140 Komponistinnen und Komponisten, Songwriterinnen und Songwriter aus ganz Österreich besuchten den ersten AUSTRIAN COMPOSERS’ DAY im September 2014. Die Initiative dazu setzte der Komponist ALEXANDER KUKELKA, der im April letzten Jahres die Präsidentschaft des ÖSTERREICHISCHEN KOMPONISTENBUNDES (ÖKB) antrat. Was man vom heurigen COMPOSERS’ DAY erwarten darf und wie ALEXANDER KUKELKA die Situation der Musikwirtschaft und der Beteiligten einschätzt, verriet er Doris Weberberger.
Ihre Präsidentschaft hat vor fast eineinhalb Jahren begonnen. Der Austrian Composers’ Day, der letzten September zum ersten Mal stattfand und heuer am 17. Oktober eine weitere Ausgabe erfährt, war gleich eines Ihrer größeren Projekte. Was hat den Ausschlag dafür gegeben?
Alexander Kukelka: Aufgrund der äußeren Umstände rund um das Urheberrecht und der damit einhergehenden Herausforderungen habe ich jeweils ein Basisformat in zwei wichtigen musikalischen Bereichen initiiert, nämlich einerseits den Austrian Composers’ Day im Oktober und den Austrian Film Music Day im März. Diese Informationstage an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) sind zwar keine eingetragenen Lehrveranstaltungen, aber sie werden als zusätzliches Lehrangebot von der mdw unterstützt, was großartig ist, weil die Studierenden über die Umsetzung und Verwertung ihres Werkes informiert sein sollten. Dies zu leisten, sehe ich als unsere Verpflichtung. Betreffend Urheberrecht gibt es nicht nur unter der Studentenschaft noch erheblichen Informationsbedarf.
„Die Tools der klassischen Wertschöpfung sind immer noch wesentlich.“
Sie sprechen konkret die Novellierung des Urheberrechts und die Festplattenabgabe an.
Alexander Kukelka: Das Urheberrecht und die Festplattenabgabe sind natürlich im Moment Reizthemen, trotzdem rufe ich dazu auf, diese Felder nicht isoliert zu betrachten. Die Festplattenabgabe ist eine Erweiterung der Leerkassettenvergütung. Hier handelt es sich um eine echte Vergütung, die nicht durch eine etwaige Haushaltsabgabe oder Ähnliches kompensiert werden kann. Das Thema „Urheberrecht“ ist heuer der Kernpunkt, weil wir rund um die Verwertungsgesellschaften diese Mechanismen erklären wollen. Trotz des eklatanten Einbruchs des physischen Tonträgermarktes sind die Tools der klassischen Wertschöpfung für die Musikurheberinnen und Musikurheber immer noch wesentlich. Für die Nutzung eines Werkes müssen die Konsumentinnen und Konsumenten grundsätzlich zahlen. Wenn sie ein Apple-Gerät kaufen, zahlen sie auch die Patentrechte mit und nehmen das ohne Kommentar in Kauf. Wir wollen auch darauf hinweisen, wie wichtig in diesem Zusammenhang eine Differenzierung des in Europa verwurzelten Autorenrechts und des international gebräuchlichen Copyrights ist.
Diese Zusammenhänge spiegeln sich auch im Programm wider, in dem sowohl die Vertreterinnen und Vertreter von Verwertungsgesellschaften und der Musikwirtschaft wie auch Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Genres zu Wort kommen.
Alexander Kukelka: Im letzten Jahr haben wir vor allem Vernetzungs- und Förderstrukturen aufgezeigt, heuer konzentrieren wir uns darauf, wie man Geld mit seiner Musik verdienen kann. Das Impulsreferat hält diesmal Clemens Wenger von 5/8erl in Ehr’n. Er wird von seinen Erfahrungen als Musiker, Komponist und Musikproduzent in diversen Genres bis hin zu Film- und Medienmusik erzählen.
Andy Baum wird aus der Sicht eines Komponisten und Musikers über die Situation des Urheberrechts bis hin zur Festplattenabgabe berichten und erläutern, wie man diesen Anforderungen gerecht werden kann und welche Anpassungen notwendig wären. Gernot Graninger, Generaldirektor der AKM, liefert seine Expertise darüber, was eine Verwertungsgesellschaft leistet. Thomas Böhm vom Verband der Österreichischen Musikwirtschaft IFPI erklärt, wie der österreichische Musikmarkt funktioniert, und erläutert die aktuellen Tendenzen.
