CHRISTOPH PUNZMANN hat ein EGO, deshalb nennt er sich manchmal PUNZMANN. Während sich der gebürtige Niederbayer mit vollem Namen als Komponist fürs Zeitgenössische definiert, schwitzen Synthesizer im Bandprojekt unter Alter Ego. PUNZMANN – sein neuestes Projekt – solle dagegen stärker in die elektronische Musik einhaken, ohne seine Aspekte aus der Elektroakustik zu vergessen. Mit „Hoquetus” erscheint demnächst das Debüt – natürlich via Superego Records.
Du spielst ein chinesisches Instrument. Worum geht’s?
Christoph Punzmann: Ich probierte während meines Studiums an der mdw und Elak, jedes Semester etwas anderes zu machen, also selten auf vorangegangenen Projekten aufzubauen. Dadurch kam ich zur Guzheng. Ich hörte dieses zwei Meter lange Instrument bei einem Konzert von Lin Wang. Später konnte ich Unterricht bei ihr nehmen. Inzwischen besitze ich das Instrument. Anfangs dachte ich zwar, dass ich es mir nie leisten könnte. Wang meinte aber, dass es gar nicht so teuer sei. Ich bekam meines für 300 Euro über Amazon. Es war nicht das beste Instrument, aber für den Anfang genau richtig. Und ich blieb dabei – gerade in Verbindung mit der Elektronik lassen sich spannende Projekte umsetzen. Für meinen Abschluss an der mdw baute ich zum Beispiel einen Zithersizer, ein Hardware-Software-Instrument, das sich mit der Guzheng verbinden lässt. Auch nach einigen Jahren bin ich immer noch überwältigt, was sich damit akustisch und elektroakustisch umsetzen lässt.
Wie viel Guzheng steckt in deinem neuen Projekt Punzmann?
Christoph Punzmann: Es nimmt Einzug, der Fokus liegt aber nicht darauf. Allerdings ist die Projektunterscheidung bei mir schwierig. Christoph Punzmann soll als Komponist wahrgenommen werden. Ego ist mein Bandprojekt, bei dem ich unter dem Alter Ego Betty Barclay in Erscheinung trete. Punzmann soll dagegen stärker in die elektronische Musik einhaken, ohne meine Aspekte aus der Elektroakustik zu vergessen.
Punzmann ist das neueste Projekt?
Christoph Punzmann: Entweder komplett neu oder vollkommen alt. Es schließt ein wenig an eine Zeit an, in der ich Musik auflegte.
Du hast aufgelegt?
Christoph Punzmann: Mehrere Jahre, während meines ersten Studiums in Deutschland. Ich beschäftigte mich mit House und Techno, später auch Disco. Irgendwann konnte ich das Nachtleben nicht mehr mit meinen anderen Projekten vereinbaren. Teilweise stand ich drei Mal in der Woche in Clubs, das war zu viel. Ich spüre aber, dass ich manche Berührungspunkte nicht verloren habe. Ich will zurück in den Club – aber auf andere Weise.
Nicht nur als DJ …
Christoph Punzmann: Sondern als Künstler mit einem Live-Set, ja.
Viele machen immer noch die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik. Manche meinen, man könne nur in der zeitgenössischen Musik unterwegs sein oder in der elektronischen Clubmusik. Du siehst das anders?
Christoph Punzmann: Es ist schwierig, in die E-Musik eingeteilt zu werden. Ich kenne viele ernste Komponist:innen in der Elektroakustik, die als Unterhaltungsmusik gewertet – und dementsprechend bei Tantiemen anders abgerechnet werden.
Ich meine eher: das Hierarchiegefälle zwischen den beiden Bereichen.
Christoph Punzmann: Im Idealfall steht man drüber. Ich will beide verbinden und suche die Ähnlichkeiten, nicht die Abgrenzung. Oftmals ist der einzige Unterschied nur, dass die Leute bei einem Konzert tanzen und beim anderen sitzen.
Das fasst es schön zusammen, danke.
Christoph Punzmann: Ich würde mir schwertun, mich nur mit einer Art von Musik zu beschäftigen. Ich brauche den Ausgleich. Deshalb muss ich manchmal Pop machen.
Um aus dem Elfenbeinturm auszubrechen, nehme ich an.
