„Ich finde es wichtig, Dinge zu verdichten und zu pointieren“ – LOUISA SPECHT im mica-Interview

„Vom Werden“ ist die zweite EP der Liedermacherin LOUISA SPECHT, die am 24.2.2023 mit dem Label „Sturm & Klang“ erschienen. Die Wienerin beleuchtet darin persönliche Entwicklungen beim Zurechtfinden in der Welt – und zwar poetisch, pointiert und verdichtet. Mit ihrer Debüt-EP „Karussell“ gewann sie bereits den Förderpreis der Liederbestenliste 2022. Fasziniert von der deutschen Sprache und deren lyrischen Möglichkeiten, kreiert LOUISA SPECHT ihre eigene, moderne Version des Liedermachertums. Wie sie zu dieser stilistischen Einordnung gekommen ist, welche Rolle der deutsche Musiker Konstantin Wecker dabei spielt und warum ihre zweite EP so schnell gefolgt ist, erzählt die 26-Jährige im Interview mit Katharina Reiffenstuhl.

Du kommst schon aus einer Musiker-Familie. Hat es für dich dann immer nur diesen einen Berufsweg gegeben oder hattest du auch ein paar andere Überlegungen?

Louisa Specht: Eigentlich war das schon sehr früh klar, dass ich Musikerin werden möchte. Ich wollte auf jeden Fall Sängerin sein. Für mich hat Sängerin-sein damals bedeutet, dass man sich seine Musik selber erfindet. Ich dachte, dass das, was man ausspricht, von einem selbst kommen muss. Sängerin-sein habe ich immer mit Musikschreiben assoziiert.

Heißt das, du hast auch schon als kleines Kind eigene Musik geschrieben?

Louisa Specht: Ja, also viel herumprobiert. Zuerst mit Melodien, dann irgendwann auch mit Texten. Es ist schon cool, was man mit Sprache alles machen kann. Mit 12 habe ich dann wirklich angefangen, Lieder zu schreiben. Da war schon klar, was das Ziel ist, dass ich das beruflich machen möchte. Ich habe darauf dann nach und nach hingearbeitet. 

Könntest du dir auch vorstellen, auf Englisch zu schreiben? Oder würde da die Poesie verloren gehen?

Louisa Specht: Singen schon, aber schreiben nicht. Ich covere schon auch Sachen auf Englisch, aber auf Englisch zu schreiben ist für mich viel schwieriger und umständlicher. Das habe ich mit 16 einmal probiert und habe gemerkt, dass das nichts für mich ist. Damals war es noch uncool, deutschsprachige Musik zu machen. Ich habe es trotzdem gemacht, weil ich gemerkt habe, dass mir das liegt. Jetzt ist es mittlerweile sogar cool. Gut für mich. (lacht) Ich lege bei meiner Musik den Fokus sehr den Fokus auf den Text bzw. die Art, wie ich texte. Ich finde es wichtig, Dinge zu verdichten und zu pointieren. Nicht unbedingt zu provozieren – finde ich aber auch cool, wenn Musiker das machen.

Du bist von Konstantin Wecker entdeckt worden und seitdem auch Teil seines Labels. Wie ist das zustande gekommen?

Louisa Specht: Ich habe bei meiner Bachelorprüfung als Eröffnung “Ich singe, weil ich ein Lied hab”, das Lied von ihm”, gesungen, um mir ein bisschen Mut für die Prüfung anzusingen. Weil ich seine Aussage darin so schön finde: Warum mache ich Musik? Weil ich etwas sagen möchte. Nachher bin ich draufgekommen, dass er ein Label hat. Ich kann mich noch erinnern, meine Eltern haben davor noch zu mir gesagt “Meld dich doch mal beim Konstantin Wecker”. Ich fand das völlig absurd, als ob ich dem schreibe und er mir dann antwortet. Ich habe dann irgendwann nach Labels gesucht und ihm dann doch geschrieben. Und es kam tatsächlich eine positive Rückmeldung. 

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Du hast ja Gesang studiert. Hat sich das auf deine eigene Musik ausgewirkt, lernt man da viel für die Praxis?

