Mit ihrem neuen selftitled Album “AVEC” (VÖ: 24.01.25) beweist AVEC aka Miriam Hufnagl, dass Erfolg nicht in großen Hallen, sondern in ehrlichen, handgemachten Songs liegt. Zwischen Schafen, Songwriting und Self-Care hat die Musikerin viel zu erzählen: Sie spricht über nostalgische Super-8-Ästhetik, inspirierende Zugfahrten und ihren ganz persönlichen Plant-Care-Day. Außerdem gibt sie Einblicke in das Aufarbeiten von Verlust, die Vielschichtigkeit von Liebe und warum sie die Bühne zwar genießt, den inneren Kampf davor aber für das Outcome in Kauf nimmt. Ihr Album ist so vielseitig wie eine gut gepflegte Zimmerpflanzensammlung – und genauso echt!
Vor ein paar Jahren meintest du noch, du wolltest nicht in die Stadt ziehen. Jetzt wohnst du hier im 14. Bezirk, fast schon am Stadtrand. Was magst du daran?
AVEC: Ich wollte eine Kompromisslösung zwischen „noch grün“ und „noch nicht ganz zugepflastert“. Deswegen ist es cooler, ein bisschen weiter draußen zu wohnen. Ich fahre ja auch oft nach Oberösterreich heim, deshalb ist das hier ein ganz guter Ausgleich.
Bist du ein Familienmensch?
AVEC: Ja, das hat einen ganz, ganz wichtigen Stellenwert.
Auf dem Cover sieht man auch ganz viele Schafe! Gehören die auch dazu?
AVEC: Nein, leider nicht! Die gehören einem Nachbarn. Aber wenn die zur Adoption freigegeben wären: I would take them! Grundsätzlich ist mein Plan schon, irgendwann einen kleinen Hof zu haben mit ein paar Zwergschafen, die als Rasenmäher fungieren.
Statt oder parallel zur Musik?
AVEC: Parallel! Ich hoffe, dass ich die Musik bis ins hohe Alter durchziehe und es sich ausgeht.
Wieso wolltest du überhaupt ein Albumcover mit Schafen machen?
AVEC: Das stand schon immer auf meiner Bucketlist: Ein Shooting mit Schafen und ein Albumcover, auf dem ein Schaf und ich zu sehen sind. Schafe sind ja meine Lieblingstiere. Ich habe mich dann in ganz Österreich auf die Suche gemacht und viele Bäuer:innen angeschrieben. Zwei haben geantwortet. Einer davon, Josef Eisl, hat am Wolfgangsee seine Schafe. Er schrieb mir sofort zurück und meinte, er würde die Schafe fürs Shooting sogar hübsch machen. Damit hatte er mich! Als ich dorthin gefahren bin, war es einfach unglaublich. Ich hatte zuvor noch nie mit Tieren geshootet. Man muss sehr geduldig sein und viel Zeit einplanen. Aber als die Schafe warm geworden sind und auf mich zukamen, war es einfach nur: The best day of my life! Sie waren so zutraulich und entspannt, als würden sie das jeden Tag machen.
Wer hat das Shooting gemacht?
AVEC: Christoph Hofbauer. Mit ihm habe ich schon bei meiner ersten EP und den ersten drei Alben zusammengearbeitet.
Du hast ja schon eine ganz schöne Diskografie mit 29 Jahren. Wie ist das passiert?
AVEC: Das frage ich mich auch immer wieder! Ich habe einfach sehr früh angefangen. Mit elf Jahren habe ich begonnen zu schreiben, und 2014 startete mein erstes Projekt. 2015 kam dann schon die Erstlings-EP raus. Das ging recht schnell. Mit Andi (Anm. Andreas Häuserer), meinem besten Freund und Produzenten, wollten wir das damals ganz DIY machen, bevor wir ein Management oder Label hatten. Das war dann ein Sprung ins kalte Wasser! Inzwischen bin ich 29 und habe mein viertes Album gemacht. Das fühlt sich unwirklich, aber auch verdammt cool an, besonders jetzt mit meinem eigenen Label. Ich fühle mich angekommen, bin aber noch lange nicht „alt“.
“HEUTE HABE ICH MEHR SELBST IN DER HAND”
Hast du mit dem Image, das du vor zehn Jahren hattest, gebrochen?
AVEC: Gar nicht so sehr. Man hört es an der Musik und sieht es an mir: Ich bin älter geworden, und die Musik hat sich verändert. Aber alles, was damals entstanden ist, hat seine Berechtigung. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich ein komplett anderer Mensch bin. Ich bin immer noch authentisch und bodenständig, habe inzwischen einfach mehr Skills und weiß genau, was ich musikalisch will. Heute habe ich mehr selbst in der Hand. Das war ein ganz natürlicher Werdegang.
