist?

Romc: Das war eine sehr witzige und schöne Geschichte. Der in Österreich lebende schwedische Regisseur Christoffer Borggren hat mir eines Tages geschrieben, dass er den Song gehört hat und ihn richtig toll findet und ein Konzept geschrieben hat, wie ein Musikvideo zu diesem aussehen könnte. Ich habe mir daraufhin das Konzept durchgelesen und im Endeffekt geweint, weil es echt berührend war. Und die Umsetzung ist einfach grandios gelungen. Ich hätte mir nie gedacht, dass man meinen Song so eindringlich interpretieren kann. Es hat mich richtig geflasht, als ich das Video zum ersten Mal gesehen habe.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

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