„Ich habe immer Lieder geschrieben. Dagegen kann ich mich nicht wehren.” – TOBIAS PÖTZELSBERGER im mica-Interview

TOBIAS PÖTZELSBERGER kennen die meisten als ZIB 1-Moderator. Dass der bekannte Journalist schon Singer-Songwriter war, bevor er das erste Mal in die Kamera linste, wissen allerdings nur die wenigsten. Mit Markus Deisenberger sprach er über sein kommendes Album “Prudence”, das schwierige Vatersein und die Philosophie von Björn Borg. Und er verriet, weshalb er beim Musikmachen deutlich aufgeregter als bei einer Nachrichtensendung ist.

Die erste Single “Carry you” ist Vorbote für dein im Herbst herauskommendes Album “Prudence”. Sie erschien kurz vor den letzten Elefantenrunden zum EU-Wahltag. Das Album und die Tour kommen dann im Herbst, wenn Nationalratswahlen sind. Kein optimales Timing für einen Polit-Journalisten, oder?

Tobias Pötzelsberger: Wenn du das neben der Arbeit machst, gibt es den guten Zeitpunkt eigentlich eh nie. Aber es frisst schon viel Zeit, wenn man das nebenbei macht. Das unterschätzt man. Und man muss dann aufpassen, dass man es auch genießen kann und nicht vor lauter Dies und Das, Bürokratie und Organisieren vergisst, dass es vorrangig Spaß machen soll. Ich muss ja nicht Musik machen. Ich mache Musik aus reiner Freude.

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Viele glauben, das ist ein nettes Hobby von diesem bekannten ORF-Journalisten. Eh lieb. Aber du hast gesungen und Gitarre gespielt, lange bevor du als Journalist bekannt wurdest. Ich kann mich noch an deine Band The More or the Less erinnern. Wie hat es eigentlich angefangen?

Tobias Pötzelsberger: The More Ohr Less gibt es nicht mehr. Angefangen hat es mit Sechzehn. Mit Eva Klampfer, die man als Lylit kennt und die meiner Meinung nach die beste Soul-Sängerin weit und breit ist. Mit ihrer Schwester und ein paar anderen Freunden war ich gemeinsam in meiner ersten Band. On Wings to Kashmir hieß die. Da hat das Musikmachen in Bands begonnen. Mit Neunzehn, Zwanzig habe ich dann begonnen, eigene Songs zu schreiben. Wenn mich heute jemand fragt, dann rechne ich bis dorthin zurück. Das sind zwanzig Jahre eigene Lieder schreiben, fünfundzwanzig Jahre Gitarre spielen und Singen. Das hat sich bis jetzt entwickelt. The More and the Less war das längste Projekt. In dieser Zeit sind zwei Alben entstanden, die eh den gleichen Stil hatten wie das neue Projekt. Früher fanden wir es halt cooler, uns hinter möglichst komplizierten Bandnamen zu verstecken. Das war damals die Mode und zumindest in unseren Augen cool. Beim dritten Album jetzt habe ich mir allerdings gedacht: Jetzt stehe ich mit meinem Namen dazu. Das bin jetzt einfach ich, so wie ich bin.

Du hast also nie wirklich aufgehört zu komponieren?

Tobias Pötzelsberger: Nein, und es ist auch immer derselbe Stil geblieben. Ich habe auch keine Lust, jetzt eine Rockband zu gründen oder wieder Blues zu spielen, so wie früher mal. Dieses Singer-Songwriter-Ding ist mir über die Zeit einfach geblieben. Das merke ich auch an meinem eigenen Spotify-Account oder was ich an Musikrezensionen so lese. Die Singer-Songwriter-Folk-Country-Americana-Musik – das bin einfach ich. Dem bin ich treu geblieben und dem werde ich auch weiterhin treu bleiben.

Warum ein Album?

