Aufgewachsen am Land, heutiger Lebensmittelpunkt in der Stadt, und daraus resultierend eine riesige musikalische Vielfalt: ANNA BUCHEGGER bringt frischen Wind in Österreichs Musiklandschaft. Nach ihrem Sieg bei der Fernsehshow Starmania 2021 startet die einstige Coversängerin mit ihrem Album „Windschatten“ (VÖ: 04.10.2024) in eine ganz neue Ära. Im Fokus steht nun die eigene Musik, eine Kombination aus Mundart, volkstümlichen Elementen und zeitgemäßem Pop. Inhaltlich hat das Album eine sehr eindeutige Richtung. Warum diese eingeschlagen wurde, hat ANNA BUCHEGGER Katharina Reiffenstuhl fürs Musikmagazin erzählt. Ein Gespräch über Kulturverständnis, Stadt-Land-Gefälle und die begrenzte Zeit in Coverbands.
Wo kommt dein musikalischer Zugang her?
Anna Buchegger: Aufgewachsen bin ich in Abtenau, 50 km entfernt von Salzburg. Ich glaube, sehr prägend waren meine ersten musikalischen Jahre. Ich habe mit vier Jahren Hackbrett gelernt, das ist übrigens auch Teil von dem Album. Und ich habe einen Zweigesang gehabt, mit meiner Schwester gemeinsam. Wir haben volkstümlich musiziert, deshalb ist das jetzt auch ein bisschen back to the roots. Dann bin ich recht früh nach Salzburg gegangen, wo ich viel Jazz, Soul und R’n’B gemacht habe. Mit 19 bin ich nach Wien gezogen und habe dort an der Uni für Musik und darstellende Kunst studiert und sehr viel Popularmusik gemacht. All diese Einflüsse sind vermutlich der Grund, warum das jetzt so ein wilder Mix geworden ist.
Es hört sich ein bisschen an, als hättest du ein ganz neues, eigenes Genre aufgemacht. Klassifizierst du selbst deine Musik?
Anna Buchegger: Nach Starmania habe ich mir sehr viele Gedanken darüber gemacht, wo ich mich jetzt einordnen möchte. Es war schwierig, weil ich irgendwie alles machen wollte. Deshalb ist auch in gewisser Weise ein eigenes Genre rausgekommen. Es war mir aber wichtig, dass volksmusikalische und Folklore-Elemente Platz haben – das ist doch ein bisschen schwieriger als gedacht, dass das dann in moderne Musik eingebettet dennoch tasty klingt. Da kann man auch sehr schnell woanders hindriften.
Hast du ein musikalisches Vorbild, was das Volkstümliche angeht?
Anna Buchegger: Ich habe extrem viel HUBERT VON GOISERN gehört – eh klar, das ist der Vorreiter. Aber auch KOENIGLEOPOLD, die haben auch so wildere Punk-Dialekt-Musik gemacht, die habe ich angehört, um zu schauen, was man sonst noch so machen kann. Ich wollte mich von dem, was es schon gibt, abheben und ein bisschen etwas Neues erfinden.
Es ist eben doch eine Nische. Bei Dialektmusik heißt es ja oft „Das ist schwierig, das kann man nicht international vermarkten“. Siehst du darin ein Problem?
Anna Buchegger: Ja. (lacht). Es ist voll schwierig für mich als Künstlerin. Ich habe das hauptsächlich der Musik zuliebe gemacht und habe erst danach gemerkt, wie zach das ist, wenn ich mir ein Artistprofil aufbauen möchte. Ich will vor allem auch dieses Coversängerin-Image loswerden, das ich jetzt nach Starmania habe. Ich muss jetzt daran arbeiten, die Festplatte zu überschreiben und mein eigenes Künstlerdasein zu etablieren. Es gelingt mir nicht ganz, weil ich nicht so die Content-Creatorin bin, wie ich festgestellt habe. Aber ich versuch’s.
„ICH WILL DIE TRADITIONEN NICHT SO WEITERGEBEN, WIE SIE EH SCHON SIND“
Auf deinem neuen Album singst du viel über dein „Vaterland“ Österreich – und es klingt nicht unbedingt nach Liebeserklärung. Woher kommt das?
Anna Buchegger: Es ist textlich definitiv keine Liebeserklärung, da spare ich nicht mit Kritik. Aber es ist musikalisch eine Liebeserklärung, das Jodeln und diese traditionellen Elemente – ich brenne für das. Das ist eine Leidenschaft, die ich mitgestalten möchte. Ich will die Traditionen nicht so weitergeben, wie sie eh schon sind, ich will das verändern und neu machen. Oft hängt das ja auch mit politisch rechter Ideologie zusammen, aber ich möchte das auch für junge Menschen, emanzipierte Frauen oder liberalere politische Ansichten attraktiv machen. Ich glaube das Problem ist oft, dass es so ein Stadt-Land-Gefälle gibt. Die verstehen sich voll oft nicht, da gibt es einen Konkurrenzkampf, vor allem einen politischen. Ich bin so dazwischen, ich bin überall daheim.
