Ihre Kindheit hat MAJA JAKU im Kosovo verbracht, im Zuge der Kriege in der Region ist sie nach Österreich geflüchtet und lebt seitdem hier. Eben hat die Jazz-Sängerin ihr viertes Album „Soul Searching“ veröffentlicht. Mit Jürgen Plank hat MAJA JAKU über Spiritualität genauso gesprochen wie über ihre inspirierenden Lehrer:innen und warum sie selbst gerne Gesang unterrichtet. Eine Zeitlang hat MAJA JAKU in Graz gelebt, dort findet eine Albumpräsentation am 3. Februar 2023 im Stockwerk statt.
Dein neues Album trägt den Titel „Soul Searching“, auf welche Suche hast du dich denn begeben?
Maja Jaku: Es ist die Suche nach allem, was eine Seele hat. Ich komme ursprünglich vom Balkan und ich bin ein Bauchmensch. Natürlich habe ich Musik studiert und gelernt und ich setze mein Gehirn ein, aber diese „soul“ ist eine gewisse Wärme. Da geht es darum, nicht falsch zu sein. Diese Haltung kann im Alltag in kleinen Dingen präsent sein. Man merkt es zum Beispiel, wenn man zum Arzt geht und nicht gut behandelt wird. Man kann auch einen schlechten Tag haben, aber ich suche diese „soul“: einen wahren, empathischen, echten Umgang miteinander. Vor allem auch einen ehrlichen Umgang miteinander. Es geht nicht darum zu sagen, dass die Menschen lieb sein sollen, das ist nicht genug. Wir müssen uns gegenseitig spüren. Ehrlich und echt sein, mit Empathie authentisch sein, in kleinen wie in großen Zusammenhängen.
Das Album hat eine Verbindung zu den U.S.A., was kannst du dazu erzählen?
Maja Jaku: Genau. Natürlich hatte ich in den letzten Jahren viele Auftritte und Konzerte, es gab im Jahr 2018 die Single „Cross My Heart“, die Alex Deutsch produziert hat. Und ich hatte auch schon eine Kooperation mit dem Produzenten von Erykah Badu. aber ich wollte ein neues Album machen und habe mich gefragt: Was will ich mitteilen? Ich habe in den U.S.A. einen guten Freund, der ein sehr aktiver Musiker ist und mich gut kennt. Ich habe meinen Freund in San Diego angerufen und gesagt: Du kennst mich schon so lange. Wie war ich vor 30 Jahren? Und er hat geantwortet: Du hast immer etwas zwischen Jazz und Pop gemacht. Auch zwischen Jazz und Soul oder Neo Soul. Ich habe ihn dann gefragt, ob er jemand kennt, der in diese Richtung Musik komponiert, ein bisschen retro, wie früher bei Blue Note Records. Denn mit Alben von Blue Note bin ich groß geworden. Und so ist diese Kooperation mit Dave Scott entstanden, der Songs schreibt, die jazzig arrangiert werden.
Du hast bei einer Künstlerin von Blue Note studiert, bei Sheila Jordan. Was kann man sich von so einer Lehrerin abschauen?
Maja Jaku: Sehr viel! Ich habe mir gedacht: wenn ich nicht bei ihr lernen würde, würde es auch genügen sie als Person zu kennen. Ich bin noch heute mit ihr in Kontakt, sie hat immer an mich geglaubt und hat mir sehr viel „Jazz-Blessing“ gegeben. Sie ist eine Künstlerin und das ist in ihrem Fall ein kleines Wort: sie ist eine Persönlichkeit, eine Jazz-Legende. Beim Jazz-Studium in Graz war sie unsere Mama, ich bekomme Tränen in den Augen, wenn ich von ihr erzähle. Sie hat mein Leben geformt, das haben alle meine Professor:innen.
Inwiefern?
Maja Jaku: Ich kam mit 18 Jahren aus dem Kosovo nach Österreich, mit schwachen Englisch- und keinen Deutschkenntnissen. Direkt zu Lehrer:innen wie Sheila Jordan. Das sind meine Gurus und das sind sie auch heute noch.
Gleich das Eröffnungsstück „Rise and Shine“ deines neuen Albums nimmt die ganze Welt in den Blick. Der Text thematisierst Umweltthemen und ein friedliches Miteinander.
Maja Jaku: Das ist ein positiver Text und das war mir wichtig, denn ich tendiere dazu, düstere, gesellschaftskritische Texte zu schreiben. Die Lyrics hat Dave Scott geschrieben und die waren absolut auf meiner Linie. Er sagt aus, dass wir gemeinsam, miteinander ein Paradies erschaffen können. Let’s do it! Ein Paradies ohne Hass, ohne Krieg, ohne Umweltverschmutzung. Welcher kreative Mensch wünscht sich das nicht? Der Text hat mich mitgenommen, ich fühle dabei etwas und deswegen singe ich dieses Lied.
Im Stück „Be real“ singst du die folgende Zeile: „try to be a honest soul“. Was macht denn für dich eine „honest soul“ aus?
Maja Jaku: Ein Beispiel: Oft wird Kommunikation in verschiedene Umschläge verpackt. Ich unterrichte auch Gesang und da sehe ich, wie wichtig es ist, Student:innen ehrlich zu sagen: das war jetzt nicht so gut, du kannst das besser. In „Be real“ geht es auch darum, liebevoll zu sein. Stehe dazu, sei wie du bist und sei ehrlich, ohne etwas mit deinen Worten zu verschleiern. „Be real“ heißt nicht, böse zu sein, sondern dazu zu stehen, was einem gefallen hat und was nicht. Der Mensch ist ein intuitives Wesen und spürt schon, wenn etwas verschleiert wird.
