Eben ist „Sinner Heart’s Soul Food“, das dritte Album von Krooked Tooth erschienen: Jürgen Plank hat mit dem Gitarristen und Sänger Emanuel Preuschl und mit dem Schlagzeuger Martin Peham über Bandeinflüsse wie Mississippi John Hurt genauso gesprochen wie über die Schlagzeug-Rhythmen bei Captain Beefheart. Außerdem geht es im Gespräch um Skateboards und die starke do-it-yourself-Haltung der Band. Am 8. Dezember 2023 kann man Krooked Tooth live gemeinsam mit The Rocksteady Conspiracy im Arena Beisl in Wien erleben.
Ihr benennt eure Musik mit dem Genre Freakblues, was ist damit gemeint?
Emanuel Preuschl: Freaks waren die Typen im London der späten 1960er-Jahre und deren musikalischer Output fußte irgendwo auch im Blues. Es gab aber noch deutlich andere Zutaten, in Richtung Pop. Das Genre Freakblues hat Rainer Krispel beim Interview zu unserem Album „Bad News“ genannt. Ich kann nicht ganz sagen, ob die Wortkreation von ihm ist, aber es trifft ganz gut, was wir machen. Denn was wir machen, erinnert irgendwo schon an The Cream, da gehören auch Leute wie Captain Beefheart dazu, der am neuen Album mit einem Beat gefeatured wird.
Somit lautet die Frage an den Schlagzeuger: Wie ist das mit dem Beat von Captain Beefheart?
Martin Peham: Emi ist mal zu mir gekommen und hat gesagt: bitte schaue dir diesen Groove bei Captain Beefheart an. Ich bin dann wirklich eine Zeitlang gesessen, bis ich draufgekommen bin, wie der Schlagzeuger das gespielt hat, wie er das gemeint hat. Es war für mich eine Herausforderung, den Groove so hinzukriegen. Ich bin Emanuel dankbar dafür. Selbst wäre ich wahrscheinlich nicht auf diese Idee gekommen.
Emanuel Preuschl: Unser Song mit diesem speziellen Groove heißt „Like a Vessel“, die Vorlage heißt „Click Clack“.
Was ist speziell an diesem Rhythmus und wie hast du diesen Input in dein Schlagzeug-Spiel einfließen lassen?
Martin Peham: Es ist ein sehr spannender Triolen-Groove, der in einem duolischen System betont ist. Ich liebe diese Art von Grooves! Alles, was ein bisschen triolisch angehaucht ist und trotzdem über 4/4 und über gerade Takte geht ,und alles, wo sich die Rhythmen verschieben, finde ich genial. Da bin ich voll dabei.
Blues und Americana sind Einflüsse für euch, auch ein Blues-Musiker wie Mississippi John Hurt. Was kann man lernen, wenn man seine Musik hört?
Emanuel Preuschl: Mississippi John Hurt ist ein guter Einstieg, glaube ich, weil wir hier eine Umsetzung von sehr einfachen Harmoniefolgen haben. Die werden dann aber mit einem Wechselbass am Daumen und einer Art Chord-Melodie-Begleitung umgesetzt, die eher unprätentiös ist. Gleichzeitig verspielt und eher fröhlich. Ich habe vor vielen Jahren festgestellt, dass ich interessantere Linien finde, wenn ich nicht mit dem Plektron, sondern mit den Fingern spiele. Deswegen war das für mich ideales Studiomaterial zum Anhören und um zu schauen: wie setzt er das um, sodass es immer einen pumpenden Bass hat und gleichzeitig eine Melodie und fühlbare Akkorde. Textlich und von der Stimmung her, liegt das zwischen Zweifel und Hoffnung und den täglichen Verletzungen des Menschseins, sozusagen. Das ist im Blues immer stark, dass man zwar lamentiert, aber man gibt sich nicht auf. Da sind die frühen Blueser gut, um dieses kämpferische Lamento kennen zu lernen und zu hören.
„DER GITARRENSOUND KOMMT KOMPLETT AUS SELBSTGEBAUTEN INSTRUMENTEN“
Ein Track auf dem Album heißt „Major Taylor“, wer ist das?
