NIKOLAJ EFENDI ist ein kärntnerisch-slowenischer Musiker, der seit einigen Jahren in der Band ROY DE ROY aktiv ist. Vor Kurzem ist sein Soloalbum „The Red Wine Conspiracy“ erschienen, mit dem er bereits auf Europatour war. Der Künstler sprach mit Jürgen Plank über Musik, Sprache und das Fremdsein im eigenen Land.
Wie ist die Idee zu einem Soloalbum entstanden?
Nikolaj Efendi: Die Idee ist entstanden, als wir mit dem „Civil Riots“-Album von Roy de Roy auf Tour waren. An den Wochenenden gab es laute, wilde Roy-de-Roy-Konzerte und unter der Woche habe ich mich mit einer Gitarre in mein Schlafzimmer verkrochen und geschrieben. Ich habe mich mal nicht mit der Weltrevolution befasst, sondern mit mir selbst.
Wie war der Weg bis zur Veröffentlichung?
Nikolaj Efendi: Ich habe Alex Tomann, der jetzt mit Bilderbuch einen „Amadeus“ gewonnen hat, die Lieder vorgespielt und er hat mich schwer motiviert: „Nehmen wir das auf, schaffen wir eine Atmosphäre‚ in der du arbeiten kannst, in der du dich wohlfühlst und in der die Nummer funktionieren kann.“
Ist die Platte auf Ihrem eigenen Label erschienen?
Nikolaj Efendi: Ja, auf Dramatic Pause. Das ist eine Selbsthilfegruppe und eine Agentur. Ich vermittle nicht nur Musikerinnen und Musiker, sondern auch junge kärntnerisch-slowenische Literatinnen und Literaten. Mir ist es wichtig, dass Leute vernetzt sind und das Beste aus ihrer jeweiligen Situation machen können.
Wer ist außer den Bandkollegen von Roy de Roy noch an Ihrer Soloplatte beteiligt?
Nikolaj Efendi: Die Pianistin und Sängerin Wendi Gessner, die auch das Artwork gemacht hat. Sie hat das Projekt mitgetragen. Sie ist die Sängerin von Wendepunkt und weiß einfach, was es braucht, um mehr den Text sprechen zu lassen, der dieses Mal im Fokus war.
„Englisch ist eine Fantasiesprache und ein Instrument.“
Apropos Texte: Sie singen auf Englisch und Slowenisch, aber nicht auf Deutsch. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Nikolaj Efendi: Da muss ich ein wenig ausholen. Ich habe immer schon in slowenischer Sprache geschrieben und ich träume auch in dieser Sprache. Das ist für mich ein natürlicher Zugang. Ich habe aber gemerkt, dass es mir in slowenischer Sprache schwerfällt, eine Distanz zu schaffen. Ich habe an die kärntnerisch-slowenische Schriftstellerin Maja Haderlap gedacht, die auch in deutscher Sprache geschrieben hat und die in einem Interview gemeint hat, dass sie die Sprache wechseln musste, um eine Distanz zu schaffen. Bei mir war es auch so. Englisch ist eine Fantasiesprache und ein Instrument. Auf Deutsch würde ich Worte verwenden, die schon vom Schlager gepachtet sind.
Liebe, zum Beispiel.
Nikolaj Efendi: Genau, das kannst du vergessen. Dafür musst du Tantiemen geben an …
Albano und Romina Power.
Nikolaj Efendi: Ja [lacht]. Vielleicht werde ich mich irgendwann in deutscher Sprache ausdrücken. Ich sehe Sprache eher als Instrument, um Distanz zu schaffen.
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Auf Englisch zu singen macht auch deshalb Sinn, weil Sie international touren. Wie war die Tour zum aktuellen Album?
Nikolaj Efendi: Ja, das war etwas Besonderes. Denn in den letzten sechs Jahren bin ich mit Roy de Roy getourt, da war fast jeder Abend gleich. Wir haben nie vor 23:00 Uhr gespielt, sind um fünf in der Früh ins Bett gefallen. Mein Körper sagte Nein, aber ich musste wieder früh aufstehen. Jetzt war das anders, bei der Efendi-Tour waren es 30 Konzerte, meist mit Bestuhlung. Die Konzerte haben meist um 21:00 Uhr begonnen und ich habe mich sehr wohlgefühlt. Der Austausch mit dem Publikum war sehr angenehm.