Dein jetziges Album trägt den gleichen Titel wie euer Projekt: AVEC. Hat dieses Ankommen etwas damit zu tun?
AVEC: Für mich war es naheliegend, dieses Album self-titled zu machen. Es hat definitiv etwas mit Ankommen zu tun. Das klingt vielleicht klischeehaft, aber mit meinem eigenen Label habe ich das Gefühl, dass es zu 100% ich bin. Das ist ein schönes Gefühl, alles komplett aus eigener Hand gemacht zu haben.
Du hast jetzt schon zweimal vom In-der-Hand-Haben gesprochen. Was bedeutet Handarbeit für dich in der Musik?
AVEC: Der gesamte Songwriting- und Produktionsprozess. Für mich ist Handarbeit, wenn etwas wirklich aus der eigenen Hand kommt. Viele denken, dass man schnell einmal einen Song herunterschreibt. Aber es ist harte Arbeit! Ich habe das gesamte Album zusammen mit Andi gemacht. Das war ein intensiver Prozess. Wir kennen uns seit 15 Jahren, und hätten wir uns nicht so gut gekannt, wäre unsere Freundschaft an diesem Album zerbrochen. Es war einfach viel, aber auch eine coole Gelegenheit, uns noch besser kennenzulernen.
Gab es bestimmte Erfahrungen, die dieses Album besonders geprägt haben?
AVEC: Es sind recht viele, deswegen ist das Album auch so breit gefächert. Seit 2020 ist nur eine EP erschienen, und seit dem letzten Album ist viel Zeit vergangen. In dieser Zeit ist so einiges passiert – beruflich, familiär und generell menschlich. Damit ist das Album ein Aufarbeiten der letzten fünf Jahre. Es geht um Liebe, sowohl in Beziehungen als auch in der Familie. Es geht um Trauer und Verlust. Es geht um Menschen, die mich verletzt haben, mit denen ich abrechnen kann. Aber auch um die Innenschau: Was ist Liebe für mich? Zum Beispiel in „Misconception of Love“. Es steckt sehr viel von mir darin, und es war eine schöne Reise, alles wie ein Buch aufzublättern und zu schauen: Was ist in den letzten Jahren passiert?
Was ist denn Liebe für dich?
AVEC: Das ist echt schwierig. Wenn ich es wüsste, würde ich nicht so viel darüber schreiben. Für mich ist Liebe unglaublich vielseitig. Sie kann das schönste Gefühl der Welt sein, aber auch so sehr wehtun. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Liebe ist essentiell, nicht nur für mich, sondern für die Menschheit, weil sie dem Leben Sinn gibt. Aber gerade weil Liebe so vieles ist, kann man sie kaum in einem Satz definieren. Deshalb bleibt sie für mich, besonders beim Songwriting, ein faszinierendes Mysterium.
Würdest du Liebe in Kategorien aufteilen?
AVEC: Ich habe schon das Gefühl, dass sich Liebe je nach Person anders anfühlt. Wenn ich an meine Mutter denke, die für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben ist, dann ist das eine Liebe, die sich unendlich anfühlt und niemals verändern wird. Die Liebe zu meiner Band hingegen ist eine ganz andere. Ich liebe meine Band, aber es ist nicht die gleiche tiefe Liebe wie die zu meiner Mutter.
Hat das etwas mit Bedingungslosigkeit zu tun?
AVEC: Auf jeden Fall. Die Liebe zu bestimmten Menschen oder Gruppen ist oft an die Beziehung zu ihnen gebunden.
Ja, weil die Liebe zu gewissen Menschen oder Gruppen eben daran geknüpft ist, dass die Beziehung in diesem Moment besteht.
AVEC: Genau! Freundschaftliche Liebe ist zum Beispiel eine wunderschöne Form der Liebe. Aber die Beziehung zu meiner Mutter wird sich nie ändern, weil sie immer meine Mutter bleibt. Deshalb ist die Liebe in der Familie etwas Besonderes.
“WENN MAN IN EINER ROMANTISCHEN BEZIEHUGN JEMANDEN BEDINGUNGSLOS LIEBT, KANN MN SICH SELBST DARIN SCHNELL VERLIEREN”
Man redet ja gerade bei Familie oft von bedingungsloser Liebe.
AVEC: Und bei romantischer Liebe kann es zwar bedingungslos sein, aber oft fühlt sich das falsch an. Wenn man in einer romantischen Beziehung jemanden bedingungslos liebt, kann man sich selbst darin schnell verlieren. Das finde ich problematisch, weil man trotzdem ein eigenständiger Mensch bleiben sollte. Wenn man sich komplett aufgibt, wird es schnell toxisch.
