Der Wiener Musiker PETE PRISON IV ist nicht nur als Teil des nunmehr aufgelösten Projekts MEKONGG bekannt, sondern auch als eine Hälfte von BOSNA und seit ein paar Monaten auch als kreatives Genie hinter VERETER. Genre-technisch bewegt sich seine Musik zwischen Gegensätzlichkeiten wie melodischen Noise-Sounds und kritischer Liedermacherei. Was BOSNA und VERETER vereint, was an „weißen Dialekt-Dudes“ problematisch ist und vieles mehr erzählt PETE PRISON IV im Interview mit Itta Francesca Ivellio-Vellin.
Momentan hast du zwei Musikprojekte. Einmal Bosna, und dann auch noch Vereter. Mit Vereter hast du ja auch im September letztes Jahr den QM&A On Stage Award gewonnen. Warum schreibst du Vereter so?
Pete: Eine Freundin von mir hatte eine Postkarte, auf der ein Graffiti auf der Wand drauf ist mit den Worten “Ihr seit alle Vereter“. Also eigentlich fast alles falsch geschrieben. Da habe ich mir gesagt, sollte ich mal ein Album rausbringen, soll das so heißen [lacht].
„Ich habe auch diese beiden sehr unterschiedlichen Musikrichtungen in mir, ich spiele beides gerne.“
Wie managst du die zwei Projekte, Bosna und Vereter, nebeneinander? Das sind ja zwei sehr unterschiedliche Projekte. Mekongg gibt es ja nicht mehr, oder?
Pete: Genau, Mekongg gibt es seit zwei Jahren nicht mehr. Aber ja, das geht eigentlich ganz gut mit Bosna und Vereter. Es sind zwar sehr unterschiedliche Sachen, aber es sind ja doch meine eigenen Sachen. Ich habe auch diese beiden sehr unterschiedlichen Musikrichtungen in mir, ich spiele beides gerne.
Wo siehst du Gemeinsamkeiten zwischen Bosna und Vereter?
Pete: Vereter ist ja eigentlich eine Abspaltung von Bosna. Ganz am Anfang, als ich Bosna gespielt habe, war das auch solo und eher ein ziemliches Durcheinander. Das war so ein akustisches Noise-Projekt, das sich dann irgendwie abgespalten hat in Bosna und Bosna/ Akut. Das war aber viel zu verwirrend – sowohl für mich, als auch für die anderen. Und aus Bosna/Akut ist dann Vereter geworden. Ich spiele jetzt auch immer mehr Songs auf Deutsch. Dadurch, dass bei Bosna jetzt aber auch die Drums dabei sind und es gitarrenlastiger geworden ist, ist die Ähnlichkeit zu Vereter sehr gering. Vereter ist jetzt fast ausschließlich ein Liedermacherei-Projekt. Die Leute, die mich kennen und meine Musik schon länger verfolgen, erkennen meinen Stil schon immer wieder.
Tatsächlich? Ich finde nämlich tatsächlich, dass Bosna und Vereter so unterschiedlich sind, dass ich am Anfang nicht gecheckt habe, dass du hinter beiden steckst. Aber vielleicht liegt das daran, dass ich dich noch nicht so lange kenne.
Pete: Ich glaube, was ich immer mitbringe, ist so eine ironische Art. Vielleicht ist das mein Wiedererkennungsmerkmal.
Erzähl mal ein bisschen was von Vereter. Bisher gibt es ja nicht viele Songs.
Pete: Ja, die Songs, die draußen sind, sind sehr direkt und sehr politisch. Sie benennen den Rassismus auf eine „undramatische“ Weise. Es sich vor allem Beobachtungen und Erinnerungen.
„Ich glaube, was ich immer mitbringe, ist so eine ironische Art.“
Sehr Österreich-kritisch. Was mir ebenso gut gefällt, ist, dass du ein ur-österreichisches Genre hernimmst, das Wienerlied, und dann das Land – zu Recht – kritisierst. So ein bisschen als würdest du Österreich mit seinen eigenen Waffen schlagen.
