ROSE MAY ALABA macht sehr viel richtig, um zum Star einer neuen globalen Popmusik namens Afrobeats zu werden.
Recap: George Alaba kommt 1984 aus Nigeria nach Österreich, Ende der Neunziger Jahre gelingt seinem Duo Two In One der Sprung auf Platz Zwei der heimischen Charts mit dem „Indian Song“, der Melodien von Boney M mit den Viva-Techno-Produktionstechniken verkreuzt. Zuvor schon wird 1992 Sohn David geboren, der später Fußball spielt. Zwei Jahre später kommt Tochter Rose May zur Welt.
Rose May Alaba schlägt früh kreative Pfade ein, sie spielt mit siebzehn Jahren in einer Casting-Girl-Band, mit zwanzig veröffentlicht sie ihren ersten eigenen Song mit Sunshin-Reggae-Vibes. Ein Jahr später deutet „Love Me Right“ mit der Wiener Produzenten-Legende Rodney Hunter erstmals einen neuen Weg an: Afrobeats. Afrobeats verdoppelt im Schnitt alle zwei Jahre seine Streaming-Zahlen, Wizkid etwa kollaboriert seit vielen Jahren mit Drake, während mit Burna Boy erstmals ein Album aus Afrika Nummer Eins im UK wird und Tiwa Savage von der New York Times zur Queen Of Afrobeats gekürt wird. Afrobeats füllt heute Stadien auf beiden Seiten des Atlantiks und nimmt dabei neue Sounds und Styles aus südafrikanischem Amapiano auf, aus traditioneller nigerianischer Fuji-Musik oder der alternativen Subkultur Alté. Afrobeats ist neue globalisierte Popmusik. Genau dort fühlt sich Rose May Alaba hörbar sehr wohl. Wie etwa heuer im Sommer beim Afrobeats Festival in Berlin zu sehen war, wo sie mit Choreo performte.
Stefan Niederwieser hat mit Rose May Alaba über ihre Zukunftspläne geredet, über gleichberechtigte Liebe und warum Superstar und Grammy-Gewinnerin Tems ihr auf Instagram folgt.
Wie war Nigeria?
Rose May Alaba: Unfassbar. Ich war seit 2017 jedes Jahr in Lagos. Während Corona war das nicht möglich. Ich war auf Medien-Tour mit meiner Single „Ibadi“ und konnte endlich wieder mit Leuten connecten. Die Menschen dort sind so unglaublich talentiert und god gifted, die Mode und die Denkweisen sind ganz anders. Und natürlich ist der Hustle auch ganz anders.
Du hast dort mit Musikschaffenden gearbeitet, die Alté – eine alternative Subkultur – zugerechnet werden.
Rose May Alaba: Nicht nur, nicht nur. Afrobeats ist riesig, es gibt wirklich viele Einflüsse, weil viele der Diasporas ihre Umgebung wieder mitnehmen, wenn sie nach Hause fliegen. Bei mir ist es genauso. Alté hat in London sehr früh begonnen. Alté heißt einfach nur, anders sein und nicht im Strom schwimmen. Alté ist auch Fashion. Du kannst so sein und aussehen, wie du möchtest. Ich habe mit Alté-Leuten zu tun, aber es ist schwer, etwas zu kategorisieren.
Wie waren die Sessions mit den Producern Tuzi, Boybreed oder Masterkraft?
Rose May Alaba: Es war unglaublich. In den Songwriting-Camps schreiben wir sehr viel in sehr kurzer Zeit. Das ist richtiges Teamwork. Es geht zack zack zack. Wir nehmen uns die guten Ideen heraus oder wählen Singles aus. Und wenn die Zeit nicht ausreicht, machen wir das jeweils von Wien und von Lagos aus fertig. Heutzutage ist das wirklich easy.
Wovon handelt deine jüngste Single “Lockdown”?
Rose May Alaba: Es geht um Liebe. Es geht einfach nur um bedingungslose Liebe, egal ob es die Familie ist, ob es dein Partner ist, deine Partnerin.
“50/50“ handelt auch von Liebe. Gleichzeitig singst du, dein Partner kann gehen, wenn er nicht respektiert, wie du Dinge erledigst.
Rose May Alaba: So ist es. In dem Song geht es darum, dass wenn ich 50% gebe, verlange ich von dir auch 50%. So ist das eben in einer Beziehung. Und ich glaube, man kann nie genug über Liebe reden. Liebe ist doch schön – in allen Facetten.
Kurz nach deinen Recording Sessions hast du beim Afrobeats Festival in Berlin gespielt.
Rose May Alaba: Die Crowd war amazing. Ich konnte Lieder spielen, die wir in Lagos geschrieben haben. Sie kamen so gut an, ich habe mich wirklich gefreut, dass ich die Gelegenheit hatte, Afrobeats im deutschsprachigen Raum zu performen. In Afrika verstehen sich ja verschiedene Länder aufgrund ihrer Geschichte manchmal nicht. Auf solchen Festivals ist das egal. Dort gibt es keine Streitigkeiten und keinen Hate gegen andere Länder. Da zählt die Menschlichkeit. Das ist es, was Afrobeats ausmacht, diese Unity. Es ist egal, ob du in Afrika aufgewachsen bist oder so wie ich in Österreich.
„Kommt wie ihr kommen wollt, habt Spaß, genießt die Musik, genießt den Vibe und lasst euch inspirieren.“
Wann kann so etwas in Wien passieren?