Auf deiner neuen Platte gibt es ein Stück mit dem Titel „Power to the people“, in dem Martin Luther King direkt angesprochen wird und auch John Lennon hat ein Lied von sich mit diesem Titel versehen. Inwiefern beziehst du dich auf Lennon?
Maja Jaku: Nein, ich beziehe mich nicht auf ihn, aber ich kenne John Lennon natürlich, das war ein phantastischer Musiker. In „Power to the people“ geht es um die Macht: was können Menschen für andere Menschen tun. Alles, was wir bekommen, bekommen wir von anderen Menschen. Sowohl positive als auch negative Inputs. Wir befinden uns alle in einem Gefüge. Wenn ich etwa eine Rückmeldung zu einem Album brauche, bin ich mit dir in Kontakt. Wenn ich einen Auftritt brauche, muss ich einen Veranstalter anschreiben. Wir arbeiten sehr viel miteinander und vergessen immer, wie kraftvoll wir miteinander sind und was wir alles machen können. Wir vergessen aber nur zu leicht, wie kraftvoll wir selbst sind, wenn wir einander unterstützen. Das ist eine große Stärke. Dieser Titel läuft übrigens gerade auf Radio Swiss Jazz in Rotation und das ehrt mich sehr.
Ich höre zwischen deinen Worten immer wieder buddhistische Ansätze heraus. Hast du in diese Richtung Verbindungen?
Maja Jaku: Nein. Ich bin grundsätzlich spirituell. Ich wache mit der Idee auf: Was kann ich heute Gutes machen? Wen kann ich mit meiner Musik berühren? Was kann ich tun? Wenn man nicht mit dem Bedürfnis aufsteht, die Welt für mindestens fünf Minuten pro Tag besser zu machen, dann hat meiner Meinung nach wenig künstlerisches Potenzial.
„Jeder Mensch hat seinen Blues“
Inwiefern ist das Stück „My blues“ autobiographisch? Da singst du davon, dass auch die schmerzhaften Momente und Erfahrungen den Menschen zu dem machen, der er ist.
Maja Jaku: Ja, das Stück ist auch autobiographisch. Ich glaube, jeder Mensch hat seinen eigenen Blues. Mir hat zum Beispiel Sheila Jordan gesagt: Packe deinen Schmerz und deine Freude in deine Musik! Blues hat oft einen Zugang zum Schmerz, am Ende eines Blues-Stückes gibt es manchmal eine ironische Wendung und die Botschaft, dass man es doch schaffen kann.
Was ist noch autobiographisch in diesem Lied?
Maja Jaku: Ich singe über mich, über meine Mutter, die mich im Alter von 17 Jahren auf die Welt gebracht hat. Darüber, dass ich mit Jazz-Musik groß geworden bin und im Kosovo viel Angst hatte.
Und dass ich nach Österreich gekommen bin, wo ich keine Angst mehr haben musste. „I lost my country, i lost my friends“, heißt es im Text, das stimmt tatsächlich: ich habe mein Land verloren und viele Freunde von mir sind im Krieg gefallen. Aber: der Blues, dieses melancholische Ich, mit all seinem Schmerz, ist mir immer geblieben und das ist auch schön.
„Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich meine Erfahrungen weitergeben kann“
Sein Heimatland zurück zu lassen, ist keine einfach Sache und Menschen zu verlieren, kann auch traumatisch sein. Inwiefern ist denn Musik für dich ein Ventil, etwas für dich selbst zu verarbeiten?
Maja Jaku: Ja, die Bühne allgemein ist eine Art Therapie. Man therapiert sich selbst, aber man muss etwas geben. In diesem ehrlichen Geben und Nehmen liegt eine Kraft, denn das ist nährend. Wenn ich etwas gebe, erzeuge ich eine Reaktion. Die Musik, die wir auf der Bühne spielen, ist ein Seelenfutter für das Publikum. Und dessen Reaktion ist mein Seelenfutter. Dieses Geben und Nehmen ist therapeutisch. Für mich und für die Menschen, die die Musik hören. Denn es geht im Bereich Kunst um wahre Gefühle.
Du unterrichtest Gesang, wie wichtig ist dir das?
Maja Jaku: Das ist mir sehr wichtig, ich lerne dabei sehr viel. Es ist eine ganz andere Dynamik mit jungen Leuten umgeben zu sein. Es macht mich lebendig, aktiv und ich lerne auch von diesen jungen Leuten. Sie sind anders und ich lasse sie anders sein. Dieses Stück Musik an sie weiter zu geben, ist das Beste, was mir passieren konnte. Unterrichten kann sehr kreativ sein, wenn man das kreativ sieht. Alles, was ich von meinen Lehrern und Lehrerinnen Sheila Jordan, Andy Bey, Mark Murphy und Jay Claytonbekommen habe, kann ich jetzt zurückgeben. Das ist Jazz- und Populargesang und es ist einfach toll zu sehen, wie sich die Schüler:innen entwickeln. In meiner Klasse gibt es auch viele Singer-Songwriter:innen, Wien hat da diese wunderschöne Szene von jungen Leuten, die mit Gitarren spielen und etwas erzählen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich meine Erfahrungen weitergeben kann.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Live:
03.02.2023: Stockwerk, Jakominiplatz 18, Graz
24.03.2023: Roter Salon, Wipplingerstraße 20, Wien
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