Pete: Es ist aber nicht ausschließlich auf Österreich bezogen. Es geht auch viel allgemein um Rassismus. Natürlich ist aber zum Beispiel der “Gürtel Walzer” durch den Songnamen lokal verortbar, am Gürtel findet viel Racial Profiling statt. Ich bin ja auch in Wien aufgewachsen. Aber ich glaube, dass man diese Geschichten überall platzieren kann. Oft bin ich selbst gar nicht mal davon betroffen. Zum Beispiel beim Praterstern oder bei der Josefstädter Straße stehen rassistische Kontrollen an der Tagesordnung. Mir war es wichtig, diese Lieder auf Wienerisch zu singen, weils auch meine Sprache ist und ich meine eigene Perspektive einbringen wollte. Ich halte diese weißen Dialekt-Dudes nicht aus, die immer übers Saufen und ihre Schatzerl singen.
In welcher Location in Wien trittst du am liebsten auf?
Pete: Kommt drauf an, mit was! Grundsätzlich mag ich aber eher kleine Räume, die jetzt nicht so durchkommerzialisiert sind. Das Release von Bosna im fluc war schon echt super. Aber diese kleinen Räume eben auch. Das AU fand ich cool. Oder das 1baumöbel und das Venster, auch wenn es an solchen Orten auch schon manchmal problematische Situationen gibt.
Welche Situationen meinst du?
Pete: Das sind ja zum Großteil selbstorganisierte, linke Räume. Aber wenn man dann genauer hinsieht, sind es sehr weiße hetero-Räume, da wird zu wenig aufgebrochen. Ich kenne BIPOCS, die sagen, dass sie keinen Bock haben, dort hinzugehen, weil die Räume zu weiß und zu hetero-maskulin sind und sich nicht safe fühlen.
„Wie kann man andere Leute, also BIPOCs, erreichen? Ist das eine Interessensfrage?“
Was ist dann zum Beispiel ein Raum, in dem du dich wohl fühlst?
Pete: Ist schwer, das pauschal zu sagen. Kommt eben immer auf die Leute an. Im Oktober 2021 habe ich eine neue Reihe gestartet, die heißt ACUT. Da möchte ich gerne FLINT-Personen auf die Bühne bringen, die akustische Instrumente spielen und singen. Einfach ihnen einen Raum schaffen, weil FLINT-Personen, die Lieder machen und nicht in Bands spielen, unterrepräsentiert sind. Das Event war super, da waren auch viele Leute da. Trotzdem fällt mir immer wieder auf, dass ich da fast die einzige Person bin, die halt nicht weiß ist. Ich fühle mich dann zwar wohl, die meisten Leute kannte ich ja auch, aber die Frage, die ich mir dann stelle, ist natürlich: Wie kann man andere Leute, also BIPOCs, erreichen? Ist das eine Interessensfrage? Stehen viele einfach nicht auf diese Musik? Aber, wenn du mich jetzt fragst, wo ich mich wohl fühle – ich bin generell ein sehr umgänglicher Mensch und komme mit den meisten Menschen gut klar, auch wenn es kein dezidierter “safe space” ist. Ich bin hier halt auch aufgewachsen, ich musste mich, seitdem ich ein Kind bin, immer wieder damit auseinandersetzen, dass ich nicht hineinpasse. Ich habe schon eine ganz gute Überlebensstrategie in dieser Hinsicht gefunden. Aber natürlich gibt es Räume, in denen ich mich wohler fühle als in anderen. Ich habe zum Beispiel keine Lust mehr auf Konzerten zu spielen, wo es ein ausschließlich männliches Line-Up gibt. Allerdings, wenn man uns als Bosna bucht, dann sind das selten solche Konzerte. Was andererseits auch wieder ein bisschen schade ist, ich möchte eigentlich nicht nur in queeren Kontexten spielen.
Sondern auch mehr mainstream?
