„Ich liebe Pathos“ – BATTLE-AX im mica-Interview

BATTLE-AX alias BEATRIX CURRAN ist eine aus Australien stammende Bratschistin, die seit 2015 Teil der experimentellen Wiener Elektro-Szene ist und in performativen Kontexten Ursprünge und Grenzen von klassischer Musik und Moderne erkundet und erweitert. Die ehemalige Rock’n’Roll – Musikerin aus Sydney kam im Zuge ihres Kunststudiums nach Wien, lernte die KomponistInnen des 20. Jahrhunderts kennen, von denen sie bis dato nichts gehört hatte, nahm daraufhin drei Jahre lang intensiven Musik-Unterricht und wurde schließlich selbst aktiv. So arbeitete sie u.a mit HIEROGLYPHIC BEING, TCF, HVAD, PHILIPP QUEHENBERGER, FOREVER TRAXX oder dem Berliner Kollektiv DAWN MOK zusammen. Im Gespräch mit Julia Philomena erzählt die Künstlerin von der zweiten Wiener Schule, dem WIEN MODERN als ihrer „ersten großen Liebe der Musikszene“ und von der Sehnsucht nach Aufgeschlossenheit.

Aus welchem Kontext heraus ist Battle-ax entstanden?

Beatrix Curran: Ich kam 2010 durch eine Universitäts-Partnerschaft von Sydney nach Wien an die Akademie der bildenden Künste. Ich wusste damals schon, dass ich hier Musik machen möchte. Seit meinem 5. Lebensjahr spiele ich Violine und die klassische Musik ist mir immer nahe gestanden, deswegen wollte ich nach Wien. In Sydney habe ich in einer Rock’n’Roll Band gespielt, aber die Wiener Schule war mir
kein Begriff und ich wollte auch nie ernsthaft Musikerin, professionelle Bratschistin werden. Ich bin hier zum ersten Mal mit Musikkomposition aus dem 21. Jahrhundert in Berührung gekommen, habe das Wien Modern Festival besucht – meine erste große Liebe der Musikszene – intensiven Unterricht genommen, Bücher gelesen und mir meinen Weg gebahnt.

Was zählen Sie zur ihren großen Inspirationen?

Beatrix Curran: Sehr stark hat mich die Wiener Schule beeinflusst. Ich liebe Alban Berg. Ich liebe Pathos. Ich liebe den unmittelbaren Moment, der gebrochen wird. Mir gefällt auch moderne französische Musik sehr gut. Dort bekommt man eine sanfte Traurigkeit, beispielsweise von Ravel. Ich fahre oft nach Paris, um mir Konzerte anzuhören oder bei Lectures teilzunehmen. Meine Bratsche kommt übrigens auch aus Frankreich, Baujahr1906.

Welchen Zugang haben Sie heute zur Klassik?

Beatrix Curran: Nachdem ich die Bandbreite, das Ausmaß klassischer Musik begriffen hatte, konnte ich mir einen völlig neuen Zugang schaffen. Barockmusik zum Beispiel gefällt mir mittlerweile wahnsinnig gut, weil ich die Abwesenheit von Mitgefühl spannend finde, die Reinheit. Aber jede Epoche hat sehr spannende Elemente. Insofern spielen Klassik und Tradition nach wie vor eine große Rolle, vor allem weil sie das Fundament sind. Brahms zum Beispiel gehört immer noch zu meinen Lieblingskomponisten. Ich gehe gerne und häufig in den Musikverein, ins Konzerthaus oder ins Arnold Schönberg Center und genieße es, in genau der Stadt zu leben, wo so vieles Großes seinen Anfang genommen hat und immer noch nimmt – besonders im Vergleich mit Australien.

Welchen Unterschied gibt ist in Hinblick auf die Städte? Ist die Wiener Musikszene aufgeschlossener als andere?

Beatrix Curran: Nicht wirklich. Auch Wien ist sehr verschlossen, sehr intim, Musik wird in der kleinen Blase genossen. Sowohl kommerzielle klassische Musik, als auch moderne, experimentelle. Es gab immer schon sehr viel Musik, somit sehr viele Ausweichmöglichkeiten. Im Musikverein sitzen nur alte Menschen und vielleicht manchmal, ganz vereinzelt, StudentInnen. In Paris ist das anders, in Berlin auch. Da scheint klassische, aber auch moderne, neue Musik bei jüngeren Menschen im Kulturalltag präsent zu sein. Ich glaube, in Wien könnte das Problem sein, dass der Zugang zur Kunst generell sehr akademisch ist. Sehr separiert. Heuer habe ich am Wiener Popfest gespielt, dort geht es zum Glück alles andere als akademisch zu. Das Publikum ist groß, bunt durchmischt und entspannt. Die Leute treffen sich gemütlich am Karlsplatz, trinken Bier und hören Musik – das ist der schönste Zugang. Auf manchen Konzerten fühle ich mich wie an der Uni, während einer Prüfung – alle sind total konzentriert, nervös, angespannt. Dabei sollte es doch ein Genuss sein. Als ich zum Beispiel Dank Marlene Engel begonnen habe, in Club-Kontexten zu spielen, hatte ich selbst kaum Kontakt zur elektronischen Szene, weil ich in Wien nur in Pubs gesessen bin und in Sidney Rock’n’Roll Musik gemacht habe. Ich habe das wahnsinnig absurd gefunden in der Grellen Forelle zu spielen. Aber es war total schön und erfrischend. Weil das Publikum so entspannt war. Alle haben gelacht, getanzt, getrunken. Wie auf einem Popkonzert.