Tobias Pötzelsberger: Ja, man könnte sich schon fragen, warum nicht nur eine EP oder Singles, weil Alben ja an Bedeutung verloren haben, seit Musik hauptsächlich digital gehört wird. Aber da bin ich zu sehr Traditionalist. Wenn schon, denn schon. Es waren außerdem genug Lieder da. Ich habe immer Lieder geschrieben. Dagegen kann ich mich nicht wehren. Ich spiele fast jeden Tag Gitarre und dabei kommen mir Ideen, die ich mit dem Handy aufnehme. So haben sich über die Jahre viele Ideen angesammelt. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, das einfach wegzuwerfen. Natürlich ist das neben Arbeit und Kind ein Stress, aber ein positiver. Ich wollte diese Seite an mir einfach nicht aufgeben. Ich hätte mir, glaube ich, irgendwann Vorwürfe gemacht, wenn ich diese Leidenschaft nicht mehr weiterverfolgt und zugunsten der Arbeit aufgegeben hätte. Das fände ich einen traurigen Gedanken. Dieses zweite Leben, das ich führe, ist mir schon sehr wertvoll.

Jetzt kann die Bekanntheit ein Vorteil, aber auch ein Nachteil sein. Wie siehst du das?

Bild Tobias Pötzelsberger
Tobias Pötzelsberger (c) Barnabas Wilhelm

Tobias Pötzelsberger: Dass sehe ich ganz entspannt. Die Bekanntheit ist immer ein Vor- und ein Nachteil – auch im Privatleben. Wenn man erkannt wird an allen möglichen und unmöglichen Plätzen – daran muss man sich erst einmal gewöhnen, aber daran habe ich mich ganz gut gewöhnt. So ist das vielleicht auch bei der Musik. Dass dann die eine oder andere Kritik ein bisschen schärfer ausfällt, weil die Person vom ORF ist und man diese Person oder den ORF an sich nicht mag, wie auch immer, war mir klar. Und das passt auch. Es ist ein freies Land, und jeder darf zum Glück sagen, was er will. Mein Leben geht generell mit einem gewissen Bekanntheitsgrad einher, und deshalb sehe ich das sehr neutral. Vielleicht ist die Bekanntheit manchmal auch von Vorteil, weil die Aufmerksamkeit etwas höher ist. Aber die Fallhöhe ist natürlich auch eine höhere.

Und die Verwundbarkeit, oder?

Tobias Pötzelsberger: Ja, ich bin beim Musikmachen deutlich aufgeregter und nervöser als bei einer Nachrichtensendung. Das ist jetzt keine Tagebuch-Lyrik auf dem Album. Aber man schreibt es selbst, verhandelt sich selbst. Es geht auch recht viel ums Scheitern auf dem aktuellen Album, und klar macht einen das auch verwundbar, wenn man ein Stück Herzblut offen darlegt.

Wie kams zum Albumtitel “Prudence”?

Tobias Pötzelsberger: “Prudence” ist ein kleiner, versteckter Apell von mir an die Welt. Man übersetzt das mit Umsicht, Vorsicht, Nachsicht und Besonnenheit. Das ist es, was der Welt gerade fehlt. Außerdem bin ich großer Beatles-Fan. Beim Überlegen bin ich auf den Titel “Dear Prudence” von den Beatles gestoßen – ein sehr, sehr schönes Lied, das ich sehr mag. Darin geht es zwar um ein Mädchen, was jetzt ursächlich mit meinem Lied wenig zu tun hat, aber ich fand das eine nette Note.

Die Single verhandelt das Thema Vatersein. Wieso hat dich dieses Thema bewegt bzw. zu einem Song inspiriert?

Tobias Pötzelsberger: Was ein guter Vater ist und wie man ein guter Vater ist, beschäftigt mich, seit mein Sohn auf der Welt ist, seit nunmehr neun Jahren also. Das Leben mit Kind ist wunderschön, aber auch eine riesige Herausforderung, weil man sich auf jemanden einstellen und manchmal Grenzen setzen muss. Auf der anderen Seite muss man den Kindern Fliegen beibringen, damit sie ihr Nest irgendwann auch verlassen können. Und man ist immer wieder zur Selbstreflexion gezwungen, ob das, was man tut, auch wirklich gut ist. Kann ich es anders oder besser machen? Das finde ich eine extrem spannende Aufgabe, die einen oft an die eigenen Grenzen bringt, und zugleich eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Eine gute Freundin von mir hat einmal gesagt: „Wer keine Kinder hat, hat einen Teil des Lebens nicht gelebt.” Klingt ein wenig streng, aber da ist schon was dran.