Pete: Mainstream ist vielleicht das falsche Wort. Es gibt ja auch Szenen abseits davon, in denen es nicht nur ein queeres Publikum gibt. Ich finde es aber grundsätzlich nicht verkehrt, wenn mehr BIPOS im Mainstream sichtbar sind und die Sehgewohnheiten der weißen Mehrheitsgesellschaft ändern.
Wirst du auf deine Queerness reduziert?
Pete: Das ist recht interessant – ich sage ja gar nicht, dass ich queer bin, diese Zuschreibung kommt immer von außen. Beim Popfest war das auch so, da stand dann in der Band-Bio, dass es in unseren Lyrics um Queerness geht. Also, ja, vielleicht habe ich mal in einem Interview gesagt, dass es um Homophobie geht, aber dann passiert gleich eine Schubladisierung. Es ist schon spannend, was die Leute daraus machen. Ich werde queer gelesen, obwohl ich das gar nicht so auf meine Fahne hefte.
„Ich werde queer gelesen, obwohl ich das gar nicht so auf meine Fahne hefte.“
Genau, ich habe nämlich auch öfter gelesen, dass es bei euren Texten eben um Rassismus und Homophobie geht – ich kann mir gut vorstellen, dass damit einfach dann das Label draufgepickt wird.
Pete: Mein Name trägt sicher auch dazu bei, weshalb ich automatisch als queer gelabelt werde. Nicht, dass ich ein Problem damit mit Queerness habe. Aber es ist meine Sache, wie ich mich definiere.
…aber es ist nicht das, womit du dich identifizierst.
Pete: Genau.
Es sollte ja eines Tages dazu kommen, dass das komplett irrelevant ist.
Pete: Ob wir das noch erleben werden… [lacht]
Die Hoffnung stirbt zuletzt! Zurück zu Bosna: Ich weiß, nervige Frage, aber: Warum “Bosna“?
Pete: Du bist tatsächlich eine der wenigen, die das fragt! Bosna hat mehrere Gründe. Einerseits hatte ich immer schon ein Faible für Bosnien, weil ich viele Freund*innen in der Schule hatte, die aus Ex-Jugoslawien kamen. Gleichzeitig habe ich auch ein Würstel-Faible aufgerissen, irgendwann. Ich bin mal nach Island gereist, und die essen dort ganz schön viele Hot Dogs und das hat mich fasziniert. Dann habe ich begonnen, irre viele Würstel zu zeichnen. Während des Kunststudiums an der Akademie hat mich diese Würstel-Euphorie auch nicht losgelassen. Ich habe dann auch einen Würstelstand gehabt, den habe ich immer noch und wird manchmal ausgefahren [lacht]. Hausgemachte vegane Würstel.
Wenn du jetzt von Würstel-Euphorie redest, habe ich eine sehr phallische Konnotation.
Pete: Jetzt wo du das sagst: Vielleicht habe ich meine phallische Phase nicht überwunden, oh no! [lacht]. Würstelstände sind aber einfach etwas typisch Wienerisches. Quasi das einzige authentische Street-Food Österreichs! Was mir auch immer gefallen hat: Am Würstelstand kommen die Leut zam – egal, ob Hackler oder Opernbesucher im Frack. Meine Würstel, die ich gezeichnet habe, waren auch immer traurig. Der Würstelstand heißt auch The Sad Saus. Ich fand einfach immer, dass wir alle arme Würstel sind, und so ist die Obsession entstanden.
Also bist du ein armes trauriges Würstel?
Pete: Ja, aber du auch! [lacht]
Sounds about right! Vielen Dank für das Interview.
Itta Francesca Ivellio-Vellin
++++
LIVE:
20/04/2022 – REPLUGGED, Wien AT- more info soon
17/06/2022 – ALTER SCHL8HOF, Wels AT – YOUKI FESTIVAL
18/06/2022 – ROTE BAR, Wien AT – more info soon
11/11/2022 – OKTO 12 MINUTES LIVE
++++