Emanuel Preuschl: Das war ein Bahnrad-Rennfahrer. Er war Amerikaner und der erst zweite Athlet, der schwarz und Weltmeister war. Am Weg zum Weltmeister-Titel hat er in einem rassistischen Land einige Hürden nehmen müssen. Obwohl er erfolgreich war, haben manche Veranstalter:innen Segregation betrieben. Ihm wollte ich das ganze Album widmen. Und ich habe für die Gestaltung des Covers eine person of colour gesucht, mit Bezug zum Radsport. Ich habe da aber niemanden gefunden, so habe ich den Albumtitel auf „Sinner Heart’s Soul Food” geändert und das Cover-Art selbst gemacht.
Nicht nur beim Cover, überhaupt ist ein DIY-Spirit für euer Tun wichtig. Wie zeigt sich dieser noch?
Emanuel Preuschl: Der Gitarrensound kommt komplett aus selbstgebauten Instrumenten. Ich habe den Verstärker selbst gelötet, den ich am Album spiele. Die 212er-Box von Chris, über die ich gespielt habe, hat er auch selbst zusammengezimmert. Die Gitarre ist ein eigenes Design von mir, das ich im Happy-Lab selbst hergestellt habe. Den Tonabnehmer habe ich selbst gewickelt. Was wir schaffen, an Auftritten zu organisieren, machen wir auch selbst. Da gibt es kein Management.
Martin Peham: Die meisten organisatorischen Arbeiten macht Emanuel, ich übernehme vielleicht in Zukunft den T-Shirt-Verkauf.
Beim Titel-Track „Sinner Heart’s Soul Food“ hat mich dein Gesang an Elvis erinnert. Wie hat sich das ergeben?
Emanuel Preuschl: Gitarristisch gibt es klare Vorbilder und Stilistiken, die ich versucht habe, zu erlernen und einzubringen. Beim Gesang habe ich in den letzten Jahren immer mehr Mut zur eigenen Stimme gefunden und bin vom Register her deutlich nach oben gerückt. Ich wollte immer singen wie Howlin’ Wolf. Aber das geht sich mit meiner Stimme einfach nicht aus. Aber so eine massive, laute Stimme, die ein bassiges Fundament hat, war mein Vorbild. Deswegen finde ich es jetzt witzig, dass du Elvis erwähnst, der ja auch ein richtig tolles Organ hat, vor allem im Bass. Es wäre natürlich cool, wie Elvis zu klingen.
Martin Peham: Ich denke für mich nie in Genres. „Click Clack“ von Captain Beefheart habe ich zum Beispiel nicht gekannt. Ich bin auch in anderen Bands tätig und jede Band ist ein anderes Genre und ich liebe es verschiedene Genres miteinander verschmelzen zu lassen und mein Ding daraus zu machen. Zu den Melodien, die Emi mitbringt, probiere ich einfach das aus, was sich gut anfühlt. Und dann kommt eh das Feedback: ja oder nein.
„ICH SPIELE STÄNDIG IRGENDETWAS AUF DER GITARRE, ABER IRGENDWELCHE RIFFS BLEIBEN, DIE BEGLEITEN MICH DANN FÜR EINE ODER ZWEI WOCHEN“
Wie ist das bei dir, beim Schreiben der Stücke?
Emanuel Preuschl: Zuerst ist ein Riff da. Ich spiele ständig irgendetwas auf der Gitarre, aber irgendwelche Riffs bleiben, die begleiten mich dann für eine oder zwei Wochen. Wenn die bleiben, versuche ich sie, festzunageln und daraus einen Song zu machen. Das sind meist Ideen, die Rock und Blues haben. Die Musik, die ich auch selbst gerne höre, sei es alte Sachen von Jimi Hendrix oder neue Interpreten wie Jon Spencer, der mit seinen argen Sounds dem Blues noch eine Facette hinzufügt. Wichtig ist, dass die Musik ordentlich groovt. Ich möchte nicht, dass irgendetwas im Selbstmitleid versinkt, auch wenn ich mal ein schwieriges Thema anspreche. Ich möchte nicht, dass es niederschmetternd rüberkommt, es soll eher motivierend sein. Es gibt auf der Platte ja auch einen Streikaufruf, bei „Cooking“ geht es um Arbeitsniederlegung.