Gerade rund um Weihnachten denkt man viel über solche Themen nach, oder?
AVEC: Absolut. Ich kenne einige, die einen Elternteil verloren haben, und das verändert die Situation komplett. Wenn ich Weihnachten mit meiner Mutter und meiner Schwester verbringe, bin ich so dankbar, dass ich diese Zeit mit ihnen habe. Viele Leute haben das nicht. Weihnachten regt definitiv dazu an, über solche Dinge nachzudenken.
Zurück zu den Titeln: War „Misconception of Love“ ein schwieriger Song zum Schreiben?
AVEC: Nein, eigentlich nicht. Den Song gab es schon länger, und er war schnell recht klar. Emotional schwieriger war zum Beispiel „Real Love“, weil es eine Abrechnung mit einer toxischen romantischen Beziehung ist. Manchmal stecke ich in solchen Situationen fest und brauche lange, bis ich den Mut finde, etwas zu sagen. Deswegen war der Song so schwer. Auch „Silently“ war schwierig, weil er von Trauer und Verlust handelt. Mit diesem Song habe ich die Geschichte meines Onkels verarbeitet, der 2020 gestorben ist. Emotional über solche Dinge zu schreiben, bleibt immer herausfordernd.
Ist es für dich schwer, solche persönlichen Emotionen immer wieder auf die Bühne zu bringen?
AVEC: Grundsätzlich glaube ich, dass Zeit heilend wirkt. Deswegen wird das Songwriting und Immer-wieder-live-spielen, auch ein Verarbeitungsprozess. Es ist jedes Mal heavy, aber genau das wird dann auch zum Publikum transportiert, und viele können sich damit identifizieren. Das ist ein schönes Geben und Nehmen.
Ich hatte den Eindruck, dass du generell viel mit Kontrasten spielst. Inwiefern ist dieses Abwägen von Licht und Schatten für dich wichtig?
AVEC: Früher, habe ich viel durch die Blume gesagt, um ein gewisses Mysterium zu bewahren. Das war mir wichtig, weil ich noch nicht bereit war, so offen über vieles zu sprechen. Ich war jünger und erst kurz in Therapie. Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich nichts mehr kaschieren oder verschleiern möchte. Ich will alles direkt ansprechen. Trotzdem spiele ich nach wie vor gerne mit Kontrasten, wie einem traurigen Text mit einer up-tempo Instrumentierung. Ich mag es, wenn man den Song ein paar Mal hören muss, um zu verstehen, worum es eigentlich geht. Aber alles ist jetzt viel direkter – ich habe keine Lust mehr, mich zu verstecken!
Wie erlebst du dieses emotionale Nach-außen-tragen als Musikerin?
AVEC: Das ist nicht immer einfach im Musikbusiness. Ich habe schon das Gefühl, dass gerade Frauen und Künstlerinnen viel häufiger nach ihrem Privatleben gefragt werden. Das beantworte ich aber inzwischen einfach nicht mehr, denn es geht niemanden etwas an und hat auch nichts mit meiner Musik zu tun. Vielleicht sind wir Frauen auch schon so daran gewöhnt, dass wir damit rechnen.
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass das in der Industrie noch so häufig vorkommt?
AVEC: Vielleicht daran, dass viele Männer in der Branche – und ich meine das nicht böse – einfach nicht reflektiert genug sind und sich nicht so viel mit solchen Themen auseinandersetzen. Aber das ist wohl ein allgemeines Männer-Problem.
Du bist ja sehr erfolgreich in dem, was du machst. Was bedeutet Erfolg für dich oder Karriere?
AVEC: Für mich bedeutet Erfolg, wenn Leute zu meinen Konzerten kommen und meine Musik hören. Das ist es im Grunde. Es hängt auch davon ab, warum man überhaupt angefangen hat. Für mich war Musik anfangs nur ein Hobby – ich wollte eigentlich Medizin studieren und bin kein Mensch, der gerne im Mittelpunkt steht. Jetzt stehe ich aber auf der Bühne, und obwohl das gar nicht mein Ding war, mag ich es mittlerweile, weil das, was ich vom Publikum zurück bekomme, mich erfüllt. Es war ein schwieriger Weg, und deshalb fällt es mir schwer, Erfolg genau zu definieren.
“ICH BRAUCHE KEINE GROßEN HALLEN, SONDERN WILL ENTSPANNTE KONZERTE SPIELEN.”
Wie hat sich dein Blick auf Erfolg verändert, seit du Musik hauptberuflich machst?