Barbara Bastirsch, Leiterin des Geschäftsbereich Tantiemen bei der AKM, wird für uns ein Abc der erfolgreichen Werkanmeldung und Abrechnung liefern. Ganz simple, aber wichtige Fragen werden geklärt: Wie melde ich meine Werke bei der AKM an? Wie erhalte ich für die Sendung, Aufführung und Vervielfältigung meiner Werke Tantiemen? Auch zeigt sie, wie man Programme nachreicht, wie und wo man eventuell etwas reklamiert.
Das darauffolgende Panel beschäftigt sich mit der klassischen Frage „KomponistIn? Und wovon leben Sie?“. Dazu befragt Irene Suchy sehr erfolgreiche Komponistinnen und Komponisten aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Johanna Doderer (E-Musik), Viola Falb (Jazz, experimentelle Musik), Sebastian Arman (Pop), Hanneliese Kreißl-Wurth (Schlager) und Marcus Nigsch (Pop-, E- und Filmmusik).
Das zweite Panel widmet sich den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Werkverbreitung: Walter Gröbchen von monkey music überblickt den Musikbereich schon über eine lange Zeit, ebenso Komponist, Musikproduzent und AKM-Vorstandsmitglied Peter Janda. Matthias Losek, künstlerischer Leiter von Wien Modern, vertritt den Bereich Neue Musik. Morgana Petrik bringt ihre Expertise als Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik (ÖGZM), Vizepräsidentin des ÖKB und Geschäftsführerin des neu gegründeten MetaMusic Kulturservice ein. Susanna Niedermayr berichtet als Redaktionsleiterin der Neuen Musik im ORF Ö1. Elisabeth Schwaiger als Geschäftsführerin von Schwaiger Musik Management legt dar, was Managerinnen und Manager im Musikbusiness leisten. Robert Klembas von Rebeat berichtet über Angebote des digitalen Marktes.
„Wir sind davon überzeugt, dass das Autorenrecht in den Händen der Autorinnen und Autoren am besten aufgehoben ist.“
Wie schätzen Sie die derzeitige musikwirtschaftliche Lage ein?
Alexander Kukelka: Der Onlinemarkt wächst rasant, aber Tatsache ist, dass die Erträge daraus am Ende des Tages größtenteils nicht in den Taschen der (heimischen) Urheberinnen und Urheber landen. Eine ständige Diskussion ist, bei wem das Autorenrecht liegen soll. Wir sind davon überzeugt, dass das Autorenrecht in den Händen der Autorinnen und Autoren am besten aufgehoben ist. Internationale Labels und Industrien hingegen wollen sich ihre Verwertungsanteile über das Copyright sichern.
Der ORF ist einer der wichtigsten Partner der heimischen Musikschaffenden. Tantiemen für nicht österreichische Programminhalte fließen aber ins Ausland ab. Wenn mehr Österreicherinnen und Österreicher in den Programmen berücksichtigt werden, kann aus der Pauschalzahlung des ORF an die AKM mehr Geld im Land bleiben. Dadurch werden die heimischen Künstlerinnen und Künstler gestärkt und fühlen sich vermehrt beflügelt, Neues zu komponieren. Es geraten mehr Werke in den Wertschöpfungskreislauf, mehr Werke werden lizenziert, abgerechnet und so weiter. Man sollte sich, meines Erachtens, mehr als Teil dieser Landschaft begreifen – künstlerisch, aber eben auch musikwirtschaftlich. Komponistinnen und Komponisten, die ihre Werke auf Onlineplattformen stellen, haben vielleicht 300.000 Aufrufe, aber verdienen damit kaum etwas. De facto nützt das wirtschaftlich weder ihnen noch der heimischen Branche.
Wie sehen Sie die Einnahmequellen für Kunstschaffende – insbesondere für Komponistinnen und Komponisten – konkret?
Alexander Kukelka: Wir müssen uns leider von Erträgen, die noch vor zehn oder 20 Jahren möglich waren, verabschieden. Eine Onlineverkaufsplattform bringt der Urheberin beziehungsweise dem Urheber pro Song einen Betrag im Cent-Bereich. Zwischen 10.000 Klicks und 10.000 verkauften Platten liegen Welten.