Christoph Punzmann: Unbedingt. Trotzdem ist es schwierig, die verschiedenen Gruppen um einen herum zusammenzubringen. Als Künstler:in steht man schließlich auch vor dem Problem, gefallen zu wollen. Gleichzeitig ist bei mir der Drang, nicht aufzugeben, viel zu groß, um es nicht zu probieren.
Du hast vorhin erwähnt, dass du aus Deutschland kommst. Wo bist du aufgewachsen?
Christoph Punzmann: Am Land, in Pfarrkirchen, im tiefsten Niederbayern. Dort schaut die Landschaft so aus wie der Windows-XP-Hintergrund.
Der bayrische Sprech kommt bei dir gar nicht durch.
Christoph Punzmann: Ich konnte mich damit nie identifizieren, wehrte mich teilweise sogar dagegen. Wahrscheinlich war das wegen meiner peruanischen Mutter.
Hast du deine Jugend dort verbracht?
Christoph Punzmann: Ja, Pfarrkirchen war aber toll, weil es einen alternativen Club gab: das Bogaloo. Oft fanden Konzerte und Techno-Partys statt. Ich hab dort gelebt! Leider rissen sie das Gebäude vor einigen Jahren ab, um Wohnungen zu bauen. Mir tun die jungen Leute richtig leid, weil sie nichts mehr Cooles haben.
Du bist dort mit elektronischer Musik in Kontakt gekommen.
Christoph Punzmann: Genau, davor spielte ich nur Gitarre und hörte Gitarrenmusik: von Punk bis Metal und Rock, später Klassik und Flamenco.
Das heißt, du hast alle Extreme durchgemacht …
Christoph Punzmann: Und ich bin beim Synthpop gelandet, genau. Trotzdem sind diese Einflüsse alle noch da – vor allem bei unserem Projekt Ego.
Du warst der klassische Dorfpunk, in keinem Verein, irgendwie anders.
Christoph Punzmann: Als Junge war ich bei den Pfadfindern, aber sonst konnte ich damit nicht so viel anfangen und entdeckte bald die Musik für mich.
Bist du in einem musikalischen Haushalt aufgewachsen?
Christoph Punzmann: Gar nicht. Meine drei älteren Geschwister wurden von unseren Eltern noch gezwungen, ein Instrument zu lernen. Nachdem das nicht lange gut gegangen war, ließen sie es bei mir sein. Ich begann von selbst, nachdem ich die zerbrochene Gitarre meiner Schwester im Keller gefunden hatte.
Was interessierte dich daran?
Christoph Punzmann: Ich hatte einen Drang nach Ausdruck und Identität.
Du fandest in der Musik etwas, das bereits in dir war, aber das du erst durch sie nach außen kehren konntest?
Christoph Punzmann: Ja, ich wollte mich ausdrücken und etwas werden, um gesellschaftlich eine Stellung einzunehmen. Plötzlich war ich der Musiker. Das gefiel mir, weil ich meinen Vorbildern nacheifern konnte.
Welche Vorbilder waren das?
Christoph Punzmann: Zum Beispiel Kurt Cobain. Er drückte für mich im Gegensatz zur Fake-Ästhetik des 2000er-Pop etwas Rebellisches aus. Das sprach mich an, weil ich mich ausgrenzen wollte, um in der Ablehnung den Sinn zu suchen.
Also Dorfpunk und Rebell.
Christoph Punzmann: Ich hab viel Blödsinn gemacht, aber nie jemandem geschadet. Allerdings wusste ich, dass ich ohnehin nicht dazugehöre. Ich sprach Hochdeutsch und interessierte mich nicht für Fußball. Dadurch entstand automatisch Distanz. In der Musik fand ich Vernetzung.
Später bist du nach Regensburg gezogen.
Christoph Punzmann: Um Musikwissenschaft und Kunstgeschichte zu studieren. Zu der Zeit begann ich aufzulegen, viel klassischen House aus Chicago und Detroit, mit Soul-Einflüssen. Die Musik finde ich heute noch wunderschön! Gleichzeitig schätze ich zeitgenössische Komponisten wie Floating Points, die extrem technisierte und intelligente Ausformungen dieser Musik produzieren.
Dazwischen hast du dich vom Club in die Elektroakustik weiterorientiert.