Ich wohne in einer Großstadt, bin aufgewachsen am Land in einem Provinzkaff. Ich trage das beides in mir – und ich möchte einfach nicht, dass da die ganze Zeit eine Kluft ist. Ich glaube, dass die Interessen gar nicht so verschieden sind, man müsste einfach nur miteinander reden und einander zuhören. Und der populistische Quark macht all das noch viel schlimmer, der spaltet die Gesellschaft noch viel mehr. Deswegen gibt es dieses Album.
Auf dem Land ist ja auch das Kulturverständnis oft ein ganz anderes. Wie kam dein beruflicher Weg in deiner Heimat an?
Anna Buchegger: Ich glaube, dass ich Musik machen will, war immer schon recht auffällig. Ich habe es auch schon immer gemacht – überall, bei jeder Chance, bei jedem Schützenfest und bei jedem Muttertags-Konzert. Im letzten Jahr habe ich versucht, ein paar Kulturinitiativen im Ort voranzutreiben. Das kulturelle Angebot ist nämlich definitiv ein Grund gewesen, warum ich nach Wien gegangen bin. Ich habe das Gefühl, der Tourismus ist in dem Ort, wo ich aufgewachsen bin, so großgeschrieben worden, dass alle anderen Initiativen hintenangestanden sind. Deshalb habe ich probiert, das wieder ein bisschen ins Laufen zu bringen.
Du hast nach der Matura eigentlich begonnen, Germanistik und inklusive Pädagogik zu studieren. Wann wusstest du, dass du dich in der Musik siehst?
Anna Buchegger: Ich habe mehr Spritzer getrunken als Vorlesungen besucht. (lacht) Ich habe ein Jahr Germanistik studiert, und dann ein IGP-Studium, wo es ja einen pädagogischen Teilbereich gibt. Lehramt habe ich nicht fertig gemacht, Instrumental- und Gesangspädagogik habe ich tatsächlich in Wien abgeschlossen. Also ich unterrichte nach wie vor auch ein bisschen nebenbei.
Mittlerweile lebst du schon ein paar Jahre in Wien. Bist du happy hier, ist das der Ort, wo du sein möchtest?
Anna Buchegger: Wien ist ein bisschen wie ein Museum. Es ist besser beschildert als ein Museum. Aber ich find’s voll geil hier. Ich möchte auf jeden Fall noch länger bleiben. Vielleicht zieht es mich irgendwann wieder zurück, wer weiß. Bei mir weiß man nie genau, was passiert.
„ICH MÖCHTE, DASS DIE MUSIK FÜR SICH SPRICHT, UND DIE GEDANKEN, DIE ICH HABE, WEITERTRÄGT“
Vor drei Jahren hast du Starmania gewonnen. Auch, wenn du laut eigener Aussage dieses Coversängerin-Image gerne loswerden würdest – war die Teilnahme ein wichtiger Schritt für deine musikalische Karriere?
Anna Buchegger: Ja. Ich glaube, es hat viel dazu beigetragen, dass ich mir darüber Gedanken gemacht habe, was ich jetzt machen will und wie die Musik klingen soll. Daher war es auf jeden Fall wichtig, dass das passiert ist. Außerdem habe ich sehr viel über das Musikbusiness gelernt, was schon auch notwendig war.
Was zum Beispiel?
Anna Buchegger: Vor allem, wie Showbusiness funktioniert. Da geht es ja nicht wirklich um die Person und den Menschen dahinter, sondern darum, Quote zu erzielen. Und da habe ich gemerkt: Mir geht es um die Musik. Ich möchte, dass die Musik für sich spricht, und die Gedanken, die ich habe, weiterträgt.
„COVERBAND-ZEITEN HABEN IRGENDWIE EIN ABLAUFDATUM“
Dich gab es in der Vergangenheit bereits in einigen Band-Konstellationen. Zuletzt hat man dich mit der LUNGAU BIG BAND gesehen.
Anna Buchegger: Da hatten wir eine kurze Tour Anfang des Jahres, die ist aber jetzt auch wieder vorbei. Jetzt steht gerade viel Programm mit meinem eigenen Projekt an. Ich werde im Herbst sehr viel spielen, am 26. Oktober ein Release-Konzert im Konzerthaus. Das ist auf jeden Fall etwas, weswegen ich schon schlecht schlafe. (lacht) Also aktuell spiele ich hauptsächlich solo, sonst habe ich auch so eine kleine Marching-Band-Partie, mit der ich ab und zu spiele. Wir lassen es gerade ein bisschen schleifen, muss ich gestehen.
Was wurde aus der Band, in der du 2016 bis 2020 gespielt hast?
Anna Buchegger: Oh, das war eine Coverband. Die gibt es noch, aber da bin ich einfach nicht mehr dabei. Es war Corona, und es hat ein paar Diskrepanzen gegeben. Coverband-Zeiten haben irgendwie ein Ablaufdatum. Man kann das nicht für immer machen. Ich wollte meine eigene Suppe kochen, irgendwann muss man da einfach loslassen.
Danke für das Interview!
Katharina Reiffenstuhl
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Live:
26.10.2024, Wiener Konzerthaus, Release Show
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