„Ich hasse die Rätsel-Kunst, ich liebe Poesie“ – PAUL BUSCHNEGG (PAULS JETS) im mica-Interview

PAULS JETS veröffentlichten vergangenes Jahr ihr Debütalbum „Alle Songs bisher“ und triumphierten damit in den Indie-Charts. Mit der Single „Üben üben üben“ gelang dem Sänger, Songwriter und Frontmann PAUL BUSCHNEGG gemeinsam mit dem Schlagzeuger XAVIER PLUS und der Bassistin ROMY PARK der Soundtrack zu einer gedankenverlorenen Jugend der Generation Z. Am 29. Mai 2020 erscheint ihr zweites Album „Highlights zum Einschlafen“ (Lotterlabel) auf dem PAUL BUSCHNEGG als einsamer Don Quijote das Cover ziert und den Kosmos einer poetisch-euphorischen Band ankündigt, die sich um düstere Facetten erweitertet. Im Interview mit Julia Philomena sprach PAUL BUSCHNEGG von der Notwendigkeit des Fehlers, einer Reise nach Goa und der Magie der schönen Sinnlosigkeit.

Seit eurem Debütalbum werden Pauls Jets als die große „Indie-Hoffnung“ Österreichs gefeiert. Macht das Druck oder Freude? War die Arbeit am zweiten Album demnach leichtfüßiger oder mit Vorsicht verbunden, weil ihr Erwartungshaltungen nicht enttäuschen wolltet?

Paul Buschnegg: Das ist schon mal eine sehr schwierige erste Frage. Mit dem Begriff „Indie-Hoffnung” schwingt eine Art Vergangenheit mit, eine verlorene, goldene Ära. Ich glaube nicht, dass wir einem Revival gerecht werden können, auch weil das nie unser Anspruch, unsere Motivation gewesen ist.  Ich habe die Songs für das neue Album recht leichtfüßig geschrieben, während wir mit dem ersten Album herumgefahren sind, um es zu spielen. Die neuen Nummern sind auf der Bühne entstanden, beeinflusst von diesem Hop-on-Hop-off-Tourleben, von dem Bandleben generell und dem Zusammenspiel mit ihr, also mit Romy und Xavier. Die neuen Lieder haben auf der Bühne immer gut funktioniert, haben uns Spaß gemacht, zum Beispiel besonders „Der Teufel“. Vielleicht hatten wir deswegen auch nicht die Angst, dass die neuen Nummern schlecht sind. Und wenn das so wäre, dann wäre es halt so. Ein Verriss wäre ein großes Kompliment, weil es doch bedeutet, dass sich jemand sehr ernsthaft mit der Musik auseinandergesetzt hat. Das finde ich schön. Außerdem, ich meine, wir machen Indie-Musik – Musik, die wir selber gerne hören wollen, Musik, die sie noch nie Gedanken darüber gemacht hat, was andere von ihr halten. Ich würde sagen, wir können machen, was wir wollen!

„Highlights zum Einschlafen“ heißt das neue Album. Welchen Stellenwert hat Selbstironie für eure Musik? Du meintest in einem Gespräch mit FM4, dass sich das neue Album weniger komischen, sondern traurigen Sachen widmet.

Paul Buschnegg: Ja, das stimmt, das neue Album ist viel ernster. Wie es dazu kommt? Das ist automatisch passiert, das ganze Album ist recht automatisch entstanden. Ich habe mich entschlossen, kein Korrektiv zu werden, das überlegt, ob das nun zu traurig oder zu depri ist. Aber es finden sich ja schon auch ein paar Witze, wenn ich so darüber nachdenke. Ich habe zum Beispiel mal Sido zitiert auf dem Album: „2, 3 Piccolo lügen nicht.“ Eigentlich ist überhaupt vieles von uns ein Witz, so Wörter wie „trapband“. Es gibt ja so was gar nicht wirklich. Das ist ein romantisches Wort, aber auch ein Witz. Vielleicht funktioniert so generell unsere Band. Die Konzerte kommen eigentlich auch oft einem Witz gleich. Der Witz hilft oft, Sinn hinter der ewigen Wiederholung zu finden. Da entsteht irgendwann ein Witz in der Performance, in der Art des Performens, und der ist sehr wichtig für uns, ohne Witz würden wir’s nicht schaffen. Aber auch nicht schaffen wollen. Wir proben wenig und verspielen uns oft. Ein Fehler ist ein Witz und der Fehler hält uns bei Laune. Aber wir sind schon auch sehr ernst, auf der anderen Seite. Aber die Konzerte sind öfter witzig, formalästhetisch sind wir ein Witz. Das andere … also das Gegenteil von Form … sagen wir mal: Magie. Das ist Ernst bei uns!