AVEC: Nachdem ich mein eigenes Label habe, muss ich schauen, dass sich das alles finanziell ausgeht. Ich lebe von meiner Musik, und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht auch darum geht. Ohne Einkommen könnte ich das Projekt nicht machen. Aber ich habe nicht angefangen, Musik zu machen, um reich und berühmt zu werden. Es muss differenziert betrachtet werden. Ich finde auch nicht, dass man in seinen 20ern schon „erfolgreich“ sein muss, weil sonst alles vorbei ist. Da kann noch viel passieren. Ich bin fast 30, habe mir einen Namen gemacht, aber bin nicht extrem berühmt. Ich brauche keine großen Hallen, sondern will entspannte Konzerte spielen. Ich bin keine Entertainerin, sondern Songwriterin. That’s it.
Wie fühlt es sich für dich an, auf der Bühne zu stehen, wenn das ursprünglich gar nicht dein Ziel war?
AVEC: Auf der Bühne zu sein, ist super. Die Stunden davor sind aber immer ein Kampf: mein Körper gegen mich. Sobald ich aber auf der Bühne bin, geht es, weil ich meine Songs gerne spiele. Aber es ist nicht einfach, und ich bin auch immer froh, wenn das Konzert vorbei ist, weil sich mein Körper dann entspannen kann. Während des Auftritts genieße ich es, nur ein Teil von mir ist eben immer angespannt. Das sind die zwei Seiten, die immer in mir kämpfen. Der eine Teil genießt es, der andere will sich verstecken. Aber ich denke, vielen geht es so, und ich bin damit nicht allein. Ich akzeptiere das für das Outcome.
Hast du einen besonders magischen Moment auf der Bühne in Erinnerung?
AVEC: Als wir dieses Jahr im OKH in Vöcklabruck gespielt haben, wo ich herkomme, war das ein tolles Gefühl. Wir haben das erste Mal seit Langem wieder „Granny“ gespielt. Beim Mitsing-Teil, wo das Publikum den Chor übernimmt, ist mir richtig das Herz aufgegangen.
Was inspiriert dich beim Songwriting?
AVEC: Musik eigentlich gar nicht so sehr. Natürlich habe ich meine Lieblingskünstler:innen und bewundere gutes Songwriting. Aber ich gehe auch gerne in Museen und Ausstellungen. Das inspiriert mich visuell sehr. Auch das Unterwegssein, wie im Auto oder Zug, macht etwas mit mir. Außerdem höre ich viel mehr Podcasts als Musik – das ist ein guter Ausgleich. Natur ist auch eine große Inspirationsquelle für mich, vor allem im Frühling und Herbst. Ich liebe diese Jahreszeiten, auch wenn sie immer kürzer werden.
Wie bist du auf die Idee gekommen, deine Videos mit Super-8 zu drehen?
AVEC: Weil ich selbst gerne analog fotografiere, wollte ich diesen analogen Vibe durchziehen. Das Albumcover wurde auch analog geschossen. Veronika Sterrer, die in meiner Band ist, filmt Super-8-Videos, und es war deshalb naheliegend, dass sie das mit mir macht. Ich finde das so cool und habe großen Respekt vor ihr. Bei ihr habe ich mich so wohl gewfühlt wie nie sonst bei einem Videodreh. Da ich generell nicht gerne im Mittelpunkt stehe, war es mir wichtig, ein Team zu haben, bei dem ich mich wohlfühle. Mit Veronika hat das perfekt funktioniert. Im Januar kommt noch das letzte Musikvideo vor dem Album.
Diese nostalgische Ästhetik ist gerade sehr präsent. Was bedeutet sie für dich?
AVEC: Für mich ist es weniger die Nostalgie, sondern der Charakter, den analoge Fotografie oder Filme haben. Das liebe ich einfach. Es ist ästhetisch so schön. Natürlich gibt es im Digitalen auch unendlich viele Filter, aber das ist trotzdem etwas anderes. In einer Zeit, in der man so viel auf Instagram und TikTok abhängt, finde ich es cool, auch mal etwas Imperfektes mit Grain zu sehen.
Hast du ein Thema oder ein Projekt, das dich gerade neben der Musik reizt?
AVEC: Ich male sehr gerne, aber das mache ich nur für mich in meiner Wohnung und das wird auch so bleiben. Außerdem bin ich eine richtige Plant-Mum. Meine Wohnung ist voll mit Pflanzen, die ich liebe! Einmal in der Woche gibt es meinen Plant-Care-Day. Das ist meine Art der Me-Time. Dann höre ich Podcasts und schaue, was jede Pflanze braucht.
Danke für deine Zeit!
AVEC: Danke dir!
Ania Gleich
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