„ICH HATTE DAS GEFÜHL, ICH SITZE IN EINEM PANZER” – MIKHAIL SHLEPIN (SKUBUT) IM MICA-INTERVIEW

MIKHAIL SHLEPIN ist gerade 21 geworden. Er trägt eine schwarze Lederjacke, einen schwarzen Hoodie, schwarze Schuhe, sogar die mittelgescheitelten Haare sind schwarz. „Ein Lebensgefühl”, sagt der gebürtige Ukrainer, der seit über zehn Jahren in Wien lebt. Als SKUBUT (Скубут) macht er Post-Punk, den manche auch Coldwave oder Darkwave nennen. Hauptsache, der „Brutalismus-Vibe” stimmt, so MIKHAIL.

Mikhail, wieso Post-Punk?

Mikhail Shlepin: Ich habe 2020 rausgefunden, was Post-Punk ist. Eine Freundin hat mir einen Song von der Band Buerak gezeigt. Davor habe ich immer nur Heavy Metal gehört, dieser Sound war aber neu. Ich dachte mir sofort: Das klingt sehr gut, ich will sowas machen. Also habe ich mein Handy auf den Boden gelegt, auf Aufnahme gedrückt und meinen ersten Song gespielt.

Einfach so?

Mikhail Shlepin: Ich habe vor 2020 auch Musik gemacht, das war aber Thrash Metal! Außerdem musste ich zum Proben immer aufs Land fahren, was zach war, es ist ja schon weit! Mit Post-Punk habe ich gemerkt: Ich brauche niemanden, ich kann das alles allein machen. Also spiele ich Drums, Bass und Gitarre ein und singe dazu. Am Anfang habe ich drei Songs in der Woche geschrieben, aufgenommen und veröffentlicht. Das waren meine Übungssongs, die Evolution von Skubut.

Bild Skubut mit Band
Skubut ist ein Soloprojekt, das live zur Band wird (c) Skubut

Du kommst ursprünglich aus der Ukraine, richtig?

Mikhail Shlepin: Genau, ich bin in Saporischschja auf die Welt gekommen, das ist im Osten der Ukraine, nicht weit von der Donbass-Region entfernt. 2013 zog meine Mutter mit meinem Bruder und mir nach Wien, ich war neun Jahre alt und konnte kein Deutsch, habe aber alles aufgesogen: Innerhalb von einem Jahr habe ich Deutsch gesprochen wie alle anderen Kinder.

Du bist 2013 nach Wien gekommen, das war vor …

Mikhail Shlepin: Der Revolution in Kyiv und allen Anzeichen für einen Krieg, ja. Meine Mutter hat mir aber erzählt, dass sie damals schon eine Vorahnung hatte. Sie wollte aus Saporischschja weg und uns eine Zukunft in Wien ermöglichen. Das war eine gute Entscheidung. Meine Heimat wurde zwar nicht von den Russen übernommen, aber die Region liegt im Kriegsgebiet. Meine Großeltern, die dort gelebt haben, mussten fliehen, nachdem das Haus ihrer Nachbarn von Bomben getroffen wurde.

Hast du Kontakt zu deiner Familie in der Ukraine?

Mikhail Shlepin: Ja, wir telefonieren regelmäßig. Mit meinem Vater, der in der Region geblieben ist, habe ich aber selten Kontakt, weil er gegen die Freiheit der Ukraine ist. Momentan zerbrechen viele Familien an diesem Krieg.

Welche Erinnerung hast du an dein Aufwachsen in der Ukraine?

Mikhail Shlepin: In der Volksschule war ich in einer Musikklasse und ein Außenseiter, weil ich die ganze Zeit nur Heavy Metal gehört habe. Für mich war das aber ganz normal. Meine Tante ist Metalhead. Wenn ich bei ihr war, lief Rob Zombie. Als mir mein Vater mit neun oder zehn einen MP3-Player geschenkt hat, habe ich ihn gebeten, mir genau die Musik draufzuladen, die meine Tante hört. So bin ich zum Metalhead geworden.

Was hat dir an Heavy Metal gefallen?

Mikhail Shlepin: Die Energie! Wenn ich im Bus saß und Heavy Metal hörte, hatte ich das Gefühl, ich sitze in einem Panzer – keiner konnte mir was anhaben, ich war ganz euphorisiert! Eigentlich bin ich das noch immer, weil ich nach wie vor viel Heavy Metal höre. Post-Punk höre ich dagegen nur, wenn ich ihn spiele, weil das mein Zeug ist und mir guttut.
Meine erste Gitarre habe ich mit 13 bekommen. Ich wollte eine E-Gitarre, um Marilyn Manson zu spielen. Meine Eltern haben mir aber eine Akustikgitarre geschenkt. Ich habe fast geweint. Später hat mir zum Glück mein Bruder eine E-Gitarre geschenkt. Ich habe mir sofort alles selbst beigebracht, das heißt: Ich kann keine Noten lesen, ich spiele nach Gehör.