Aber einfach ist es nicht, oder?

Tobias Pötzelsberger: Nein, aber das hat aber auch niemand behauptet. Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich will ein aktiver, guter und von mir auch cooler Papa sein. Und da stellt sich die Frage: Wie macht man das?

Du hast angesprochen, dass die eine oder andere Kritik auch schärfer ausfallen kann. Im Standard war zu lesen, die Single sei zwar “mit vollem Herzen gespielt”, aber auch “sehr, sehr gut gemeint”. Jetzt wissen wir seit der Tante Jolesch, dass das Gegenteil von gut gut gemeint ist. Hat dich die Kritik geärgert?

Tobias Pötzelsberger: Nein, die Kritik habe ich sogar gefeiert und sehr laut darüber lachen müssen. Ich habe das genauso erwartet, weil es relativ unmöglich ist, dass der Standard diese Musik lobt oder gern mögen würde. Es stellt sich eher die Frage, was man dort eigentlich mag. Ich habe das Gefühl, dass es dort fast nur Verrisse gibt. Ich war früher selber Musikjournalist und habe auch Verrisse geschrieben. Das liest sich recht lustig, aber trifft mich nicht wirklich, weil ich mir bei meiner Musik sehr sicher bin. Ich mag das, mir gefällt es. Ich spiele eh nicht für die Kritiker, sondern mache einfach das, was mir gefällt.

Und es ist ja schön, dass man überhaupt eine Kritik kriegt. Selbst eine nicht so wohlgesonnene ist besser als Gleichgültigkeit.

Tobias Pötzelsberger: Any News is good news, so ist es, weil es für Aufmerksamkeit und auf der Seite derer für Sympathie sorgt, denen es sehr wohl gefällt. Musik ist letzten Endes eine Geschmacksfrage, und ich habe auch sehr gute Kritiken bekommen. Da fällt eine `gfeanzte´ nicht so ins Gewicht

Was hat dich zu dem Album – jetzt einmal abgesehen vom Vater-Thema – zum Album inspiriert?

Bild Tobias Pötzelsberger
Tobias Pötzelsberger (c) Barnabas Wilhelm

Tobias Pötzelsberger: Unterschiedliche Sachen. Auch der Umgang mit sich selbst und dem Scheitern. Ich spiele seit ein paar Jahren sehr viel Tennis und habe da eine intensive Selbsterfahrung gemacht. Das kann ein wahnsinnig frustrierender Sport sein, weil man ständig mit dem eigenen Unvermögen konfrontiert ist. Tennis besteht ganz stark aus Fehlern. Das wird dann oft zu einer Charakterstudie auf dem Platz. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, und es hat mich am Anfang unheimlich frustriert, dass das so mühsam zu lernen ist. Ich wollte es aber unbedingt, bin deshalb oft gescheitert und habe mich über mich selbst aufgeregt, bis ich begriffen habe, dass das überhaupt nichts bringt. Man steht sich so nur selbst im Weg und die Konzentration leidet. Die eigentliche Kunst ist, sich selbst im Griff zu haben.

Weniger John McEnroe, mehr Stefan Edberg also?

Tobias Pötzelsberger: Mehr Björn Borg. Die Kunst der Besten ist es, auch in schwierigen Momenten ruhig und besonnen zu blieben, soweit es halt irgendwie geht. Und das kann man aufs ganze Leben umlegen. In Alltag ist es auch wichtig, in schwierigen Situationen klar zu bleiben. Das ist zum Beispiel etwas, das sich in der zweiten Single, die bald erscheinen wird, widerspiegelt: Play it cool. Da geht es genau um das.

Wie würdest du das Album beschreiben?

