„Ich fühle mich ja manchmal auch etwas lächerlich“ – BAIBA im mica-Interview

Die Sängerin BAIBA stammt aus Lettland und lebt seit 9 Jahren in Innsbruck, wo sie gleich nach ihrer Ankunft begann, an ihrer Musikkarriere zu arbeiten. Mit Erfolg, wie ihre bislang zwei Alben „These Storms“ und „Lighter“ zeigen, die nicht nur hierzulande, sondern auch international einiges an Staub aufwirbeln konnten. Mit der EP „Compulsive“ folgt nun der nächste Schritt. Was sie zum Programm macht, sind starke ehrliche tanzbare Popsongs, die einen tiefen Einblick in die Ängste und Zweifel der Künstlerin gewähren. Und das nicht auf eine todernste, sondern durchaus witzige Art. Im Interview mit Michael Ternai erzählte BAIBA unter anderem von ihrer Liebe für den Pop, der heilenden Wirkung von Humor und dem Erkennen der eigenen Grenzen.

Hört man sich durch deine neue EP „Compulsive“, hat man das Gefühl, dass du mit deinen neuen Songs dort angekommen bist, wo du eigentlich schon lange hinwolltest.

Baiba: Ja, dieses Gefühl habe ich auch. Meine früheren Songs waren noch von einer gewissen Schüchternheit geprägt. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht alles rauslassen kann, was ich will. Mit der Zeit aber ist diese Schüchternheit immer mehr weggefallen. Ich bin mit jedem Lied etwas mutiger und damit auch ehrlicher geworden. Gleichzeitig habe ich mir immer weniger Gedanken darüber gemacht, was andere Leute sagen. Früher war mir positives Feedback enorm wichtig, habe ich keines erhalten, war ich sofort unsicher. Das ist jetzt anders.  Ich bin jetzt an dem Punkt angekommen, an dem ein Song zunächst einmal mir gefallen soll. Und da ich im Grunde schon lange ein riesiger Popfan bin, ist „Compulsive“ auch etwas poppiger geworden als die alten Sachen.

Poppig ja, aber auf eine doch sehr vielfältige Art. Keiner der vier Songs klingt wie der andere. Deine Stimme hält alles zusammen.

Baiba: Ja, das stimmt. Das ist mir auch wichtig. Ich wollte und will mir dahingehend auch keine Grenzen setzen.Die Songs können in alle Richtungen gehen, egal ob nun in die Elektro-Pop- oder Indiepop-Richtung, wie es auf „Compulsive“ der Fall ist.

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„Ich habe einfach gemerkt, dass es mir einfach besser geht, wenn ich positive Lieder schreibe, auch wenn sie schwerere Themen behandeln.“

Dazu vermitteln deine neuen Songs sehr positive Vibes.

Baiba: Ich habe einfach gemerkt, dass es mir einfach besser geht, wenn ich positive Lieder schreibe, auch wenn sie schwerere Themen behandeln. Mir fällt generell der gesamte Prozess leichter. Das Songschreiben, das Machen von Videos, was ja viel Aufwand und Kosten bedeutet. Mir war wichtig, dass diese dunkle Komponente, die die Lieder durchzieht, über eine gewisse Leichtigkeit ausgedrückt wird. Wenn man im Studio und auch beim Videodreh Spaß hat, dann kommt diese stimmungsaufhellende und dynamische Note, dieser Drive ganz von selbst. So nach dem Motto: Jetzt wird alles cool, obwohl im Moment eigentlich nichts cool ist.

Sind diese positiven Vibes vielleicht der allergrößte Unterschied zu dem, was du vorher gemacht hast?

Bild Baiba
Baiba (c) Vitali Sviridenko

Baiba: Das letzte Album„Lighter“ habe ich 2020 rausgebracht, also während der Coronazeit. Das Album hatte zwar schon einen deutlich poppigeren Anstrich als noch mein Debüt, aber es war von der Stimmung her doch eher schwer und dunkel. Da haben die Zeit und die große Trennung, die ich damals durchmachte, sicher eine große Rolle gespielt. Irgendwann danach hat sich in mir aber immer stärker das Gefühl entwickelt, dass ich mich selber nicht so ernst nehmen will. Ich wollte die Konzerte, die Arbeit an den Songs und das Aufnehmen im Studio einfach genießen und mich schon ein wenig auch über mich selber lustig machen. Ich bin ein Mensch, der immer ein wenig zwanghaft ist, ich habe meine OCD und bin auch immer ein bißchen neurotisch. Mit dem wollte ich einfach einmal spielen.


Als ich dann zu Christoph [Holzknecht; Anm.], meinen Produzenten, ins Studio gegangen bin, haben wir gemeinsam die Idee entwickelt, mit diesen eher schweren Themen in den Songs einfach einmal anders umzugehen. Nicht auf eine ernste, sondern auf eine witzige und ironische Art.

Und so ist es auch passiert. Die Lieder sind auf eine sehr unkomplizierte und leichte Art entstanden. Wir sind mit einer Kiste Bier ins Studio gegangen und haben einfach losgelegt. Diese entspannte Atmosphäre hat eben dazu geführt, dass ich auch ein Lied über meinen überbordenden Perfektionismus machen konnte. Ein an und für sich sehr persönliches Thema. Und das durchweg positive Feedback, welches ich erhalten habe, hat gezeigt, dass dieser Ansatz richtig war. Es haben mir viele Menschen auf Instagram geschrieben, die Ähnliches erlebt haben und es super finden, dass ich so offen und ironisch mit diesen Themen umgehe.

