„ICH HALTE UNS SCHON FÜR SEHR HÖFLICH, MAN MUSS HALT EINFACH DEN SCHMÄH VERSTEHEN“ – YASMO IM MICA-INTERVIEW

Sie ist Rapperin, Poetin, Autorin, Aktivistin, Siegerin mehrerer Wettbewerbe, Veranstalterin zahlreicher Events und – als wäre das nicht schon genug – die österreichische Lisa Simpson: YASMIN HAFEDH alias YASMO hat im Lebenslauf einiges vorzuweisen und gehört nicht ohne Grund zu Österreichs erfolgreichsten Texterinnen. Im Interview mit Katharina Reiffenstuhl hat die Wienerin über österreichische Zwiderkeit, die relativ zufällige Entstehung ihrer Band und ihre Erfahrung als Synchronsprecherin bei einer der bekanntesten US-Zeichentrickserien gesprochen.

Deine Texte haben meist gesellschaftspolitische Hintergründe. Schreibst du da eher spontan drauf los oder beschäftigst du dich länger mit gewissen Themen?

Yasmo: Es ist ganz unterschiedlich, ich glaube, es gibt immer Themen, die ich mit mir rumtrage oder die mich eine Zeit lang beschäftigen. Eigentlich ist es meistens so, dass wenn mich irgendetwas lange genug oder zu lange beschäftigt, dass ich dann daraus einen Song mache. Da gibt es dann irgendwann einen Auslöser bzw. einen Moment, wo ich mir denke “Hä, okay, ich muss da jetzt darüber schreiben.” Dann kommt das quasi alles hinein, was ich schon davor in meinem Kopf hatte.

Mittlerweile hast du das Musikprojekt „Yasmo & die Klangkantine“, also du in Kombination mit Band. Wie kam es dazu?

Yasmo: 
Ich habe 2011 mein erstes Album veröffentlicht, 2013 das zweite. Da war ich noch solo bzw. mit DJ unterwegs. Das hat auch immer Spaß gemacht und war super. Dann sind langsam mit dem zweiten Album ein paar Türen für mich geöffnet worden und ich hatte dann die Möglichkeit, dass ich mit Bands auftrete. Ich habe Ralph Mothwurf kennengelernt bei einem Jazz-Poetry-Slam, wo man vor der Veranstaltung fünf Minuten Zeit hat, um mit den Musikerinnen und Musikern irgendwie zu reden und ihnen zu erzählen, wovon beispielsweise dein Gedicht handelt. Dann improvisieren die zu deiner Poetry-Performance Musik – und das hat so gut funktioniert! Das war damals ein Trio, wo ich mir am Schluss dachte “Okay, ich gehe da jetzt hin”, habe ihnen dann erzählt, dass ich auch Rap-Musik mache und gefragt, ob wir vielleicht mal etwas gemeinsam machen wollen. Ich hatte damals noch überhaupt keinen Bezug zur InstrumentalistInnen-Bubble. Der Ralph hat dann einfach eine Band aufgestellt und so hat das gestartet. Das war sehr schön – und ist es auch immer noch, mittlerweile ist die Klangkantine einfach so eine kleine Familie. Es macht schon etwas, wenn dann hinter dir vier Bläser reintröten, was das Zeug hält. [lacht]

Bild YASMO & Die Klangkantine
Yasmo & Die Klangkantine (c) Kidizinsane

„ICH GLAUBE SCHON, DASS MITTLERWEILE EIN GRÖßERES VERSTÄNDNIS DAFÜR DA IST, DASS KUNST AUCH EINFACH ARBEIT IST“

Im Song „Kunst y’all“ aus dem Jahr 2013 rappst du über den Beruf der Kunstschaffenden, der gesellschaftlich noch nicht so hundertprozentig anerkannt wird. Bist du der Meinung, dass die Gesellschaft seitdem hinsichtlich dieser Akzeptanz Fortschritte gemacht hat?