Livedarbietungen hingegen stellen immer noch eine attraktive Einkommensquelle dar. Viele Künstlerinnen und Künstler forcieren ihre Konzerttätigkeit und erhalten neben ihren üblichen Gagen auch Einnahmen über die Lizenzierung ihrer Werke.
Problematisch ist, dass viele Junge hören, dass Verwertungsgesellschaften „Abzockgesellschaften“ sind, und sie ihre Musik deshalb lieber über Onlineplattformen verkaufen. Sie vergessen, dass etwa die AKM aus dem Stamm der Komponistinnen und Komponisten gewachsen und eine Solidargemeinschaft ist. Sie kann letzten Endes nur dann funktionieren, wenn weiterhin viele Werke angemeldet, lizenziert und abgerechnet werden.
Ein Rückblick auf die letzten eineinhalb Jahre und ein Blick in die Zukunft: Was hat sich für Sie aus den letzten beiden Jahren herauskristallisiert?
Alexander Kukelka: Die Hermetik zwischen den Stilen ist ein historisches Gespenst. Die Künstlerschaft experimentiert wild herum, sie lässt sich immer weniger in klar abgegrenzte Kategorien einteilen. Die Genres haben aber unterschiedliche Bedürfnisse – die Popmusik andere als die E-Musik, das Wienerlied andere als der Jazz. Wir sehen es als unsere Aufgabe, der Vielfalt Raum zu geben. Es tut der Musik grundsätzlich gut, sich nicht von vornherein spartiert und eingegrenzt zu sehen. Meine Erfahrung bei uns im Verband ist, dass sich starre ästhetische Haltungen zunehmend auflösen und alle bei uns vertretenen Genres und Strömungen grundsätzlich gut nebeneinander und auch miteinander leben. Das gehört für mich mit zum Erfreulichsten.
„Ich verstehe mich als Biotopbauer.“
Wie ist das Verhältnis zu den anderen Komponistenverbänden?
Alexander Kukelka: Sehr gut. Wir sind in einer sehr kooperativen Bürogemeinschaft zusammen mit den Verbänden IGNM, INÖK und ÖGZM. Alle vier Vereine haben ihre spezifischen Aufgabenbereiche. Es ergeben sich aber auch sehr interessante Schnittmengen und Synergien, nicht nur dadurch, dass viele Komponistinnen und Komponisten in mehreren Vereinen Mitglied sind. Es macht keinen Sinn, sich ins verschlossene Kämmerchen zurückzuziehen; mir erscheint es besser, die Türen aufzumachen und frischen Wind hereinzulassen.
Meinem Verständnis nach ist das Leben selbstregulativ. Wenn ein Biotop gut angelegt ist, lebt es. Es kommt nicht so sehr auf das Volumen an, sondern auf die Art und Weise, wie die Teile im Verhältnis zueinander stehen. Insofern verstehe ich mich als Biotopbauer. Ich möchte, dass ein Klima des guten Miteinanders herrscht, in dem sich alle wohlfühlen und individuell ihre Kunst betreiben können. Andererseits setzt man sich solidarisch für die gemeinsamen Interessen ein. Die aktuellen musikwirtschaftlichen Herausforderungen zum Beispiel sind so eklatant, dass man nicht sagen kann, dass das nicht alle betrifft. Neben dem Künstlerischen hat sich auch das als verbindender Faktor herausgestellt. Wir sind aufgerufen, sorgfältig zu prüfen, was von den einst bewährten Mechanismen und Strukturen noch funktioniert und was adaptiert gehört, um die aktuellen Herausforderungen im Sinne der Urheberinnen und Urheber zu lösen.
Was planen Sie für die Zukunft des Komponistenbundes?
Alexander Kukelka: Im Rahmen des ÖKB werden wir etwa Info-Formate wie den Austrian Composers‘ Day ausbauen. Partnerschaften und Kooperationen sind sehr wichtig, um den Berufsstand insgesamt zu stärken. Wir sind inzwischen national und europaweit sehr gut vernetzt. Als Gründungsmitglied der ECSA [European Composer and Songwriter Alliance; Anm.] können wir die kulturpolitischen und wirtschaftlichen Interessen auch europaweit vertreten.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Doris Weberberger