„Ich sage mal, er hat Geschichte geschrieben.” – EMIREZ (Jugendfreund von RAF CAMORA) im Interview

RAF CAMORA tritt beim Donauinselfest 2023 auf. Der Ausnahmezustand ist vorprogrammiert. Mit dabei wird auch sein Jugendfreund EMIREZ sein. Im Interview mit Stefan Niederwieser erzählt er von Wiener Straßenrap der ersten Stunde und dem einzigartigen Hype, den er aus nächster Nähe beobachten konnte.

Wie lange kennst du RAF Camora schon?

Emirez: Ungefähr zweiundzwanzig Jahre. Wir haben uns über einen Freund vor seiner alten Schule kennengelernt. Eines Tages bin ich dann bei Aufnahmen in ein Studio reingekommen und plötzlich saßen da RAF und Joshi Mizu. So haben die Rap-Crews Balkan Express und Assaut Mystik begonnen, später ist daraus Family Bizz geworden.

Die Musikindustrie war vor zwanzig Jahren ziemlich am Ende.

Emirez: RAF und ich haben damals nur Rap aus Frankreich gehört bzw. ich Rap vom Balkan. Deutschrap hat uns lange nicht angesprochen, Kool Savas war der Erste, und später Bushido. Wir waren Jugendliche, die im Park abhingen, ein Kumpel hatte ein Studio, in dem wir unsere Songs zum Spaß und aus Langeweile aufgenommen haben. Und aus dem wurde dann etwas Ernstes.

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Ihr hattet mit Family Bizz einen Major-Deal bei EMI Music. Die Tracks klingen teils nach einer wilden Mischung?

Emirez: Mich wundert es bis heute, dass EMI interessiert war. Einer von uns hat auf Französisch Reggae gesungen, einer hat auf Bosnisch Hardcore gerappt und Joshi Mizu hat als Einziger deutsch gerappt. In manchen Liedern war das komplett durcheinander. Aber dieses Chaos hat den Leuten gefallen.

Warum ging es damit nicht weiter?

Emirez: Wir waren zu wild, hatten nur Blödsinn im Kopf und haben das nicht ernst genommen. Als der Major-Deal kam und die Musik immer amerikanischer wurde, war das für uns nicht mehr echt. Mit dem konnten wir uns nicht identifizieren. Wir fühlten uns nur wie Puppen und mussten an seltsamen Orten auftreten und aufpassen, was wir tun. Es war nicht, für was wir gestanden sind. Das Label hat dann auch gesehen, okay, mit den Jungs ist das bisschen schwer.

Cover Skandal
Cover “Skandal”

Du hast dann erstmals auf Deutsch gerappt?

Emirez: Richtig, wir haben uns in RAFs Studio im zehnten Bezirk getroffen und gesagt, okay, lass uns was auf Deutsch versuchen. Daraus ist die legendäre „Skandal EP“ entstanden. Das ist passiert, weil ich hier von unserem Publikum verstanden werden wollte. Wenn du in Bosnien bekannter werden willst, ist das schwer von Österreich aus. Man nimmt dich nicht so ernst. Heute ist das anders.

Warum ist die EP von dir und RAF Camora so legendär?

Emirez: Wir waren die Ersten in Wien mit Straßenrap auf Deutsch. OTK haben gleichzeitig mit uns begonnen, die zähle ich auch dazu. Wir hatten mit den Leuten in den inneren Bezirken wenig zu tun, und über die haben wir uns lustig gemacht. Damals gab es kein Spotify und Youtube war noch am Anfang. Ein Freund hat für uns ein Logo entworfen, wir haben das Cover selbst ausgedruckt und die Songs dann auf USB und selbstgebrannten CDs unter die Leute gebracht. So hat sich das verbreitet. Als Rapper hattest du damals bei Weitem nicht diesen Status. Die Texte waren viel härter, es war nicht sehr jugendfrei. Raf ist dann nach Berlin gezogen, bei ihm war es vorbestimmt, dass er Musiker wird. Für mich war das nichts, ich habe meine Lehre gemacht.

Du hast ihn ein paar Mal in Berlin besucht.