Christoph Punzmann: Ich legte oft auf und hatte Verantwortung für Partys. Gleichzeitig war ich kein Kind von Traurigkeit. Dazu kam, dass ich Nachtschichten in der Psychiatrie schob. Insgesamt wirkte sich das in viel zu wenig Schlaf aus. Dieser ungesunde Lebensstil ließ sich nicht mehr mit meinem Leben vereinbaren.
Mit welchen Leben meinst du?
Christoph Punzmann: Es kristallisierte sich heraus, wohin sich mein Interesse für Musik ernsthaft entwickeln könnte. Ich kam nach Wien, fing an der mdw an. Anfangs pendelte ich noch zwischen Regensburg und Wien, um manche Jobs weiterzumachen. Schließlich wurden die Tage zu kurz. Ich merkte, dass ich mich um mich selbst kümmern muss, wenn der Apparat am Laufen bleiben soll.
Wie hast du das geschafft?
Christoph Punzmann: Manche Dinge wie das Auflegen hielten mich fest. Es ging schließlich ein Umfeld damit einher. Deshalb dauerte es einige Jahre, bis ich dort angekommen war, wo ich heute bin.
Du meinst: in der Elektroakustik?
Christoph Punzmann: Ja. Ich fand darin Freiheit und Regellosigkeit. Das kam und kommt meinen Minderwertigkeitskomplexen entgegen. In meiner Vorstellung kann man in der experimentellen Musik nichts falsch machen. Andere Leute mögen das anders sehen, ich meine aber: Für ein Experiment gibt es kein Regelwerk. Das nimmt Druck aus der Sache.
Ein Mindset, das manches öffnet, oder?
Christoph Punzmann: Ja, auch in mir. Deshalb bin ich der experimentellen Musik wirklich dankbar.
Wofür?
Christoph Punzmann: Für die Möglichkeiten, die sich in ihr auftun. Gerade als jemand, der abwechslungsfixiert ist, finde ich darin eine unerschöpfliche Inspirationsquelle. Egal ob Installationen oder Sounddesign, Komposition für mehrkanalige Musik und ihr Übergang zu Klang und Geräusch – das Feld erweitert sich ständig.
Du nimmst auch Field Recordings auf, also Sounds aus der Umwelt.
Christoph Punzmann: Ja, ich reise gerne, merke aber nach zwei Wochen immer, dass ich unruhig werde, wenn ich nichts Kreatives machen kann. Deshalb versuche ich, das Reisen mit den Field Recordings zu verbinden. Ein erster Ansatzpunkt ist: zu hören, wie es in einer neuen Umgebung klingt. Dann nehme ich auf. Und sammle die Geräusche.
So entsteht deine Sound-Landkarte.
Christoph Punzmann: Eine, die sich ständig ändert, weil die Erde allein in den letzten Jahren ganz anders klingt.
Wie meinst du das?
Christoph Punzmann: Alles ist lauter und verschmutzter geworden. Deshalb finde ich es spannend, Orte aufzusuchen, an denen es anders ist. An denen es vielleicht so klingt, wie es vor hundert Jahren geklungen hatte.
Du suchst nach Formen der Stille?
Christoph Punzmann: Ja, eines der krassesten Erlebnisse hatte ich im Pazifik bei Kolumbien. Es ging kein Wind, das Meer war flach. So hatte ich Stille zuvor noch nicht erlebt.
Dir geht es aber nicht nur um Stille.
Christoph Punzmann: Nein, ich bin auch daran interessiert, wie Räume klingen – vor allem alte. Ich nehme sie mit Impuls-Antworten auf. Dazu jage ich alle Frequenzen durch einen Raum, nehme auf und schneide die Hallfahnen ab. Das ermöglicht mir, Instrument mit der Impuls-Antwort zu versehen. Das Instrument klingt dann so, als spielte man es in diesem Raum. Aktuell habe ich für das Projekt noch keinen Fördergeber, der Plan ist aber, zukünftig den Klang von Räumen zu archivieren. Schließlich verschwinden manche Räume, es macht also durchaus Sinn, ihren Klang zu bewahren.
Danke für das Gespräch!
Christoph Benkeser
Christoph Punzmann stellt sein Album „Hoquetus” am 4.5. im rhiz vor.
https://rhiz.wien/programm/event/punzmann-album-release-show-hoquetus-support/
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Links:
Christoph Punzmann (Website)
Christoph Punzmann (Instagram)
Christoph Punzmann (Soundcloud)