„Ich habe schon das Gefühl, dass wir Danzers Lieder der heutigen Zeit entsprechend interpretieren“ – CHRISTOPH KRUTZLER, LUCY MCEVIL, ALF PEHERSTORFER UND OLIVER WELTER (“Jö Schau”) im mica-Interview

Gemeinsam mit Regisseur THOMAS GRATZER haben OLIVER WELTER, LUCY MCEVIL, ALF PEHERSTORFER und CHRISTOPH KRUTZLER eine Hommage an GEORG DANZER gestaltet: „JÖ SCHAU“ bringt einen Querschnitt aus dem Werk DANZERS live auf die Bühne des RABENHOF THEATERS. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählten die vier, was von DANZER bleiben wird, welche Lieder ihnen nicht gefallen haben und warum einige Stücke heute noch politisch relevant sind.

Oliver, Du bist mit deiner Band Naked Lunch weit vom Austropop entfernt. Hast du die Lieder von Georg Danzer jemals gehört oder waren sie Neuland für dich?

Oliver Welter: Nicht bewusst gehört, ich habe einige der gängigen Hits gekannt, aber ich habe mich niemals im Leben näher damit beschäftigt. Austropop habe ich nicht verneint und ich kenne natürlich die Epigonen, ich habe ganz gern den jungen Ambros und Ludwig Hirsch gehört. Vieles habe ich gar nicht gehört, weil es einfach nicht auf meiner Menüliste war. Ich habe mit Hardcore und Punk begonnen und bin bis Danzer und Heller einen weiten Weg gegangen.

 Ihr habt mit demselben Team das Stück „Holodrio“ erarbeitet, bei dem es um André Heller und dessen Musik gegangen ist. Dafür habt ihr den NESTROY-Preis bekommen. Wie war es, wieder zusammen zu arbeiten?

Lucy McEvil: Für mich war das Team der einzige Grund, warum ich bei dem Stück mitgemacht habe. Georg Danzer ist in meinem Universum eigentlich nicht vorgekommen und ich habe auch gesagt: „Ich habe kein Problem, wenn ihr das ohne mich macht.“ Dann hat Oliver netterweise gesagt: „Na, a Band bleibt zamm!“ Wir waren extrem vertraut, was unsere Persönlichkeit, die Arbeitsweise und die Stärken und Schwächen von jedem Einzelnen anbelangt. Das ist ideal.

„Wir sind vielleicht die schrägste Band von Wien.“

Joe Schau (c) Rabenhof Sophie Menegaldo_Newman

Alf, wie war das für dich, hast du euch auch als Band erlebt?

Alf Peherstorfer: Wir sind vielleicht die schrägste Band von Wien. Bei der neuen Produktion ist die Kennenlernphase weggefallen. Ich kann mich Lucy nur anschließen: Man weiß von den Stärken und Schwächen – Schwächen gibt es aber keine.

Lucy McEvil: Bei dir gibt es keine!

Alf Peherstorfer: Es hat schon so einen Bandcharakter.

Wie habt ihr euch dem Phänomen Georg Danzer genähert?

Lucy McEvil: Angefangen hat es damit, dass sich jeder reingehört hat und Vorschläge von Liedern gemacht hat, die er sich vorstellen kann zu interpretieren. Lieder, zu denen einem etwas einfällt. Das wurde gesammelt und darüber hat sich Oliver gemeinsam mit Regisseur Gratzer hergemacht.

„Ich habe mir wahnsinnig schwergetan und habe mir gedacht: ‚Wie bringt man das rüber?‘“

Oliver, welche Facetten Danzers hast du durch das Stück „JÖ SCHAU“ kennengelernt?