Emirez: Natürlich. Wir haben dort eine Fortsetzung der Skandal EP aufgenommen. Die Festplatte ist draufgegangen, wir hatten nur noch die Rohmixe. Ich war zu faul, um sie neu aufzunehmen und außerdem wollte ich damals ohnehin mit dem Rappen aufhören und meinte, wir stellen den Scheiß – so wie er ist – einfach auf Youtube und fertig.

RAF Camora stand im Winter 2015 vor dem Aus. „Zodiak mit Chakuza und Joshi Mizu war ein Desaster, die Tour war nur halbvoll, viele CDs wurden geschreddert. Und RAF Camoras Label Indipendenza war fast bankrott.

Emirez: Niemand hat auf Anhieb die Million gemacht. Du musst durchbeißen, du musst in dein Equipment investieren, Miete bezahlen und von etwas leben. Das war bei ihm genauso. Aber er ist seinen Weg gegangen und ist mit dem zurechtgekommen, was er hatte. Er hat weitergemacht, daran geglaubt und das geschafft, was er heute erreicht hat.

Bild Emirez
Bild (c) Emirez

Was ist das?

Emirez: Ich sage mal, er hat Geschichte geschrieben. Palmen aus Plastik wird – für egal wen – schwer zu wiederholen sein. Die Verkaufszahlen sprechen für sich. Damit haben RAF und Bonez MC den ersten ernstzunehmenden Dancehall auf Deutsch gemacht. Das war nicht dieser Standard-Rap, sondern ganz etwas Eigenes. Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, war mir klar, das wird einschlagen. Die Stärken der beiden haben sich perfekt ergänzt. Raf hatte nach den ganzen Jahren in Deutschland viele Connections und er hat gewusst, wie er das angehen soll. Palmen aus Plastik hat einen riesigen Hype ausgelöst. Davor gab es nichts, was annähernd so war.

Wie viel Wien steckt in ihm?

Emirez: 100%. 

Er hat ziemlich lange in Berlin gelebt.

Emirez: Ich lebe seit 30 Jahren in Wien und bin zu hundert Prozent Bosnier. Du bist dort zuhause, wo du dich zuhause fühlst.

Viele wissen gar nicht, wie groß RAF Camora am Balkan ist. Warst du mit auf Tour?

Emirez: Ich war bei einem Festival in Sarajevo mit. Es hat richtig Spaß gemacht. RAF ist mit uns aufgewachsen, deshalb kennt er unsere Kultur, unsere Mentalität und er versteht sich mit den Leuten vom Balkan. Viele sind nach dem Jugoslawienkrieg von dort weg und später wieder zurückgezogen. Deshalb reden viele Deutsch. Sie haben eine besondere Verbindung zu Deutschland und Österreich.

RAF hat mit den bosnischen Stars Jala Brat und Buba Corelli kollaboriert.

Emirez: Das sind Top-Künstler, Freunde von uns, ich finde das cool, wenn man mit Leuten aus dem Ausland kollaboriert, wir hatten bei Family Bizz teilweise auch schon fünf Sprachen in einem einzigen Lied.

In seiner Autobiografie wirkt RAF Camora wie jemand, der extrem hohe Ansprüche an sich stellt?

Emirez: Er ist privat wie du und ich. Als Musiker aber, finde ich, kannst du nur erfolgreich sein, wenn du so bist. Niemand mit echtem Erfolg im Leben sagt sich, okay, das passt schon so. Du musst immer an dir arbeiten und dich weiterentwickeln.

Das hat er unter anderem mit “Beste Leben“ und “Blaues Licht“ gemacht.

Emirez: Genau.

Was hast du jetzt vor?

Emirez: Ich war bei Sony für ein paar Singles. Ich mache das als Hobby, habe einen Job, in dem ich wirklich zufrieden bin. Gott sei Dank passt es bei mir im Leben. Ich mache seit 25 Jahren Musik, ich habe mit Ende Dreißig sehr viel gesehen und habe erreicht, was ich wollte. In der Stadthalle vor 15.000 Leuten aufzutreten und zu sehen, wie die Leute abgehen, das sind Erinnerungen, die mir immer bleiben.

Wirst du beim Donauinselfest dabei sein?

Emirez: Natürlich! Ein Auftritt am Donauinselfest ist etwas Besonderes. Ich glaube, auf das haben auch viele Leute gewartet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Stefan Niederwieser

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