„Ich wachse immer mehr in dieses Format ‘Song’ hinein“ – DANIEL PABST im mica-Interview

Vor vier Jahren ist das letzte Album von PABST erschienen. Warum es bis zum neuen Album „Inanition“ so lange gedauert hat, was seitdem alles passiert ist und wie es zum Comeback gekommen ist, erzählt DANIEL PABST im Interview mit Jürgen Plank. Ein Gespräch über musikalische Experimente, die Oper und Musik als Notwendigkeit zum Überleben.

Du hast vor kurzem dein Comeback-Konzert gegeben, wie kam es dazu?

Daniel Pabst: Wir haben ja die Platte schon vor vier Jahren aufgenommen und ich hatte damals gedacht: ich habe wieder viel Arbeit in die Platte gesteckt und dann rennt das in Österreich wieder in den denselben Bahnen, mit einigen Rezensionen und drei bis vier Konzerten – das wollte ich nicht mehr. Dann kam eine Reihe von Unglücken auf mich zu. Ich hatte eine Operation wegen der Nebenhöhlen und wäre dabei fast verblutet. In den Jahren danach hatte ich relativ unangenehme Nebenwirkungen. Daher war es energetisch nicht wirklich möglich, Musik zu machen und daher habe in dieser Zeit auch sehr wenig gemacht. Aber ich habe weiterhin zu Hause Lieder geschrieben. Im Sommer 2019 habe ich gemerkt, dass mir das Projekt doch sehr abgeht und es mir auch eigentlich vollkommen egal ist, ob es erfolgreich ist oder nicht. Ich habe gemerkt, dass ich das Musikmachen brauche, um ein besseres Leben zu haben.

„In mein Projekt kann ich einfach alles hineinpacken, was mich interessiert”

Über euch ist zu lesen: wir sitzen zwischen den Stühlen. Wie ist es da? Ist es zwischen den Stühlen – musikalisch gesehen – gemütlich, weil da genügend Platz ist?

Albumcover “Inanition”

Daniel Pabst: Für mich schon. Wenn man aber den Stress hat, dieses Produkt zu vermarkten und zur finanziellen Grundlage seines Lebens zu machen, dann ist es wahrscheinlich sehr unbequem zwischen den Stühlen zu sitzen, weil das nun mal ein Nischenprodukt ist, für das es in Österreich so gut wie gar keinen Markt gibt. International ist der Markt dafür auch nicht riesig. Nachdem ich mir das abgeschminkt habe, ist es da sehr bequem. Ich höre selbst sehr viel verschiedene Musik. Ich habe Jazz studiert und mache seit rund 10 Jahren Singer-Songwriting, ich habe auch eine Oper komponiert und mich immer für E-Musik interessiert. In mein Projekt kann ich einfach alles hineinpacken, was mich interessiert. Egal ob Experimentelles oder Melancholisches, minimalistisches Singer-Songwriting oder komplexere rhythmische Strukturen: es hat alles Platz. Das fühlt sich für mich sehr natürlich an, ist aber wahrscheinlich nicht gerade massentauglich. Aber wer will schon massentauglich sein?

Andererseits zur Massentauglichkeit: wir sitzen hier in der Nähe der Staatsoper, die auch heute Massen anzieht. Wie kam es, dass du eine Oper komponiert hast?

Daniel Pabst: Das war der Versuch, etwas Neues zu machen und sehr lustig für mich. Ein Freund hatte das Gefühl, dass er für ein Opernprojekt einen zweiten Komponisten braucht und wir haben uns die Arbeit aufgeteilt und ein Jahr lang komponiert. Wir hatten tolle Musiker dabei, die meisten vom Klangforum Wien. Es war eine Kammeroper und dabei durften wir auch viel experimentieren. Das war eine tolle Arbeit, die mir viel Spaß gemacht hat.

Experimentell hast du als Schlagwort schon erwähnt. Ich habe das neue Album so gehört, dass es weniger in Richtung Experiment, sondern mehr in die Richtung von Songstrukturen geht, die leichter zu fassen sind.

Daniel Pabst: Ja. Wenn man das Album mit den beiden Alben davor vergleicht, verhält es sich genau so. Es ist weniger Experiment als beim ersten und zweiten Album. Das erste Album war ja ein pures Experiment und darauf haben manche Leute relativ kontrovers reagiert. Das Experiment ist nach wie vor drinnen, es gibt einige Stellen, die wir auch im Studio relativ frei aufgenommen haben. Aber vieles ist mit klaren rhythmischen Songstrukturen gearbeitet. Ich würde sagen: ich wachse immer mehr in dieses Format ‘Song’ hinein. Damit beschäftige ich mich im Moment hauptsächlich und das hört man beim neuen Album auch.

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Und es geht zum Teil ziemlich rockig zu.

Daniel Pabst: Ja! Das hat zwei Seiten: zum einen stammen die Lieder aus einer Zeit, in der es mir ziemlich gut gegangen ist. Da war viel Energie in meinem Leben und das hat sich in der Interpretation der Lieder niedergeschlagen. Zum anderen ist meine Stimme über die Jahre auch gewachsen. Vor zehn Jahren war das Stimmvolumen noch nicht so groß, damals bin ich eher in transparenten Strukturen geblieben, jetzt gibt es da mehr dynamische Möglichkeiten. Wir mutieren aber nicht zu einer Rockband, auch live nicht.