„Mich hat der persönliche Kontakt mit dem Publikum begeistert.“
Was hat Ihnen an der Tour besonders gefallen?
Nikolaj Efendi: Mich hat der persönliche Kontakt mit dem Publikum begeistert. Der Kontakt ist erhalten geblieben, ich bin niemand, der gerne auf sozialen Plattformen unterwegs ist, aber viele Zuschauerinnen und Zuschauer haben E-Mails geschrieben, was das Album in ihnen auslöst und welche Verbindung es zu ihrem Leben hat. Das war für mich ein totales Kompliment.
Worum geht es im Lied „Partizan“?
Nikolaj Efendi: Da geht es um meinen Urgroßvater, der im Zweiten Weltkrieg inhaftiert wurde. Er war zu alt, um in den Krieg zu ziehen, und wurde inhaftiert, weil seine Söhne zu den Partisanen gegangen waren. Er wusste, wo sich die Partisanen aufhalten, und wurde von den Nazis festgenommen. Sie haben sein Haus verbrannt, seine Familie deportiert und er wurde im Gefängnis gefoltert. Er saß vier Jahre lang, verriet nichts und wurde am letzten Kriegstag, am Tag der Befreiung erschossen. Ich wollte einfach diese Geschichte erzählen, denn das war der historische Kontext, in dem ich aufwuchs.
Wie hat sich das auf Sie ausgewirkt?
Nikolaj Efendi: Meinen Eltern war es sehr wichtig, dass ich in einem slowenischen Kindergarten war und in einem slowenischen Gymnasium, und dafür bin ich sehr dankbar. Denn da entsteht ein großes Netzwerk. Es entsteht ein Bewusstsein, aber es entsteht auch ein wenig ein Komplex, den ich erst in Wien bemerkt habe. Meine Schulzeit stand zwischen den Briefbomben von Franz Fuchs und Jörg Haider. Da fragt man sich, wer man ist und woher man kommt.
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Im Lied „Hometown“ heißt es: „I am a stranger in my hometown, I can’t forget what they have done.“ Gibt es da einen persönlichen Bezug oder ist das ein abstrahierter Text?
Nikolaj Efendi: Nein, das war ein sehr präsentes Gefühl in meinen Teenager-Jahren. Im Alter von etwa 13 oder 14 Jahren ist sehr viel passiert, in dieser Zeit habe ich realisiert, was es bedeutet, in Kärnten eine Minderheit zu sein. Auch vom Gymnasium neben meiner Schule ging geballte Wut auf Kärntner-Slowenen aus. Es verging kein Tag, an dem es keine Schlägereien zwischen Slowenisch-Kärntnern und Deutsch-Kärntnern gab. In dieser Phase habe ich auch zum ersten Mal laute, kritische Musik gehört: Rage Against The Machine und Refused. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich in eine Region gezogen, in der ich nicht berechtigt wäre, zu sein. Obwohl ich dort aufgewachsen bin. Dass ich eine andere Sprache spreche, wurde nicht als Bereicherung gesehen, sondern als Bedrohung.
Welche Erlebnisse gab es noch?
Nikolaj Efendi: Wir sind von Klagenfurt weg aufs Land gezogen und auch das war schlimm. Unser Haus wurde beworfen und wir fühlten uns nicht sehr aufgenommen. Das ist keine Einzelgeschichte, es ist den meisten meiner Freunde so ergangen.
Hat sich dieses Umfeld auch auf das Musikmachen ausgewirkt?
Nikolaj Efendi: Als Teenie hatte ich eine Band und wir haben in slowenischer Sprache gesungen. Es war wirklich ein Thema, wo man spielt. Denn gewisse Lokale haben gesagt: „Was soll das?“ Klagenfurt war insofern ein besseres Pflaster als zum Beispiel Ferlach. Aber wir waren auf einige wenige Lokale eingeschränkt und lebten in einer Blase. Andere Bands haben in Lokalen gespielt und wir fragten uns, warum wir eigentlich nie dorthin eingeladen wurden.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Jürgen Plank
Links:
Nikolaj Efendi
Dramatic Pause