„Ich imitiere Musik ja nur“ – OSKAR MAY im mica-Interview

OSKAR MAY lautet der Name des Wiener Produzenten und Performer an der Schnittstelle zwischen Pop, Poesie und Pathos. Sein Blick liegt dabei stets auf der Sprache in ihren wechselnden Rhythmen und ihrer musikalischen Strukturierung. Im Zentrum der musikalischen Arbeit steht die eigene Stimme. 2016 erschien die Debüt-EP „The Lane“ auf dem Berliner Label „Gully Havoc“, aktuell arbeitet der Künstler bereits an einem neuen Album. Im Gespräch mit Ada Karlbauer erzählte OSKAR MAY über Bedeutungen, die in Sprache und Rhythmus gezwängt werden, über fiktive Dialoge von immer wiederkehrenden Protagonistinnen und Protagonisten sowie über die Stimme als reine Berührung.

Wann haben Sie begonnen, unter dem Namen Oskar May Musik zu produzieren und zu performen?

Oskar May: Meine erste Performance hatte ich im Frühjahr 2015. Produziert habe ich natürlich schon lange davor, auch unter anderen Namen. Als ich dann mehr oder weniger aus dem Nichts eine Anfrage für eine Performance in Berlin bekam – ich habe mich damals eher als Klangpoet verstanden –, habe ich das schon als eine Art Weckruf gesehen, mein Zeug auch mal ins Performative zu übertragen.

„Working between poetry and pop music“ lautet die Selbstbeschreibung auf SoundCloud – wie lassen sich diese vermeintlichen Dichotomien vereinbaren?

Oskar May: Eine dichotomische Trennung entsteht immer dann, wenn man sie macht bzw. zulässt. Das Vortragen oder das Performen eines geschriebenen Textes ist ja schon ein halber Popsong. Ein bisschen instrumentale Unterstützung der vokalen Melodie und Rhythmik, schon ist er fertig. Damit will ich sagen, dass ich erst gar nicht versuche, mich da einzuordnen. Das können ruhig andere für mich machen, wenn sie es denn für notwendig befinden.

Wie verläuft Ihr Arbeitsprozess, gibt es bestimmte Parameter, die sich stets wiederholen?

Oskar May: Ich imitiere Musik ja nur. Manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich. Einmal kommt der Rhythmus zuerst und die Bedeutung wird dann in Sprache gezwängt, ein anderes Mal ist es umgekehrt. Dabei habe ich eigentlich nie die Absicht, einen Song zu schreiben. Das ergibt sich eher.

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Der Gesang ist in Ihrer Musik sehr zentral. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Text, Stimme und Sound beschreiben?

Oskar May: Obwohl ich mittlerweile schon stark auf die Stimme konzentriert bin, würde ich deshalb nicht sagen, dass alles andere nur Begleitung ist.

Welche Narrative werden auf Textebene verhandelt?

Oskar May: Wirklich narrativ nehme ich meine Texte gar nicht wahr. Viele Texte sind fiktive Dialoge zwischen immer wiederkehrenden Protagonistinnen und Protagonisten mit wechselnden Antagonistinnen und Antagonisten. Andere Texte versuchen sich als Bestandsaufnahmen innerer und äußerer Verhältnisse; Wege, die gegangen werden, Wege, die nicht gegangen wurden. Oft zeichne ich auch einfach Bilder im Kopf und versuche sie dann mit Text, Stimme und mal mehr, mal weniger melodischen Geräuschen auszumalen.

„Die Stimme besitzt ein Vermögen, das kaum erfassbar scheint.“

Ihr Gesang beschwört sofort große Namen wie etwa Scott Walker und David Bowie herauf, wie wichtig sind Ihnen künstlerische Referenzen?

Oskar May: Kaum und nicht wirklich. Ich zitiere natürlich hie und da Künstlerinnen und Künstler, die mich inspirieren. Aber das passiert eher unbewusst.

Die Stimme als Vermittler steht bei Ihnen stark im Vordergrund, welche Potenziale würden Sie ihr zuschreiben?

Oskar May: Die Stimme besitzt ein Vermögen, das kaum erfassbar scheint. Durch sie hat man die Fähigkeit, ein Gegenüber in einer Weise zu berühren, die zugleich sehr distanziert und intim sein kann. Mir fällt dazu ein Gedanke aus einem Text von Ricardo Domeneck ein: „[…] language is still only gesture, now locked inside the mouth and throat, and if I only moved my lips, mouthing the words, if you looked closely at my face, you would still understand what I am saying […].“ [Ricardo Domeneck: Sermon on the tongue; Anm.] In diesem Sinne denke ich, dass so wie die verbale Sprache als transponierte Zeichensprache auch die Stimme als reine Berührung verstanden werden kann. Vielleicht ist sie deshalb so intim.

Wie würden Sie die derzeitige Wiener Musikszene beschreiben? Gibt es bestimmte Entwicklungen, die Sie besonders verfolgen?

Oskar May: Zurzeit ist Wien echt spannend. Gerade war ja das Unsafe+Sounds Festival, das ich als kleines Highlight der Underground-Szene bezeichnen würde. Aber generell habe ich das Gefühl, dass gerade an jeder Ecke neue Gruppierungen neue Partys organisieren. Dabei sieht man immer wieder mal Acts, die einfach richtig gut sind. Und die Leute hier scheinen Lust auf gute Musik zu haben.

Was passiert bei der Liveperformance? Wie wichtig ist Ihnen die körperliche Performance insgesamt?

Oskar May: Dieses Thema beschäftigt mich gerade sehr. Da ich allein auf der Bühne stehe und versuche, neben der Stimme auch den gesamten Sound live zu machen, bleibt mir oft wenig Zeit und Raum für den rein körperlichen Ausdruck. Daran arbeite ich.

Ende des vergangenen Jahres erschien die EP „The Lane“ auf dem Berliner Label „Gully Havoc“. Was hat sich seitdem entwickelt?

Oskar May: Ich habe danach natürlich ein paar Konzerte gespielt. Aber hauptsächlich habe ich seither still und heimlich vor mich hingearbeitet, meinen Sound definiert und natürlich neue Songs produziert. Man könnte also sagen, dass ich an einem Album arbeite. Wobei ich noch auf der Suche nach der dafür nötigen Infrastruktur bin.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Ada Karlbauer

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