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Zum Beispiel das Cover von „The Perfect Girl”.

Mikhail Shlepin: Das Original kommt von The Cure, das Cover von Mareux ist vor ein paar Jahren aber urpopulär geworden. Ich habe den englischen Text ins Ukrainische übersetzt und selbst ein Cover gemacht – aus Spaß habe ich es auf Soundcloud geladen. Allen hat es gefallen. Also habe ich Mareux, der das Cover gemacht hat, angeschrieben und gefragt, ob ich den Song auf Spotify laden kann. Er meinte, klingt super, mach das gerne! 

Du hast Post-Punk erst vor ein paar Jahren entdeckt, davor warst du Metaller. Was hat sich geändert?

Mikhail Shlepin: Ich war 16 und hatte eine depressive Phase. Mein Zimmer war voller Plakate von Heavy-Metal-Bands. Plötzlich hatte ich ein Rage-Gefühl, weil ich mich darin nicht mehr gesehen habe. Also habe ich alles von der Wand gerissen. Am nächsten Tag war alles anders – Post-Punk hat mich gefunden. Das war ein Gefühl von: Ich sitze am Fensterbrett, zünde mir eine Tschick an und denke über mein Leben nach.

Ein neues Lebensgefühl?

Mikhail Shlepin: Ja, Post-Punk ist so simpel, trotzdem bringt es Happiness mit Depri-Stimmung zusammen. Außerdem wollte ich mir mit Skubut eine Freude machen. Also habe ich einen Song aufgenommen, mir eine Tschick angeraucht und ihn dann angehört. Es war genau das, was ich hören wollte!

Was du hören wolltest?

Das erste Cover-Foto von Skubut
Das erste Cover-Foto von Skubut

Mikhail Shlepin: Na ja, ich höre meine Songs nicht mehr so oft wie damals. Das war die Anfangszeit von Corona. Ich hatte viel Zeit. Also habe ich jeden Tag Musik gemacht.

Dein Kleiderschrank hat sich nicht geändert. Wir sitzen hier all black.

Mikhail Shlepin: Ja, das muss schon sein. Ich erinnere mich an das Foto für das allererste Cover, das ich gemacht habe: Es war sechs Uhr früh, alles grau. Ich habe mir ein schwarzes Sakko angezogen und bin rausgegangen, habe das Handy auf den Boden gelegt, den Timer fürs Foto angemacht – und da war er …

Der Vibe?

Mikhail Shlepin: Ich mag Schwarz, das ist meine Farbe. Ich habe mich aber nie Schwarz angezogen, weil ich sad war oder Metaller oder so. Ich habe einfach das Gefühl, ich bin elegant, wenn ich mich Schwarz anziehe. Mein Bassist hat aber ein Problem damit, er zieht nicht gerne Schwarz an – ich musste ihn zwingen, bei den Konzerten Schwarz anzuziehen. Ich sage ihm dann, mach ein trauriges Gesicht und zeig keine Emotionen.

Das ist das Image?

Mikhail Shlepin: Ja, eh. Gleichzeitig hilft die Musik manchen Menschen in schwierigen Zeiten. Zumindest sagen sie das.

Dein am meisten gehörter Song hat auf Spotify fast 100.000 Streams.

Mikhail Shlepin: Die meisten Leute kommen aus den USA, aber auch in Mexiko und Brasilien hören viele meine Musik. Das ist ein Wahnsinn, weil ich ja alles selbst mache. Nur so habe ich aber die Freiheit über meine Musik. Und ich kann experimentieren, wie auf dem kommenden Album. Es behält einen sozialistischen Brutalismus-Vibe, ich will das Genre aber revolutionieren. Deshalb kombiniere ich auch Minimal Techno mit Darkwave.

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Du hast gesagt, du machst alles selbst. Mittlerweile spielst du live als Band.

Mikhail Shlepin: Skubut ist und bleibt mein Soloprojekt. Die Musiker spielen für mich. Das ist gut so, weil mir niemand dreinreden kann. Ich produziere aber auch für andere Leute, man findet mich zum Beispiel bei Fiverr. Dort fragen mich meistens Personen aus den USA an. Ich kann zwar keine Namen sagen – es ist schließlich ghostproducing –, aber ich merke schon: Die Leute suchen den Post-Punk-Sound.

Wieso?

Mikhail Shlepin: Post-Punk ist durch TikTok explodiert, es hat einen Hype, ein Revival ausgelöst. Vor allem mit der Band Molchat Doma, die aus Belarus kommen und inzwischen in Los Angeles leben. Übrigens, ich habe sie kennengelernt. Es sind Freunde von Freunden, die wiederum die Band Nürnberg machen. Das ist schon cool!

Danke für deine Zeit!

Christoph Benkeser

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Links:
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