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Gibt es so eine Inspiration auch in Ihrer Heimat Australien? Wie kann man sich den kulturellen Alltag dort vorstellen?

Beatrix Curran: Ich habe Sydney verlassen, bevor ich wusste, welche Musik ich machen möchte. In Wien fällt mir auf, dass auf Grund der Größe der Stadt eine gute Vernetzung stattfinden kann, KünstlerInnnen einander unterstützen wollen und können – das ist in Australien anders. Ich habe hier gelernt, dass es keine Grenzen gibt. Dass ich als Künstlerin keinen Regeln folgen muss, dass es sogar genau darum geht, so frei wie möglich zu denken. Sydney dagegen wird vom Kapitalismus beherrscht. Komplett. Es gibt keine Freiheit der Gedanken – besonders im Unterricht nicht. Hier an der Kunstschule werde ich dazu aufgefordert, auf unterschiedlichsten Wegen an die Kunst heran zu gehen, zum Beispiel auch politisch. In Sydney gibt es wenig Kunst, die sich mit Politik auseinandersetzen möchte, die sich generell von allem beeinflussen lässt. Dabei ist es so wichtig, Stellung zu beziehen, sich zu äußern. Wer nichts sagt, ist in meinen Augen Teil des Problems.

Ihr Künstlername Battle-ax ist im Englischen die umgangssprachliche Bezeichnung für eine starke Frau, die sich nichts sagen lässt. Ist der Name Programm?

Beatrix Curran: Der Name war eigentlich immer da. Ursprünglich als Gag zwischen Freunden aus Sydney. Wir meinten, wenn wir jemals eine Band gründen, machen wir glamourösen Metal und heißen Battle-ax. Als ich Jahre später zu performen begonnen habe, ist mir der Name wieder eingefallen und ich habe ihn eigentlich als sehr passend empfunden. Mir war die Bedeutung immer geläufig, aber sie ist nie im Vordergrund gestanden. Mir gefällt die Ironie, dass Battle-ax so hart und vollendet klingt, ich mich selbst aber noch sehr in der Entwicklung fühle. Mein Projekt ist viel mehr Baby-ax und nicht Battle-ax. Battle-ax zu werden, ist ein lebenslänglicher Prozess.

Ist Battle-ax mehr Musik-, oder Kunst-Projekt?

Beatrix Curran: Begonnen hat es als Musik-Projekt, weil ich sehr unsicher war. Da haben mir klare Kategorien geholfen. Mittlerweile passt der Kunst-Begriff besser. Wenn ich etwas von der Uni gelernt habe, dann ist es die Geduld und Zuversicht, Dingen ihren Lauf zu lassen. Wenn ich mich jetzt auf die Bühne stelle, möchte ich nicht nur die Musik, sondern meine ganze Idee vertreten und widerspiegeln können. Philipp Quehenberger gab mir vor einigen Jahren diese Sicherheit, hat mich als Musikerin gebucht, mich als Musikerin ernst genommen. Wertschätzung und Akzeptanz haben sehr gut getan – wenn die einmal gegeben sind, kann man sich auch wieder davon befreien und etwas für sich Stehendes sein.

Sie spielen in ganz unterschiedlichen Kontexten, manchmal in der Grellen Forelle, dann wieder auf einer Vernissage – über welche Reaktionen freuen Sie sich?

Beatrix Curran: Es gibt keine Reaktion, die mich stört, würde ich sagen. Für mich ist alles so organisch, dass ich auch jedes Feedback als sehr organisch, natürlich und passend empfinde. Wenn ich spiele, versuche ich nicht bewusst zu irritieren, zu verstören, oder zu gefallen. Ich gehe meiner Intuition nach und bleibe ganz bei mir. Manchmal verfalle ich natürlich in eine Parallelwelt, aber ich genieße es sehr, wenn es dem Publikum dann ähnlich geht, wenn sich meine Stimmung überträgt. Wenn mir das gelingt, dann bin ich glücklich!

Vielen Dank für das Gespräch!

Link:
Battle-Ax (Soundcloud)