Der erste Vorbote zum neuen Album ist „Blizzard“ gewesen. Eine melancholische Hommage an die Jugend, an rauschige Nächte, schüchterne Annäherungsversuche und auch den Bergsteiger und Autor Reinhold Messner, aus dessen Buch „Arena der Einsamkeit“ am Ende des Songs gelesen wird. Gab es da zuerst deinen Songtext oder als Ausgangspunkt die Messner-Zeilen?

Paul Buschnegg: Da war zuerst der Song da, ohne Reinhold Messner. Und dann waren ein Freund namens Paul Philipp und ich im Studio und wir fanden es gut, zum Song passend einen Sprechteil mit diesen fast lyrischen Messner-Zitaten zu machen. Die Berge, der Schnee und der Rausch und der Kummer, das hat irgendwie Sinn gemacht. Aber Messner und Lyrik sind nicht der einzige Einfluss.

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Was beeinflusst dich neben Literatur und Lyrik sonst?

Paul Buschnegg: Wahrscheinlich beeinflusst mich alles, was ich jemals gehört und gelesen habe. Ich denke, deutschsprachige Liedermacher wie Dirk von Lowtzow und auch Der Nino aus Wien haben mich sehr beeinflusst. Und auch Bücher, die ich zu Beginn des Albumschreibens gelesen habe, irgendwas von Houellebecq und „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun. Auch ein Rocko Schamoni wurde gelesen – das hat mich alles beeinflusst. Ich verbringe außerdem gern eine Nacht in der Küche, solche Nächte beeinflussen mich auch. Aber vielleicht geht es auch viel darum, diese Einflüsse dann wieder loszuwerden.

„Wir machen schönen Blödsinn, davon bin ich ein Verfechter!“

„Blizzard“ ist am 13. März 2020 veröffentlicht worden, pünktlich zur Quarantäne. Wie geht es dir als Musiker damit, dass Musik momentan zwangsläufig in Verbindung mit Pandemie, Isolation, Angst und Einsamkeit rezipiert wird? Ist das eine Situation, die den Stellenwert von Kunst verändert – oder deine Auffassung von Kunst?  

Paul Buschnegg: Gute Frage. Aber die Zeit, in der wir leben, ist wohl generell eine krisenreiche. Musik und Kunst zu machen ist nichts existenziell Wichtiges. Und das macht es umso wichtiger. Das, was wir machen, ist für die Fische. Und das ist es auch, was es ausmacht. Wir entziehen uns dem Nutzen. In Frankreich sagt man „l’art pour l’art“. Für mich ist das zentral. Das kommt vielleicht nicht gut an, aber für mich ist das eben das Schöne. In einer durchgetakteten, turbokapitalistischen Welt etwas zu machen, was weder richtig Geld bringt noch sonst irgendetwas. Etwas, was sich selbst verdaut, kommentiert … Das ist ein wichtiger Teil der Kultur. Momentan, davor und danach. Ein wichtiger, fucking schöner Teil. Schön und sinnlos! Wir machen schönen Blödsinn, davon bin ich ein Verfechter! Ich mag keine Kunst, die verstanden werden muss, die belehrt. Ich hasse die Rätsel-Kunst, ich liebe Poesie. Man muss nichts verstehen, zumindest nicht auf dem neuen Album. Es ist leicht und für andere schwer, aber im Grunde genommen ein schöner Blödsinn. Deswegen wollten wir auch trotz Corona das Release-Datum nicht verschieben, unsere Musik bleibt schöne Sinnlosigkeit. Und ein Luxus, weil es gibt Menschen, die wirklich existenziell Wichtiges tun … Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Verkäuferinnen und Verkäufer. Die machen eben etwas wirklich Wichtiges, ohne die geht es gar nicht. Ich mag aber auch nicht in einer Welt ohne die anderen leben.

