Hinter TRIGGERED BY NOISE verbirgt sich der Salzburger Medienkünstler LUKAS GWECHENBERGER, der mit „agalma“ ein beindruckendes Debüt vorstellt. Seine minimalistisch-elektronischen Soundscapes bestechen durch eine konzeptuelle Strenge, die eine regelrechte Sogwirkung generieren kann. Verbunden mit direkten Eingriffen in die Sounddateien, wo Klänge verbogen und auseinandergenommen werden, entsteht so auch eine großartige Klang-Kunst am Puls der Zeit. Für mica hat sich Didi Neidhart mit Lukas Gwechenberger zum Interview getroffen.
Wie kam es zum Pseudonym „triggered by noise“?
Lukas Gwechenberger: Als ich vor einiger Zeit mit den Öffis unterwegs war, habe ich zwei englisch-sprachige Menschen darüber reden gehört, welche Sounds bei ihnen bestimmte Empfindungen auslösen. An das Gespräch selbst kann ich mich kaum noch erinnern, aber die Formulierung „triggered by noise“ blieb hängen.
Was ist bzw. bedeutet „Noise“ für dich?
Lukas Gwechenberger: Den „Noise“-Begriff finde ich recht interessant, weil er im Englischen mehrere Bedeutungen haben kann und es manchmal nicht ganz klar ist, auf welche gerade Bezug genommen wird. Es kann beispielsweise sehr allgemein ein Geräusch gemeint sein, aber auch ein Rauschen oder Lärm. In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit allen drei genannten Entsprechungen, wobei ich sie nicht als „Noise“-Musik bezeichnen würde, da sie stilistisch doch in eine etwas andere Richtung geht.
Deine Musik ist mitunter sehr ambienthaft und erinnert dabei auch an (kleine) Soundscapes. Jetzt denke ich bei Ambient eher an Drones und Schleifen, von daher mal die Frage: Welche Funktion hat Noise oder das Rauschen in diesem Zusammenhang?
Lukas Gwechenberger: Ich interessiere mich für Rauschen, da es enorm vielseitig sein kann. Dabei denke ich nicht nur an statische „Sound-Wände“, sondern auch an perkussive oder resonierende Elemente. Darüber hinaus besitzen die verschiedenen Texturen des Rauschens mehrere ambivalente Eigenschaften, die jenseits der Sprache äußerst spannend sein können.
Zum Beispiel verfügt Rauschen über starke organische Qualitäten, die ebenso abstrakt wirken können, über inhärentes Chaos, das aber auch monoton erscheinen kann, über vereinnahmende Potentiale, die aber auch dezent-subtil im Hintergrund verschwinden können.
Was unter Ambient-Aspekten auch etwas verwundert, ist die Länge des Albums bzw. die Kürze der Tracks. Das sind 38 Minuten bei acht Tracks. Wie kam es dazu? Klassische Ambient-Tracks sind in der Regel ja deutlich länger.
Lukas Gwechenberger: Es war eigentlich gar nicht meine Absicht ein Ambient-Album zu machen und ich glaube, es ist streng genommen auch keines geworden. Das behaupte ich nicht deswegen, weil ich die Kategorisierung scheue, sondern weil sich meiner Ansicht nach einige charakterisierende Parameter, die ein Ambient-Album ausmachen, nicht derart darstellen. Parallelen und Einflüsse sind aber bestimmt an etlichen Stellen zu hören.
Du bist ja nicht nur Musiker, sondern auch Medien- und Konzeptkünstler. Welche Überschneidungen gibt es hier?
Lukas Gwechenberger: Da man sich als Konzeptkünstler:in viel damit beschäftigt, was bestimmte künstlerische Äußerungen kommunizieren, denke ich, dass Reflexion in Auseinandersetzung mit den Stücken ziemlich präsent ist. Das kann im Prozess bei bestimmten Entscheidungen helfen, aber bei der Ideenfindung auch bremsen.
„Schallereignisse als formbares Material“
Die Sounds, mit denen du arbeitest, haben eine deutlich digitale Herkunft, gleichzeitig geht es dir auch darum, diese Sounds zu Verformen und zu Verfremden. Was ist das Spannende bzw. Reizvolle daran?
Lukas Gwechenberger: Ich denke, dass die fortschreitende Technologisierung im Umgang mit Sound diesen auf eine gewisse Art greifbarer gemacht hat. Während vor der Einführung von Aufzeichnungsgeräten Klang ein ephemerer Charakter zugeschrieben wurde, ist dies mit fortschreitenden Entwicklungen etwas unklarer geworden. Die Möglichkeit Schallereignisse zu speichern und diese als formbares Material zu begreifen, bietet eine unglaubliche Palette an ästhetischen Potentialen, die auf akustischer Ebene unmittelbar übertragen und erfahren werden können. Das dabei entstehende Wechselspiel von abstrakten und konkreten sonischen Objekten, also dem, was bestimmten Gegenständen zuordenbar ist und was nicht oder nur teilweise, öffnet ein Feld, welches sehr spannend sein kann.
Gehen solche Transformation und Mutationen von Sounds nur digital, oder würdest du auch mit analogem Equipment zu Effekten kommen, die in deine Konzeptionen passen würden?
Lukas Gwechenberger: Wahrscheinlich stammt ein Großteil der Ideen für die Bearbeitung von Klängen aus der analogen Welt und wurde ins Digitale übertragen. Insofern könnte man vermutlich die meisten Sounds auch auf irgendeine Weise analog erzeugen. Ich denke, dass beide Kosmen ihre Vor- und Nachteile haben. Dass ich vorwiegend digital arbeite hat mitunter damit zu tun, dass man ohne viel Equipment in verschiedene Richtungen gehen kann.