Tobias Pötzelsberger: Es ist eine Mischung aus recht alten Liedern – das älteste Lied ist acht, neun Jahre alt – und neuen Songs. “Carry You” habe ich als allerletztes Lied geschrieben, das ist ganz frisch. Es ist ein wenig quer durch und hat oft noch Anleihen an die früheren Alben. Damals habe ich ganz stark die Beobachterrolle eingenommen und Leute beobachtet, auf der Straße zum Beispiel, und mir vorgestellt, wer das sein könnte, warum er oder sie so schaut wie er/sie schaut. Warum macht er/sie das, was er/sie macht? Ich habe mir Geschichten einfallen lassen. Da gibt es also auch noch ein, zwei Lieder, die in diesem Stil gemacht sind.

Würdest du zustimmen, wenn ich die Stimmung als eher ruhig und nachdenklich bezeichne?

Tobias Pötzelsberger: Ja und Nein. Das Ziel war schon, auch ein paar flotte Elemente drin zu haben. “Carry You” ist sicher eines der schnellsten Lieder, die ich jemals geschrieben habe. “Play it cool” ist auch ein bisschen beschwingt. Je länger das Album dauert, desto ruhiger wird es aber, desto mehr folky Elemente kommen rein. Natürlich werde ich nie ein volles Rock-Album mit möglichst vielen Beats per Minute machen. Das wird es bei mir nie geben. Muss aber auch nicht sein. Ich finde, dass es eine gelungene Mischung geworden ist. Ich habe versucht, das Frühe reinzubringen, aber auch ein paar neue Sachen zu probieren. Und ich habe Co- Writing reingebracht. Bei manchen Texten hat mir mein Produzent Niklas Apfel sehr geholfen. Der ist ein Genie. Insgesamt, finde ich, ist das Album eine gute Fortführung des Begonnenen ist.

Wie bist du zu deinen Mitmusikern gekommen. Mario Fartacek habe ich im Video zu “Carry You” erkannt.

Tobias Pötzelsberger: Mit dem Mario habe ich mir früher in Salzburg einen Proberaum geteilt. Gleichzeitig ist er an der Plattenfirma, auf der ich veröffentliche, Assim Records, beteiligt. Da war es irgendwie logisch. Mein Produzent, Niklas, spielt auch mit. Ihn habe ich über einen Freund, den Sänger von Oehl, kennengelernt habe. Oehl arbeiten auch mit Niklas. Lukas Froschauer ist ein alter Bekannter aus Salzburg. Er hat früher bei den Purple Souls gespielt. Beim Schlagzeuger war ich mir lange nicht sicher. Da hat mir Ina Regen, die in Wien zufällig fast meine Nachbarin ist, geholfen. Wir treffen uns hie und da, und da hab´ ich sie mal gefragt, ob sie einen Schlagzeuger weiß. „Ja, frag doch den David Eibl, der ist super für dich”, hat sie gesagt und recht behalten. Er ist tatsächlich super für mich.

Du hast die Beatles angesprochen. Wer waren sonst noch deine Helden, die man am Anfang seiner Karriere ein wenig kopiert und denen man nacheifert?

Tobias Pötzelsberger: Bright Eyes, Death Cab for Cutie, Simon and Garfunkel und die Beatles. Heute sind es immer noch Lieder dieser Bands, aber es hat sich natürlich erweitert. Ich hör gerade viel Chris Stapleton, Ruston Kelly, Milk Carton Kids, habe aber auch eine Schwäche für Taylor Swift entwickelt. Gerade die Sachen, die sie mit The National und Bon Iver gemacht hat, finde ich großartig. Ja, das ist das Fahrwasser.

Du gehst im Herbst auf Tour?

Tobias Pötzelsberger: Ja, eine super Tour wird das mit tollen Destinationen. Sie fängt am 26. September in Linz an, dann kommen wir nach Salzburg, ins Porgy and Bess in Wien, und ins Grazer Orpheum, an das ich auch gute Erinnerungen habe. Dann kommen noch Treibhaus Innsbruck und Sankt Pölten. Einige wirklich coole Termine – genauso viele Termine, wie sich neben der Arbeit halt ausgehen, weil klar ist schon: Die Arbeit ist meine Priorität, die ich nicht vernachlässige. Es wird cool, und ich bin in freudiger Erwartung, aber auch nervös.

Nervös? Ist doch noch eine Weile hin.

Tobias Pötzelsberger: Das ändert nichts an der Nervosität.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

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Assim Records