Das heißt, Humor und Witz sind für dich essenziell.

Baiba: Auf jeden Fall. Ich fühle mich ja manchmal auch etwas lächerlich. Und ich wollte zeigen, dass ich auch auf diese Seite von mir stolz sein kann. Im Grunde hat jede:r eine lächerliche Seite. Das ist vollkommen okay. Man kann über manche Dinge Spaß machen. Und dieses Gefühl habe ich versucht in meine Musik zu übersetzen. Die Leute sollen zu meinen Songs auch tanzen und sich bewegen können, auch wenn sie letztlich von Themen handeln, die vielleicht etwas ernster sind. 

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„Ich lerne momentan, dass es auch okay ist, nicht alles selber zu machen, sondern manche Dinge auch abzugeben.“

Du hast erwähnt, dass du neben dem Songschreiben auch die Videos machst. Überhaupt hat man bei dir den Eindruck, dass du für fast alles zuständig bist.

Baiba: Da triffst du einen wunden Punkt. Es ist wirklich etwas viel geworden. Ich hatte im letzten Winter tatsächlich ein Burnout. Ich hatte wirklich viele Konzerte und war irgendwie getrieben davon, immer neue Lieder zu schreiben, was ich auch tat. Ich merkte aber irgendwann, dass ich da an meine Grenzen gestoßen bin und ich immer weniger Energie hatte. Ich bin gerade dabei, meine Grenzen zu erlernen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich über die Jahre Leute gefunden habe, mit denen ich gern zusammenarbeite und die mich unterstützen. Ich lerne momentan, dass es auch okay ist, nicht alles selber zu machen, sondern manche Dinge auch abzugeben.

Das Burnout, das ich hatte, steht eigentlich fast symbolisch für die EP. Ich habe im letzten Moment noch ein Lied geschrieben, das letztlich nicht auf die EP gekommen ist, aber das das Thema Burnout behandelt. Aber eben auch mit viel Witz und in einer ausgesprochen poppigen Art. Der Song kommt vielleicht demnächst raus.

All diese Dinge sind immer ein Lernprozess. Was mir sehr, sehr hilft, ist, dass immer mehr Künstler:innen offen über ihre Probleme reden und sich auch untereinander austauschen. Das nimmt viel Druck weg. Zum Beispiel habe ich früher gedacht, dass ich dankbar sein muss, wenn ich ein Konzertangebot bekomme. Ich war der Meinung, ich muss unbedingt zusagen. Jetzt weiß ich, dass es okay ist, so ein Angebot auch einmal auszuschlagen. Ich glaube auch, dass sich in solchen Dingen Frauen auch selber mehr Druck machen, und zwar dahingehend, dass sie meinen, alles selber schaffen und jedes Konzert spielen zu müssen.

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Du bist vor neun Jahren aus Lettland nach Österreich gekommen und hast, was die Musikkarriere betrifft, praktisch bei null angefangen. Wie sehr überrascht es dich, dass du dann doch zügig in der Musikszene Fuß fassen konntest? Konntest du dir das ausmalen?

Baiba: Nein, natürlich nicht. Große Hoffnungen diesbezüglich hatte ich keine. Ich wollte schon immer Musik machen, nur muss ich, wenn ich ehrlich bin, sagen, dass ich damals auch nicht wirklich gut war. Ich hatte zwar schon damals eine Stimme, aber wenn du dir speziell das erste Album anhörst, merkst du, dass mir da schon das Selbstbewusstsein gefehlt hat. Ich habe in der Folge Gesangsunterricht genommen und mich auch mit dem Produzieren auseinandergesetzt. Die Ambition war also schon da, aber groß darüber nachgedacht habe ich nicht. Ich wollte einfach etwas zusammen mit anderen Leuten machen. Dieses Community-Gefühl war etwas, was mir in Lettland gefehlt hat. Innsbruck hat es mir dahingehend leicht gemacht. Die Stadt ist überschaubar und ermöglichte es mir recht schnell, ein Netzwerk aufzubauen und die Leute mit ins Boot zu holen, die mir helfen wollten. Es gab einfach so viele Menschen, die an mich glaubten. Das gibt mir ein schönes Gefühl. Und ich hoffe, dass ich ihnen auch einmal etwas zurückgeben kann.

Wird das, was du hier musikalisch auf die Beine stellst, in deinem Heimatland eigentlich wahrgenommen? Kennt man dich dort?

Baiba: Sagen wir so: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Ich habe dort eine Presseperson und meine Releases sind auch alle erhältlich. Meine Songs werden auch im Radio gespielt. Nur nehmen mich die Leute, wenn sie einen Song von mir im Radio hören, nicht als lettische Künstlerin wahr. Das war unter anderem bei meinem Song „You don‘t know me“ so, der in Lettland sehr gut gelaufen ist. Mit einer lettischen Künstlerin wurde er aber nicht assoziiert. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich dort schon lange nicht mehr gespielt habe. Meinen ersten Auftritt bei einem Festival in Lettland werde ich erst in diesem Sommer haben. Und das wird wirklich mein erster als Baiba sein. Jetzt bin ich anscheinend bereit dafür.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

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Baiba live
26.05. Die Bäckerei, Innsbruck, EP Release Show
01.06. Superbude, Wien / Pratertöne x SOFAR SOUNDS
21.06. Musikpavillon, Linz

22.06. Hildegard, Kirchdorf

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Links:
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