Du lieferst mir genau die Stichwörter, die ich mir notiert habe: nämlich, dass eurem Blues die Schwere fehlt. Und den Song „Cooking“ habe ich mir auch notiert, was ist die Idee hinter diesem Lied?
Emanuel Preuschl: Ich habe mal in einem Betrieb gearbeitet, der Fahrräder herstellt hat. Dort ging es darum, dass mir vom Management untersagt wurde in der gemeinsamen Küche zu kochen. Ich war richtig sauer und das ist der Text dieses Songs. Gestreikt haben wir dann nie.
Also kein Hungerstreik. Damit zu einem anderen Thema: es gibt ein Video, das euch auf Skateboards zeigt.
Martin Peham: An diesem Nachmittag hat es uns nicht gefreut, zu proben. Deswegen waren wir Skateboard-Fahren. Die anderen fahren schon seit ihrem 16. Lebensjahr oder noch länger. Am Longboard bin ich da irgendwie der Außenseiter, aber sie haben mich akzeptiert. Wie man im Video sieht, bin ich der Einzige, der mit voller Schutzausrüstung fährt, weil ich mich nicht anders getraut habe. Wir mussten sogar – ich schätze in Skater-Manier – über den Zaun klettern, um auf den Skate-Platz zu kommen, weil der Skate-Platz eigentlich gesperrt war. An diesem Tag habe ich meinen ersten Sprung – einen Ollie – geschafft.
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Emanuel Preuschl: Das war in der Corona-Zeit und wir haben die Probe verschoben, weil wir auf ein Testergebnis gewartet haben. Und weil wir gewartet haben, haben wir das Skaten vorgezogen und das Material für das Video gedreht.
Angesichts eurer musikalischen Ausrichtung würde ich vermuten: Rolling Stones und nicht The Beatles?
Emanuel Preuschl: Ich sage immer: Die Stones haben es länger geschafft. Die sind zueinander wahrscheinlich Ungustln, aber für ihr Maß an Wollen über viele Jahre haben sie meinen großen Respekt. Was das Songwriting betrifft, höre ich lieber Beatles-Songs. Der Sound ist wieder etwas anderes, damals waren die technischen Möglichkeiten einfach anders.
Martin Peham: Ich bin da eher bei den Stones, da sind wir unterschiedlich. Ich finde die Beatles super, vor allem wenn Schlagzeuger Ringo Starr einfach nur die Toms spielt und die Leute tanzen dazu, dann stimmt, was Dave Grohl in einem Interview mal gesagt hat: he’s a fucking bad ass. Sonst bin ich doch eher ein Fan von Charlie Watts, weil der ein Jazzer ist, der Rock spielt und da sehe ich mich eher. Ich bin eher bei den Stones und vielleicht macht das uns als Band aus.
Wenn ihr euch als Band weiterdenkt: wo steht ihr in ein paar Jahren aufnahmetechnisch, erfolgstechnisch?
Emanuel Preuschl: Ein Ziel bei Aufnahmen ist für mich immer, möglichst die Energie einzufangen, die wir live bringen können. Die nährt sich aus einer riesigen Spielfreude, die gilt es zu erhalten. Mein Eindruck ist der: wenn die auf der Bühne Spaß haben, springt das meist aufs Publikum über. Die Party machen sowieso die Leute vor Ort. Ich würde auch gerne mehr außerhalb von Wien spielen. Ich sehe unsere Musik durchaus kompatibel mit vielen Musikgeschmäckern, ich kann mir vorstellen Zeltfeste spielen zu können, ohne die Leute zu überfordern.
Martin Peham: Das sehe ich ähnlich. Ob es ein Feuerwehr-Zeltfest sein muss, wie ich es aus meiner Jugend kenne, weiß ich nicht, denn ich bin am Land aufgewachsen. Aber es gibt genügend kleinere Festivals, zu denen wir gut hinpassen könnten. Wenn das dann das Zeltfest ist, dann auch gerne dort, ich schließe nichts aus.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Krooked Tooth live:
Fr 8.12.2023, 21 Uhr
Arena Beisl, Baumgasse 80, 1030 Wien
gemeinsam mit The Rocksteady Conspiracy
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Links:
Krooked Tooth
Krooked Tooth (bandcamp)
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