Yasmo: Für die Gesellschaft kann ich nicht sprechen, aber ich glaube, dass im Kunst- und Kulturbetrieb an sich Fortschritte stattgefunden haben. Die Pandemie war da sicher auch ein Katalysator. Wenn man immer damit sozialisiert ist, dass man etwas macht, was man ja gerne macht und was ja dann auch Werbung für einen selbst ist, weshalb man keine Gage verlangen soll, dann ist das ein Rad, in dem man leicht steckenbleiben kann. Kunst ist einfach Arbeit. Auch KünstlerInnen haben Miete und Versicherungen zu bezahlen. Da hat sich im Kunst- und Kulturbetrieb schon was verändert. Ich glaube, es ist ein größeres Selbstbewusstsein da, und es wird auch seitens der Fördergeberinnen und Fördergeber gehört, habe ich das Gefühl. Die Fair-Pay-Debatte, die ja von der Kultur ausgehend irgendwie angefangen hat, die ist jetzt ein größeres Thema. Die Bundesregierung ist auch jetzt langsam irgendwie dran, eine Strategie zu entwickeln. Es müssen immer alle Player am Tisch sitzen, sowohl die Kulturschaffenden, als auch die, die diese Kultur bezahlen.

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Ich glaube schon, dass mittlerweile ein größeres Verständnis dafür da ist, dass Kunst auch einfach Arbeit ist. In einem Angestelltenverhältnis sind die Rahmenbedingungen halt einfach ganz andere. Als freischaffende, selbstständige Künstlerin habe ich keine fixen Arbeitszeiten, ich muss mir meine Routine selber bauen. Ein großer Teil meiner Arbeit ist tatsächlich Mails, Bürokratisches, Administratives, Termine ausmachen. Irgendwann wird dieser Aufwand so riesig, dass man eigentlich nur mehr die Sekretärin für einen selbst ist und gar nicht mehr dazu kommt, das eigentliche, wovon alle glauben, dass das KünstlerInnen machen, nämlich einen Song oder ein Gedicht schreiben oder was auch immer, zu tun. Ich glaube, die ganzen Hintergründe, die im KünstlerInnen-Dasein stecken, an die denkt man nicht so oft. 

Du bist Teil der neuen Milka-Kampagne #zartstattzwider, du hast den Poetry Slam Text davon kreiert. Wie ist der entstanden?

Yasmo: Milka ist auf mich zugekommen und haben mir gesagt, sie machen diese #zartstattzwider Kampagne, ob ich nicht einen Text dazu schreiben möchte. Dann haben sie mir ein bisschen erklärt, worum es in der Kampagne geht und das fand ich super. Dass eine Firma hergeht und einfach nur positive Vibes verbreiten will, finde ich großartig. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Wien und Österreich immer irgendwie als zwider und als unfreundlich gelten, was ich auch irgendwo verstehe. Allerdings ist das meistens nur ein Übersetzungsfehler. Ich halte uns schon für sehr höflich, man muss halt einfach den Schmäh verstehen. [lacht] Es klingt so unglaublich simpel, aber ich finde, dass man ein Miteinander nur funktioniert, wenn man freundlich zueinander ist, wenn man aufeinander achtet, wenn man solidarisch ist. Da haben sich meine Themen mit den Themen von Milka extrem gut getroffen. Ich finde die Kampagne auch einfach super charmant, vor allem, weil sie das ja eigentlich nicht machen müssen. Mit der Meldung “Sei doch lieber zart statt zwider” rauszugehen, finde ich super.

„ICH BIN JA AUCH UNGLAUBLICH DANKBAR, DASS MIR UND MEINER HIRNSPINNEREI LEUTE ZUHÖREN“

Du bist die erste Frau, die einen Ö-Slam gewonnen hat und auch die erste, die für einen Amadeus Award in der Kategorie HipHop nominiert worden ist. Wie wichtig sind diese Errungenschaften für dich?

Yasmo: Es schaut super aus im Pressetext. [lacht] Das mit dem Ö-Slam, das war mir persönlich schon sehr wichtig, den wollte ich unbedingt einmal gewinnen. 2013 habe ich den dann gewonnen. Die österreichische Slam-Meisterschaft gibt es seit 2007, ich bin auch seit 2007 Poetry-Slammerin, ich war auch bei der ersten Meisterschaft schon dabei. Da möchte man dann eben auch einmal Meisterin werden, wenn man schon so lange dabei ist. Ich habe zu der Zeit auch schon ein bisschen gewusst, wie man gute Texte schreibt. Das klingt jetzt super berechnend, gute Texte sind natürlich etwas total Subjektives. Aber es gibt einfach verschiedene handwerkliche Griffe, die bei einem Poetry-Slam-Publikum funktionieren.