Louisa Specht: Ich habe stilistisch vor allem viel mitnehmen können, weil ich da viel mit Jazz konfrontiert war. Vor Jazz hatte und habe ich immer noch wahnsinnig viel Respekt und bin dann durchs Studium da so ein bisschen reingeschmissen worden. Das hat natürlich auch Einfluss auf die eigene Musik. Ich konnte hinsichtlich stilistischer Vielfalt was mitnehmen, und stimmlich sowieso, klar.

„DIE 2. EP IST INHALTLICH VIEL KANTIGER“

Du warst in diesem Studiengang bestimmt nicht einzige, die eigene Songs rausbringt. Wie war da das Networking untereinander, unterstützt man sich da gegenseitig oder macht eher jeder so sein Ding?

Louisa Specht: Es war sehr unterschiedlich, weil es auch so unterschiedliche Gesangs-Typen gibt. Es gibt Musiker, die wahnsinnig viel covern und das ganz toll können, und dann gibt es andere, die hauptsächlich ihre eigene Musik machen. Ich fand es ganz interessant, weil du viele unterschiedliche Stilrichtungen mitbekommst. Ich habe schon das Gefühl, dass man sich da gegenseitig supportet. Ich denke, diese Konkurrenz hört immer mehr auf. Vor allem unter den Frauen wird das besser, dieses gegenseitige Supporten wird immer größer, habe ich den Eindruck.

 „Vom Werden“ ist jetzt deine 2. EP. Was sind für dich die größten Unterschiede zur ersten EP?

Bild Luisa Specht
Louisa Specht (c) Isabella Hewlett

Louisa Specht: Die 2. EP ist inhaltlich viel kantiger und musikalisch zeigt sie weitere Facetten von mir. Ich habe dabei schon drauf geschaut, dass die EPs musikalisch ein bisschen unterschiedlich sind. Das war mir wichtig. Auch, dass jetzt mehr Politisches drauf ist, oder Themen, die nicht so glatt sind. Ich mag die erste EP aber auch sehr gerne, ich bin froh, dass ich meine Songs so aufgeteilt habe. Keine Ahnung, ob man sagen kann, dass die erste persönlicher ist, kann man eigentlich nicht. Aber die erste hat auch einen melancholischeren Touch. Für mich sind die EPs musikalisch ein bisschen wie Geschwister. Sie sind verwandt, aber doch unterschiedlich.

Deine zweite EP war relativ schnell da, die erste hast du ja erst letztes Jahr im August veröffentlicht. Wie lang ist bei dir so der Entstehungsprozess eines Songs normalerweise?

Louisa Specht: Ursprünglich wollte ich ein Album machen, aus verschiedensten Gründen wurde das dann nichts. Dann hatte ich bzw. das Label die Idee, eine EP zu machen. Ich hatte da Songs, die es teilweise schon echt lange gibt, einer ist zum Beispiel 8 Jahre alt, und habe da dann meine Sammlung sortiert und rausgesucht, was zusammenpassen könnte. Die EPs habe ich dann im Endeffekt in einem Rutsch aufgenommen, aber separat veröffentlicht. Deshalb ist das auch so schnell gegangen. Ich bin keine, die die ganze Zeit wie am Fließband schreibt.

„MIT MUSIK KANN MAN GUTE MOMENTAUFNAHMEN MACHEN“

Kann man da dann Ende dieses Jahres schon mit einer 3. EP rechnen?

Louisa Specht: Nein, jetzt ist mal ein Album in Planung. Jetzt heißt es sehr viel schreiben und wieder entscheiden, was da für ein Album gut zusammenpasst. Da freue ich mich schon drauf, habe aber natürlich auch Respekt davor, weil ich nicht weiß, wie das Album dann genau ausschauen wird. Es ist schon schön, dass ich da jetzt wieder vieles verarbeiten und festhalten kann. Mit Musik kann man gute Momentaufnahmen machen. Im Sommer werde ich viel schreiben bzw. fange ich jetzt schon an, dann wird produziert und aufgenommen und was da alles noch so dranhängt. Die Umsetzung hängt ja dann auch oft mit Förderungen zusammen. Es ist ein Prozess.