Oliver Welter: Ich habe schon bei der Heller-Produktion geflucht, aber das steht in keiner Relation zum Fluchen bei Danzer. Ich habe mir wahnsinnig schwergetan und habe mir gedacht: „Wie bringt man das rüber?“ Wir sind ja – das muss man dazusagen – eine hervorragende Band. Und wie Alf sagt: Es gibt keine Schwächen, aber wir sind eine deklarierte Arte-poveraBand. Die ärmliche Kunst ist das unsere, bei allem, was darüber hinausgeht, haben wir vielleicht unsere Defizite. Im Gegensatz zu Heller, der sehr opulente Arrangements hat, ist Danzers Musik eher einfach – wobei das kein Qualitätskriterium ist, ich bin ein großer Fan von einfacher Musik. Aber das Arrangement war für mich schwierig, ich habe mir gedacht: „Wir können das nur noch mehr herunterbrechen.“ Aber wie kann man das Lagerfeuer mit unseren Mitteln noch weiter herunterbrechen? Das sage ich nicht despektierlich, das war unsere Aufgabe.

Danzers Werk, rund 400 Lieder, hat verschiedene Aspekte: Es gibt politische, spaßige und schlüpfrige Nummern. Inwiefern haben seine Lieder heute Relevanz?

Christoph Krutzler: Na gut, eins zu eins betrachtet ist das natürlich eine nostalgische Angelegenheit. Danzers Wien der 1970er-Jahre gibt es in dieser Form nicht mehr. In einem Lied von ihm heißt es: „Wenn der Sommer riecht nach Kinderfreibad, nach Teer und Benzin.“ Wenn Lucy das singt, habe ich diesen Geruch noch so gut im Kopf, aber das ist auch aus meiner Kindheit aus den frühen 1980er-Jahren. Den klassischen Strich am Gürtel gibt es schon lange nicht mehr, auch das ist romantisch verklärt. Ich habe schon das Gefühl, dass wir Danzers Lieder der heutigen Zeit entsprechend interpretieren. Das haben wir geschafft.

Alf Peherstorfer: Ich finde, die politischen Lieder sind aktueller denn je. Es gibt von Oliver eine sehr schöne Interpretation von „Der alte Wessely“, da bin ich auch Zuhörer und kriege Gänsehaut. Das hatte vor dreißig Jahren und hat auch heute Aktualität.

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Das fand ich beim Wessely-Lied auch. Bei der Aufführung, die ich gesehen habe, hast du, Oliver, am Ende gesagt: „Ciao, Wessely, ciao, Strache, ciao, Kickl.“ Wie war dieser Moment, war das geplant oder spontan?

Oliver Welter: Nein, das mache ich nicht in Absprache mit Kollegen oder irgendjemandem vom Haus, sicher nicht. Das ist einfach so gekommen, ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass die gehen mussten. Ihr Comeback wird furchtbar und groß sein, leider, damit muss man rechnen. Der kurzzeitige Übergangsminister hat gleich an den ersten beiden Tagen vieles rückgängig gemacht, das hat mir sehr gut gefallen.

Christoph, du interpretierst im Stück „JÖ SCHAU“ das Lied „Vorstadtcasanova“, in dem ein Strizzi von seinen Liebesabenteuern erzählt. Wie hast du das aufgelöst?

Christoph Krutzler: Es ist aus meinem und aus Danzers Leben gegriffen – nein, Spaß beiseite. Das ist natürlich eine klasse Geschichte und für einen Schauspieler ist es dankbar, schöne Monologe zu haben. Das Lied ist in Wirklichkeit ein Monolog mit Gesang. Ich beginne und ende allein mit der Gitarre – dazwischen ist die volle Band zu hören. Wir wollen damit bei den Zuschauerinnen und Zuschauern den Eindruck erwecken, dass das Lied nur ein Traum ist.

„Man muss sich schnell vom Original befreien.“

Oliver, „Ruaf mi ned an“ ist eine sentimentale Nummer, die spielst du allein, nur mit der akustischen Gitarre. War es schwierig, die Nummer zu singen, weil das Publikum das Original im Ohr hat?

Oliver Welter: Nein, das war nicht schwierig. Mir liegt dieses Lied sehr nahe, es liegt mir näher als viele anderen Lieder. Es ist wunderschön und hat einen großen Text. Ich kann das ganz gut: Im Wehleid suhlen, darin bin ich Meister, da findest du hier in diesem Lande keinen Besseren. Das mache ich gerne und da bin ich auch zu Hause. Bei den anderen Stücken war das ähnlich: Ich habe mir das Original zwei- oder dreimal angehört – und danach nicht mehr – und mich gefragt: „Was machen wir jetzt daraus?“ Man muss sich schnell vom Original befreien.