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Ich habe dann im Endeffekt tatsächlich gewonnen und mich sehr gefreut, dass ich Ö-Slam-Meisterin bin. Da war ich zu der Zeit eben auch die erste Frau. Die Amadeus-Nominierungen, das sind schon schöne Anerkennungen, dass die Arbeit gesehen wird, aber es ist für mich auch nicht das wichtigste, so einen Award zu bekommen. Wichtiger wird mir immer sein, wenn ich ein Konzert spiele, auch wenn das nur ein Konzert für zwei Personen ist, dass ich die Verbindung mit den Leuten, die mir zuhören, aufstellen kann. Ich bin ja auch unglaublich dankbar, dass mir und meiner Hirnspinnerei Leute zuhören wollen. 

Das müssen sie ja auch, wenn sie sich die österreichische Version der Simpsons anschauen. Wie bist du zur Synchronsprecherrolle der Lisa Simpson gekommen?

Yasmo (c) Christian Schreibmüller

Yasmo: 2020 hat der ORF eine Weihnachtsfolge von den Simpsons auf Österreichisch gemacht, mit Robert Palfrader als Homer Simpson, Chris Lohner als Marge, Paul Pizzera als Bart und mir als Lisa Simpson. Die haben mich bzw. meine Agentur angeschrieben und ich war zuerst eher verwirrt, weil meine Stimme ist eigentlich ziemlich tief – und ich bin auch keine Synchronsprecherin. Aber damals habe ich nicht einmal eine Sekunde darüber nachdenken müssen, ob ich Lisa Simpson sein will, natürlich wollte ich das. Ich meine, ich komme aus einer Hackler-Familie, ich wollte als Kind immer Saxofon lernen und vielleicht werde ich mal Präsidentin. [lacht] 

Dann habe ich aber ewig lange eine Stimme dafür gesucht, ich konnte mir ja quasi aussuchen, welche ich ihr gebe. Lisa ist halt keine Raucherin und ich schon. Nach ewigen langem Rumprobieren, mit Piepsstimme und allem möglichen, habe ich irgendwann gottseidank eine gute Mitte gefunden. Anscheinend ist das auch ziemlich gut angekommen, woraufhin der ORF für 2021 gleich drei Folgen mit uns als Simpsons-Familie gemacht hat. Ich hoffe, dass da noch weitere kommen werden, weil es ist ur lustig ist und macht ur Spaß. 

„WIR HABEN AUF DEM NEUEN ALBUM VERSUCHT, UNS EIN BISSCHEN NEU ZU ERFINDEN“

Du bist immer noch sehr aktiv in der Rap- bzw. Poetry-Slam-Szene, du gibst auch Workshops, arbeitest bei Kulturevents mit und veranstaltest selbst mehrere Poetry Slams. Gibt es da auch neue Projekte, die in Planung sind?

Yasmo: Heuer wird völlig crazy. Heuer wird im Poetry-Slam-Bereich tatsächlich ein geschichtliches Ereignis passieren, von 2. bis 5. November finden nämlich zum allerersten Mal in der 25-jährigen Geschichte die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften hier bei uns in Wien statt – und ich bin im Organisationsteam. Es wird riesig. Es wird geil. Es wird toll. Da kommen wirklich die besten PoetInnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxembourg, Belgien, Südtirol und Liechtenstein. Es wird das größte Live-Literaturfestival Europas, also wir rechnen mit viel Besuch. Unser neues Album kommt heuer auch im Herbst – endlich. Da haben wir uns jetzt lange genug Zeit gelassen damit. 

Was erwartet einen denn auf diesem Album?

Yasmo: Ganz viel. Wir haben viel ausprobiert, wir haben extrem viele Songs geschrieben. Die wenigsten davon haben es aufs Album geschafft. [lacht] Wir haben auf dem neuen Album versucht, uns ein bisschen neu zu erfinden. Wir haben uns zum Beispiel entschlossen, mit zwei Produzenten zusammenzuarbeiten, mit dem Mirac und dem Luca Pivetz. Da haben wir soundtechnisch wirklich ganz viel herumgearbeitet, im Songwriting sind wir ganz anderen Wegen gefolgt als früher. Es wird sehr anders, aber es wird cool. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Katharina Reiffenstuhl

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Links:
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