Nachdem Hanspeter Frick die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik gegründet hatte, haben ihnen Georg Friedrich Haas, Wolfram Schurig und seit 2007 Alexander Moosbrugger als künstlerische Leiter Profil verliehen. In der 26. Auflage übernimmt ein neuer Kopf das Ruder. Moosbrugger selbst hat die aus Italien stammende und in Deutschland lebende Komponistin CLARA IANNOTTA als neue künstlerische Leiterin vorgeschlagen. Die 30-jährige Flötistin und erfolgreiche Komponistin freut sich über diese neue Aufgabe und sieht sie als Bereicherung ihrer künstlerischen Tätigkeit.
In ihrer ersten Festivalausgabe möchte sie KomponistInnen vorstellen, die sie im Laufe der vergangenen Jahre inspiriert und ihr imponiert haben. Im Gespräch mit Silvia Thurner erzählt CLARA IANNOTTA, wie sie zur Komponistin geworden ist, auf welche Art man ihre Musik wahrnehmen sollte und berichtet über ihre Pläne für das bevorstehende Festival.
In Ihrer Biografie schreiben Sie “Komponieren ist die Kunst, die mich am besten repräsentiert”. Was meinen Sie damit?
Clara Iannotta: Seit ich sechs Jahre alt war, wollte ich Flötistin werden. Doch mein Lehrer meinte, ich müsse auch Komposition studieren, denn als Musikerin sollte ich genau verstehen, was ich spiele. Schon nach kurzer Zeit habe ich bemerkt, dass Komponieren genau die Kunstform ist, in der ich mich am besten ausdrücken kann. Komponieren ist seitdem eine innere Notwendigkeit für mich. Das Flötespielen habe ich inzwischen aufgegeben, nun kann ich tun, was ich wirklich gerne tue und auch gut kann.
Zuhören als physische Erfahrung erleben
Sie sehen Musik als physische Erfahrungen und sagen, Musik sollte gehört und gesehen werden. Meinen Sie damit eine synästhetische Wahrnehmung?
Clara Iannotta: Luciano Berio hat einmal gesagt, wir sollten die Musik sehen und im Theater zuhören. Dieser Satz ist wichtig für mich, weil ich an eine Theatralik im Klang glaube. Meiner Meinung nach sollte das Publikum auf die Musik zugehen und nicht umgekehrt. Wenn du beispielsweise einer flüsternden Person zuhörst, kannst du nicht nur mit den Ohren hören, um zu verstehen. Du musst den Blick auf die Sprechende richten, den Lippen- und Mundbewegungen sowie Gesten folgen. Das ist fast wie ein physisches Hören. Du benutzt deinen eigenen Körper, um einen Klang zu verstehen. Genau den gleichen Effekt möchte ich mit meiner Musik erzielen.
Was hat Sie motiviert, die künstlerische Leitung der „Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik“ zu übernehmen und haben Sie vorher auch schon ein Festival kuratiert?
Clara Iannotta: Mit dieser Tätigkeit kann ich neben dem Komponieren einen weiteren Beitrag zur zeitgenössischen Musik leisten, darüber bin ich froh. Es ist das erste Mal, dass ich für ein Programm verantwortlich bin. Obwohl ich am Anfang Bedenken hatte, gefällt mir die Kuratorentätigkeit sehr gut. Es ist eine große Verantwortung. Nicht nur ich bin höchst motiviert, sondern auch die teilnehmenden Komponisten und Musiker, weil sie Teil dieses Projektes sind. Das ist ein guter Grund, das zu tun.
Ist das klassische Konzertformat das richtige?
Welche Ideen liegen der diesjährigen Programmgestaltung zugrunde?
Clara Iannotta: In dieser Festivalsaison möchte ich meine persönliche Handschrift vorstellen. Deshalb habe ich beschlossen, Musiker, mit denen ich vorher bereits in Frankreich und Deutschland zusammengearbeitet habe, die mich inspiriert und für mich Wegmarken gesetzt haben, einzuladen. Außerdem wollte ich jungen Komponisten die Chance geben, mit bereits etablierten Künstlern zu arbeiten.
Ab dem nächsten Jahr möchte ich weitere musikalische Themen vorstellen, die mich interessieren. Beispielsweise hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren in der Musik sehr viel verändert. Aber wir pflegen immer noch das Format des klassischen Konzerts (ein Werk hören, klatschen, ein Werk hören, klatschen, etc.). Ich habe mich gefragt, ob dies der richtige Rahmen für zeitgenössische Musik ist und ich habe beschlossen, einige Alternativen anzubieten. Das ist die Idee für die btzm 2015. Und wir werden sehen, was als nächstes kommt!
In Bludenz begegnen sich Paris und Berlin
Sie haben in Paris studiert und leben nun in Berlin. Welche Personen waren wichtig für Ihre eigene Kreativität?
Clara Iannotta: Ich bin allen Musikern und Komponisten dankbar, mit denen ich in den vergangenen acht Jahren zusammen gearbeitet habe. Die Liste ist ziemlich lang, und einige Komponisten und ihre Werke, mit denen ich das Vergnügen hatte, werden in Bludenz zu hören sein. Während meines Aufenthaltes in Paris und Berlin gab es einige, die mich sehr unterstützt haben, wie beispielsweise die Komponisten Franck Bedrossian, Yan Maresz, Frédéric Durieux und Intendanten wie Joséphine Markovits, Justine Merignac, sowie das gesamte Team des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und des Berliner Künstlerprogrammes.
Unter anderem wird auch das französische Quatuor Diotima, das kürzlich bei der Schubertiade Hohenems musiziert hat, in Bludenz zu Gast sein. Was verbindet Sie mit diesem Streichquartett und welche Ensembles werden weiters zu hören sein?
Clara Iannotta: Mit dem Quatuor Diotima habe ich im vergangenen Jahr zusammengearbeitet. Ich habe für sie ein Werk komponiert, das im Rahmen meines DAAD Stipendiums in Berlin entstanden ist. Es freut mich sehr, dieses Werk in Bludenz zu präsentieren, zusammen mit Werken von den Kollegen Dmitri Kourliandsky und Stefan Gervasoni. Das französische Trio K/D/M mit zwei Perkussionisten und einem Akkordeonisten ist eine der talentiertesten und engagiertesten Gruppe, der ich je in meinem Leben begegnet bin. Auch die beiden deutschen Ensembles DieOrdnungderDinge und das Ensemble Mosaik werden zu Gast sein. Ute Wassermann ist Sängerin und Michelle Agnes ist eine Pianistin, Komponistin und Improvisatorin, die mir gezeigt hat, dass man auf dem Klavier noch originell sein kann.
Termine:
Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik, Remise Bludenz
Donnerstag, 20.11.2014, „DieOrdnungDerDinge“ und Ute Wassermann.
Werke von Miranda, Arditto, Streif, Marino, Swithinbank, 20 Uhr
Freitag, 21.11.2014, „Quatuor Diotima“.
Werke von Iannotta, Kourliandski, Gervasoni und Bartok. 20 Uhr
Samstag, 22.11.2014, „ensemble mosaik“ unter der Leitung von Enno Poppe.
Werke von Lanza, Valle, Moguillansky, Gottfried und Cleare. 20 Uhr
Sonntag, 23.11.2014, Michelle Agnes und „Trio K/D/M“
Werke von Lou, Giner, Drouet und Agnes, 16 Uhr
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