Rose May Alaba: Hoffentlich bald. Ich gebe echt mein Bestes, um Afrobeats bekannter zu machen. Die Bookerin des Berliner Festivals ist auch meine Bookerin, und ich spreche einfach mal aus, dass sie sicher nicht abgeneigt wäre, so etwas in Österreich aufzubauen. In Wien arbeitet die nächste Generation an diesem Movement. Gute Freunde veranstalten hier die Partyreihe Lituation, sie spielen Afrobeats, Amapiano und Alté. Ich feiere das so richtig. Sie kombinieren Musik mit Kunst und Fashion. Es gibt die Kids Of The Diaspora. Das ist insgesamt ein schöner, bunter Kreis, der in Wien seine Roots feiert. Es ist so wie in Alté: Kommt, wie ihr kommen wollt, habt Spaß, genießt die Musik, genießt den Vibe und lasst euch inspirieren.
Tems – die coolste Frau der Welt, die kürzlich von Kendrick Lamar interviewt wurde – folgt selbst nur 717 Menschen. Auch dir. Wie kommt es?
Rose May Alaba: Das wusste ich nicht. [lacht] Ehrlich, ich wusste das nicht. Auf Instagram?
[lacht] Auf Instagram.
Rose May Alaba: [scrollt] Ach ja! Krass! Ich fühle mich auf jeden Fall geehrt, wow, sehr cool. Ich habe sie 2017 bei ihrem ersten Auftritt beim Homecoming Festival in Nigeria gesehen und war schon da so begeistert von ihr. Ich wollte unbedingt wissen, wer sie ist. Ich liebe ihre Stimme.
Für die Entstehung von Afrobeats im UK war es angeblich wichtig, dass man auf Hall Parties unter sich feiern konnte. Wie war das bei dir?
Rose May Alaba: Hall Parties gab es nicht, aber ich liebe es, mit Freunden abzuhängen, die so wie ich aus Nigeria kommen, aus Ghana, dem Kongo oder wo auch immer. Wir sind im Studio, hören Musik und feiern.
Du singst nicht nur auf Englisch und Pidgin, sondern auch auf Deutsch.
Rose May Alaba: Früher dachte ich, ich werde niemals auf Deutsch singen. Aber ich kann Deutsch, warum also nicht. Wenn ich rede, mische ich Deutsch und Englisch, ich spreche eben so und wollte das in meine Musik einbauen. Das hat den Leuten imponiert und mich im deutschsprachigen Raum nahbarer gemacht. Ich möchte einfach alle meine Talente ausschöpfen und mich nicht limitieren.
Sprichst du – wie dein Vater – Yoruba? Du hast die Sprache beispielsweise auf “Ibadi” eingebaut.
Rose May Alaba: Ich spreche es nicht fließend. Mein Papa hat mir bei dem Song und der Aussprache geholfen. Meine Leute feiern es, wenn ich Yoruba in meiner Musik verwende und sind stolz auf mich, wenn ich es hinbekomme.
„Hier konnten sich die Leute denken, yeah, that’s our Yoruba girl!“
Weißt du, warum dein Song „Oshey“ so gut angekommen ist?
Rose May Alaba: Es ist ein super Song, was soll ich sagen. [lacht] Da habe ich erstmals Yoruba verwendet. Oshey heißt Danke. Vielleicht konnten die Leute da richtig mit mir connecten. Ich habe davor schon Afrobeats gemacht. Hier konnten sich die Leute denken, yeah, that’s our Yoruba girl! Das liebe ich an meinen Leuten, sie sind einfach so stolz, auch wenn ich nicht in Nigeria aufgewachsen bin. Nigeria fühlt sich an wie … home away from home.
Es heißt, man benötigt in Afrobeats mittlerweile fünfstellige Marketing-Budgets pro Single. Wie erlebst du das?
Rose May Alaba: Es ist nicht nur in Afrobeats so, sondern generell im Musikbusiness. Wenn du keine Werbung schaltest, gehst du unter. Ich mache das beruflich. Ich habe eine Vision. Und die Leute, mit denen ich arbeite, sollen etwas zurückbekommen, wenn sie so viel in diese Craft hineingesteckt haben. Werbung hilft, das Produkt richtig zu platzieren. Es geht gar nicht anders. So ist das Business.
Ayra Starr war sehr irritiert, dass ihr der Preis „Beste afrikanische Künstlerin” nicht auf der Bühne überreicht wurde. Wie schwer haben es Frauen in Afrobeats?
Rose May Alaba: Es ändert sich. Im HipHop gibt es mittlerweile richtig viele Rapperinnen. Aber auch in Afrobeats wird es immer besser, aus Nigeria oder auch aus Ghana kommen viele Musikerinnen. Natürlich bin ich der Meinung, es könnten mehr sein. Aber wir kommen langsam dorthin.
Was steht für dich an?
Rose May Alaba: Es kommen im Abstand von einigen Wochen neue Singles raus. Nächstes Jahr kommt dann meine EP. Ich werde in Nigeria weiterhin Songs schreiben. Es gibt hier in Wien tolle Künstler. Aber dort zu arbeiten, kann man nicht vergleichen. Musik ist etwas Emotionales. Für mich ist das nicht nur ein Beruf. Ich gebe bits und bits meines Lebens. Man hört all die Phasen, durch die ich gehe. Und heute erfüllt mich Afrobeats zu tausend Prozent.
Stefan Niederwieser
„Lockdown“ von Rose May Alaba ist soeben erschienen.
++++