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Eignen sich diese Lieder von Danzer deshalb gut für die Bühne, weil sie Figuren vom Rande der Gesellschaft zeigen? Vom Strizzi bis zur Praterhure?

Lucy McEvil: Ja, sie eignen sich hervorragend, denn Figuren, die keine Brüche in sich haben, sind auf der Bühne fad. Es gibt ein Theaterstück, das heißt „Glück“, da sind alle nur glücklich – das ist ein Alptraum. Gebrochene Figuren sind auf der Bühne natürlich spannend.

Welche Danzer-Lieder mochtet ihr nicht?

Oliver Welter: Es wurden schon einige Nummern auf unserer Liste zugunsten anderer Lieder ausgetauscht. Diese Phase in den 1980er-Jahren, in der es darum ging, nach Spanien zu gehen und andalusisch zu klingen. Damit kann ich wenig anfangen. „Weiße Pferde“ ist vielleicht ganz gut, aber da wüsste ich bis heute nicht, wie man das umsetzen könnte. Auch „Griechenland“ ist rausgeflogen, das war schon okay in der damaligen Zeit: Egal was ihr macht, ich habe meinen Frieden und rauche mir einen Ofen an. Georg war natürlich auch ein 68er, aber wir haben jetzt trotzdem 2019.

Ihr habt mit dem Heller-Stück „Holodrio“ den NESTROY-Preis gewonnen. Könnte das mit „JÖ SCHAU“ auch passieren?

Christoph Krutzler: Das glaube ich nicht. Aus verschiedenen Gründen: Erstens glaube ich nicht, dass zweimal dieselbe Gruppe mit einem ähnlichen Thema – einem Hommage-Abend – gewinnt. Zweitens hat der Heller-Abend im Ganzen theatralischer gewirkt, der Danzer-Abend ist doch mehr eine Musikshow.

„Das sind Topsongs und ein guter Song bleibt ein guter Song.”

In Wien gibt es immer wieder Tribute-Abende zu Georg Danzer. Das ist ein Werk, das nachhallt. Was wird bleiben von Danzer?

Alf Peherstorfer: Man sieht ja, dass unser Stück großen Anklang findet. Es wird auch in den nächsten Jahren so sein, dass diese Lieder bleiben. Ich finde die melancholischen Lieder schön, wie „Ruaf mi ned an“ und „Lass mi amoi no d’Sunn aufgehn segn“. Das sind Topsongs und ein guter Song bleibt ein guter Song.

Christoph Krutzler: Einige Klassiker des Austropop. In dieser Ära war er einfach einer der ganz Großen. Inhaltlich war er sicher einer der Größten – musikalisch vielleicht nicht bei allen Nummern.

Joe Schau (c) Rabenhof Sophie Menegaldo-Newman

Das Lied „Jö schau“ könnte in 50 Jahren wie ein Volkslied gehört werden.

Lucy McEvil: Ja, das kann durchaus sein. „Wos macht a Nackerter im Hawelka?“ ist einfach eine gute Hookline und das bleibt üblicherweise, die habe sogar ich gekannt. Das wird schon bleiben und hat absolut seinen Sinn und seine Berechtigung.

Wie siehst du das, Oliver?

Oliver Welter: Abgesehen von seiner Musik wird Danzer auch als Figur bleiben. Das kann man natürlich nicht trennen, aber er wird als Person, als Ikone so lange bestehen, solange es Österreich gibt. Das hat er sich in irgendeiner Form auch verdient, denn die Geschichte des Austropop, das waren nicht tausend Leute, das war eine Hand voll Leute, die das vorangetrieben haben. Wie „Wie a Glockn“ von der Mendt bleiben wird, so wird er als Ikone für ganz viele Menschen bleiben. Das finde ich schon gut.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Jürgen Plank

Nächsten Termine:
19. Oktober 2019, 20:00 Rabenhoftheater, Wien
20. Oktober 2019, 20:00 Rabenhoftheater, Wien

Link:
Rabenhoftheater (Website)