Deine Tracks sind durchaus geprägt von einer gewissen konzeptuellen Strenge, scheinen sich jedoch nicht immer strikt daran zu halten. Wie stellt sich für dich das Verhältnis zwischen Konzept und Produktion dar?
Lukas Gwechenberger: Das ist immer eine ziemlich schwierige Balance, da viele der ansprechenderen Ideen oft nur dann zustande kommen, wenn man sich beim Experimentieren genügend Raum lässt und nicht sofort bewusst zu beurteilen beginnt, ob der soeben begonnene Ansatz am Ende spannend sein könnte.
Bei diesem Album habe ich viele Tracks gemacht, die es letztendlich nicht in die Veröffentlichung geschafft haben, da sie teilweise zu weit auseinander gewirkt haben und das Narrativ zu sehr verwirrt haben. Im Vorhinein ein detailliertes Konzept auszuarbeiten und dieses dann akustisch umzusetzen, würde mir glaube ich nicht zur Zufriedenheit gelingen.
„Ich habe immer viel Musik mit melancholischer Note gehört.“
Wie viele Alben der letzten Zeit, so strahlt auch deines eine gewisse Melancholie aus, und oszilliert dabei zwischen verschlungenen Melodiepartikeln und dystopischen, mitunter auch an Anime-Soundtracks erinnernden Synthflächen. Woher kommt das bei dir?
Lukas Gwechenberger: Puh, das kann ich nicht konkret beantworten, aber ich habe jedenfalls immer viel Musik mit melancholischer Note gehört. Vielleicht vermitteln diese Musikspielarten etwas Tröstendes, in dem man sich verstanden fühlt.
Mir ist auch aufgefallen, dass Beats zwar immer wieder auftauchen (bzw. angedeutet werden), aber wenn, dann werden sie entweder gleich wieder ausgeblendet („DANA“) oder kommen als granulare Staubkörner („gaeta“) daher. Wie ist dein Verhältnis zu Beats, die ja auch immer für eine gewisse Art des „Weiter“ (also für was Utopisches) stehen?
Lukas Gwechenberger: Wie viele mag auch ich Beats sehr gerne, auch wenn man das dieser Produktion vielleicht nicht anmerken würde. Ich würde dir auf jeden Fall zustimmen, dass Beats etwas Treibendes an sich haben und gewissermaßen ist auch das ein Grund, weswegen sie hier kaum vorkommen. Es war meine Absicht, weitestgehend darauf zu verzichten, auch weil ich mich damit konfrontieren wollte, ohne diese Art der vorwärtsgewandten Impulse etwas Anregendes zu schaffen, das nicht statisch wirkt.
Andererseits gibt es auch immer wieder Echos bzw. Anklänge an Techno („o…O“) und Raves („touch“). Geht es hierbei vielleicht um einen Diskurs, um die Mark Fisher thematisierten „lost futures“ der 1990s?
Lukas Gwechenberger: Klar die Klang-Ästhetik von manchen der vorkommenden Synths kennt man aus anderen Kontexten, die in der Vergangenheit liegen. Dass sich viele der utopischen, aber für möglich befundenen Zukünfte von früher nicht eingelöst haben bzw. teilweise in entgegengesetzte Richtungen gewendet haben, ist deprimierend. Gleichzeitig denke ich allerdings, dass der Blick, mit dem in die Vergangenheit geschaut wird, teils etwas verzerrt und widersprüchlich sein könnte.
„Kooperationen finde ich generell künstlerisch sehr wertvoll.“
Zum (digital erscheinenden) Album wird es ja auch ein Booklet mit Fotografien und kurzen Texten der Salzburger Schriftstellerin und Medienkünstlerin Anna-Maria Stadler geben. Wie kam es zu solche einem „Gesamtpaket“ und wäre es da nicht auch verlockend gewesen eine Vinyl-Edition zu machen?
Lukas Gwechenberger: Natürlich habe ich darüber nachgedacht eine Vinyl-Edition zu machen, aber mich letztendlich dagegen entschieden, da es meiner Meinung nach gegenwärtig einige Gründe gibt, die eigentlich dagegensprechen.
Kooperationen finde ich generell künstlerisch sehr wertvoll, da sie etwas in die Arbeit einbringen, das sonst wahrscheinlich nicht zustande kommen würde, indem sich unterschiedliche künstlerische Zugänge gegenseitig inspirieren.
Gab es irgendwelche Förderungen, die du für die Produktion in Anspruch nehmen konntest?
Lukas Gwechenberger: Für den musikalischen Prozess habe ich zwei Stipendien erhalten, für die Produktion der Veröffentlichung an sich nicht.
Wie schaut es mit Live-Auftritten aus?
Lukas Gwechenberger: Letztes Jahr habe ich mit diesem Material mehrere Auftritte gespielt, und „agalma“ im Rahmen von einem „Performing Sound“ im Jänner 2023 in der ARGEkultur Salzburg präsentiert. Im Mai spiele ich ein Konzert in Linz. Genaueres tba unter: https://tbn.works/. Darüber hinaus freue ich mich jederzeit über Anfragen.
Was bedeutet eigentlich „agalma“?
Lukas Gwechenberger: „agalma“ kann mehreres bedeuten. Zum einen ist es ein Begriff, der in den Naturwissenschaften verwendet wird. Ich habe ihn allerdings beim italienischen Philosophen Mario Perniola aufgegriffen, der ihn anschließend an seine Bedeutung im Griechischen verwendet, übersetzt würde dieser „Statue“ bedeuten. Außer der allgemeinen Bezeichnung werden damit auch Objekte bezeichnet, die als Votiv-Opfer eingesetzt wurden.
Vielen Dank für das Interview.
Didi Neidhart
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Links:
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