Würdest du auch gerne live spielen?

Louisa Specht: Ja. Ich warte gerade die Rückmeldung von Festivals diesen Sommer ab, das ist jetzt diese Phase, wo ich noch gar nicht weiß, was klappt. Aber was ich schon weiß, ist, dass ich diesen Sommer in Wien im Theater am Spittelberg spielen werde. Dort habe ich ein Doppel-Konzert mit der Künstlerin Anna Maria Schnabl, AMS hat sie sich genannt. Ist ein ziemlich cooler Name, finde ich.

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Hast du irgendwelche großen musikalischen Ziele vor Augen? Oder schaust du einfach, wo es sich hin entwickelt?

Louisa Specht: Aktuell das Album. Ansonsten versuche ich, mir das freizulassen, damit ich nicht zu verkopft werde. Gerade ist es eigentlich das Ziel, live zu spielen und mehr Publikum zu gewinnen. Was cool wäre, wäre irgendwann mal mit einer Big Band zu spielen. Mit einer wirklich großen Besetzung. Das wäre definitiv ein Ziel von mir. Fände ich super interessant, was da rauskommen würde.

Du hast ja eigentlich eine Band.

Louisa Specht: Ja, da sind wir zu viert bzw. wir haben auch schon zu sechst gespielt. Das war das Maximum bis jetzt.

Du definierst dich selbst immer unter dem Begriff „Liedermacherin“. Was steckt da dahinter?

Louisa Specht: Früher habe ich mich immer als Singer-Songwriterin bezeichnet und habe dann gemerkt, dass sich Leute ganz andere Dinge darunter vorstellen. Zum Beispiel, dass ich englischsprachige Musik mache. Vor zwei, drei Jahren habe ich dann realisiert, dass ich diese Bezeichnung nicht mehr für mich haben möchte. Irgendwann bin ich draufgekommen, das ist eigentlich Liedermachertum, was ich mache. Das habe ich dann sozusagen so festgelegt für mich.

Ich habe mich auch mal mit Konstantin Wecker über das Thema “die eigene Nische finden” unterhalten und ihm erzählt, dass ich da gerade sehr danach suche. Er hat mich dann nur angeschaut und gesagt “Ja aber Louisa, du bist doch schon längst deine eigene Nische“. Das fand ich sehr schön.

Braucht man überhaupt zwingend eine Nische?

Louisa Specht: Stimmt. Viele definieren sich ja nicht einmal. Ich habe eh das Gefühl, ich habe mich schon sehr früh selbst in eine Musik-Schublade gesteckt. Ich fand das trotzdem so beruhigend, als er das gesagt hat. Stimmt ja eigentlich. Ich bin meine eigene Nische.

„POLITISCH-SEIN UND KRITISCH-SEIN IN DER MUSIK FINDE ICH SEHR BEEINDRUCKEND“

War Konstantin Wecker immer schon so eine Art musikalisches Idol für dich?

Louisa Specht: Musikalisches Idol weiß ich nicht. Ich finde seine Musik sehr toll. Was ich beeindruckend finde, ist, dass er keine Angst hat seine Meinung zu sagen, zumindest wirkt das so. Politisch-sein und kritisch-sein in der Musik finde ich sehr beeindruckend.

Würdest du sagen, du hast überhaupt ein musikalisches Idol?

Louisa Specht: Das ist komisch, wenn man da nein sagt, oder? (lacht) Also ich finde Sarah Lesch zum Beispiel ganz toll. Es gibt ein Lied von ihr, “Testament”, das ist wahnsinnig gut und da singt sie das Publikum so direkt an. Ich finde auch Elemente von Anette Louisan sehr toll, weil sie stimmlich sehr eigen ist. Sowas beeindruckt mich, wenn jemand eigen ist und einen starken Wiedererkennungswert hat. Konstantin Wecker hat das, klar, Reinhard Mey auch, und Celina Bostic.

Danke dir für das Gespräch!

Katharina Reiffenstuhl

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