Einmal gibt es sogar zweistimmige E-Gitarren zu hören, das erinnert an die 1980er Jahre.

Daniel Pabst: Ja, genau. Wir haben eh schon gewitzelt: ich komme ja aus einer anderen Zeit, ich bin doch schon ein wenig älter. Darüber haben wir schon im Proberaum gelacht, da klingen die 1980er und 1990er Jahre durch.

Bild Daniel Papst
Daniel Pabst (c) Paul Feuersänger

„Ich hasse Humor in der Musik“ 

Ist das eine bewusst gesetzte Reminiszenz oder hat sich das einfach ergeben?

Daniel Pabst: Wir haben es mal ausprobiert und irgendwie hat es mir gefallen. Ich habe die 1980er und 1990er geliebt, auch die 1970er, was Popularmusik angeht, weil Songstrukturen noch komplexer waren und durchaus experimentierfreudige Bands ein großes Publikum erreichen konnten. So gesehen: ja, ein absoluter Kniefall vor dieser Zeit. Andererseits ist es auch ein bisschen lustig. Ich hasse Humor in der Musik. Aber da ist es mit mir durchgegangen. Für mich vermittelt das Album eine optimistische Stimmung und das hat mir ganz gut gefallen. Allein schon von den Texten her beinhaltet es nicht nur heiteren Sonnenschein, aber: ich weiß, dass ich musikalisch auch viel hoffnungsloser arbeiten kann.

Denkst du in Bezug auf experimentierfreudige Bands, die größeres Publikum erreicht haben, eher an Grateful Dead oder an Joni Mitchell oder an andere Leute?

Daniel Pabst: Ich denke zum Beispiel an David Bowie, der ja wirklich konzeptuelle Alben gemacht hat, die einen durchaus intellektuellen Kontext hatten und bei denen Songstrukturen erstaunlich komplex waren und oft in Form einer Kunstperformance stattgefunden haben. Das ist heute im Verbund mit Popularmusik eher seltener. Es gibt natürlich viele Bands, die komplexe Songstrukturen haben, aber die sind nicht so berühmt wie David Bowie. Später, in den 1990er Jahren gab es von Radiohead Alben, die komplett unterschiedlich sind und experimentell waren. Mit komplexen, sich zum Teil überlagernden Rhythmen.

Du bist auch Fotograf, was ist der Unterschied zwischen der Tätigkeit als Musiker und der als Fotograf?

Daniel Pabst (c) Paul Feuersänger

Daniel Pabst: Den Unterschied habe ich in den letzten Jahren für mich gut herausgearbeitet, weil ich in dieser Zeit so wenig Musik und so viel Fotografie gemacht habe. Ich mache vor allem Architekturfotografie, da bin ich fast immer alleine unterwegs, zuhause arbeite ich wieder alleine an den Fotos. Nachdem ich keine rege Ausstellungstätigkeit und nicht jeden Monat eine Ausstellungseröffnung habe, habe ich da nicht so viel soziale Interaktion. Das ist der Unterschied zur Musik: ich habe immer in Bands gearbeitet, in Ensembles. Die Musik war immer mein soziales Netzwerk. Die Möglichkeit die eigene Musik mit den anderen zu teilen, weil die Band mein Material interpretiert und tolle Ideen dazu hat – das war für mich immer etwas Großartiges und das ist es nach wie vor. Das Comeback, wie ich es genannt habe, ist ein Zurückkommen zu guten Freunden und fühlt sich sehr gut an.

„Bilder lassen bei mir auch Klänge entstehen“ 

Inspirieren dich Fotos zu Musik bzw. umgekehrt?

Daniel Pabst: Immer mehr, das muss ich schon sagen. Ich arbeite auch mit Film und mache dazu zum Teil Musik. Bilder lassen bei mir auch Klänge entstehen. Die Zeit, in der ich fotografiere, ist eine starke Begegnung mit mir selbst, insofern gibt es da eine immer stärkere Verquickung zwischen diesen Ebenen. Im April soll es ein Projekt geben, bei dem ich live einige Stummfilme vertonen werde.

Wie wäre ein positives Szenario für die Zukunft von Pabst und das neue Album?

Daniel Pabst: Ich spiele gerne Konzerte und ich habe den Luxus, dass ich nicht davon leben muss. Aber ich brauche das zum Überleben. Ohne Musik lebe ich deutlich schlechter, insofern habe ich eh keine andere Wahl. Klar wünsche ich mir, dass das ein paar Leuten gefällt, das ist natürlich immer das Beste: man spielt ein Konzert und die Leute sagen, dass das toll war oder dass ihnen das neue Album gefällt. Das braucht man hin und wieder. Aber es ist nicht nur das: alleine das Zusammenarbeiten mit interessanten Menschen ist für mich der größte Wert in dieser Sache.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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PABST live
30.1.2020
fluc, Praterstern, 1020 Wien
21:30h

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