Es ist nach wie vor unklar, wann es wieder eine Bühne geben wird – virtuell versucht man sie weiterhin zu ermöglichen. Was hältst du davon?  

Paul Buschnegg: Ich weiß nicht ganz, was ich davon halten soll, von der virtuellen Bühne. Es gibt viel, was mich stört an Social Media, manches wiederum ist echt cool. Wir haben selbst kein Onlinekonzert gemacht, weil es eh alle gemacht haben, und jetzt fühlt es sich schon spät an. Zu Beginn habe ich ein paar YouTube-Konzerte angeschaut und sehr gemocht. Schön sind ja diese Live-Kommentare. Das gibt‘s bei echten Konzerten nicht.

Bild Paul Jets
Pauls Jets (c) Sophia Egger

„Gute Musik erzählt aber oft gar nicht von so großen Abenteuern […]

„In all diese Länder, die es gerade gibt, bist du gefahren, mit dem Lkw, ich möchte mit, und du nimmst mich mit. Das ist der Anfang, so könnte es sein.“ Die Nummer heißt „Die dunklen Prinzessinnen der Nacht“, es geht um Liebe, das Meer und Träumereien. Würde es die Nummer, oder generell das neue Album geben, wenn Abenteuer, Reisen und der menschliche Kontakt nicht möglich wären bzw. ganz anderes wären?

Paul Buschnegg: Das ist gut vorstellbar! Wenn ich einen Song mache, ist es oft eine Vermischung von Dingen, die mir passiert sind, und Dingen, die ich dazuerfinde. Das mit dem Lkw, das ist z. B. erfunden. Aber in Goa war ich wirklich mal. Ich habe schon das Gefühl, dass man nur im Kopf die größten und verrücktesten aller Reisen machen kann, wenn ich allein an Fantasy- und Science-Fiction-Literatur denke. Das sind ja auch Genres, die, glaube ich, in Krisenzeiten oder in nicht demokratischen Systemen gut funktionieren, also Raum schaffen für versteckte Kritik. Gute Musik erzählt aber oft gar nicht von so großen Abenteuern, denk ich. Und die kleinen, seltsamen Momente kann man sich nicht so gut ausdenken. Vielleicht passieren sie in Zukunft aber mit einem Roboter? Kommt wahrscheinlich auf den Typ Roboter an.

„Essen schmeckt mir heute nicht gut. Ich rauche eine Zigarette, wie kleine Lava ist die Glut. Was sind das alles für Sachen? Highlights zum Einschlafen.“ Die Nummer „Highlights zum Einschlafen“ ist inhaltlich sanft, musikalisch wilder. Worum geht‘s?

Paul Buschnegg: Bei dem Song ging es um ein Gefühl der Gelassenheit, um eine Emotionslosigkeit gegenüber all dem Trubel und all den Hypes und all den Moden. Am Anfang mochte ich einfach den Ausdruck „Highlights zum Einschlafen“, weil ich eine Zeit lang immer Sporthighlights vor dem Einschlafen angeschaut habe. Darum geht‘s jetzt aber eigentlich nicht mehr, sondern eben um Gelassenheit.

Gelassenheit fällt in der Corona-Klausur mitunter schwer. Wie denkst du über die Krise?  

Paul Buschnegg: Ich glaube daran, dass irgendeine Form von nicht vorhersehbarer, magischer Immunität auftreten wird und alles nicht so schlimm wird wie befürchtet. Umgekehrt ist es schon arg zu sehen, wie wenig Spielraum es zum Kollaps gibt. Nicht nur in der Kunstwelt. Eigentlich gibt’s gerade überall Drama. Aber etwas Positives wird die Krise schlussendlich doch bewirken, das denke ich schon! Unverhofft kommt oft. Wir werden ja sehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Julia Philomena

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