Im März 2024 legt die Band INTIMSPRAY ihr neues Album „Die Butter“ vor: Jürgen Plank hat mit HEINZ D. HEISL und Schlagzeuger DANIEL HOMOLKA über aktuelle Auftritte und die gesellschaftskritischen Texte am neuen Album gesprochen – und darüber warum Butter eine Droge sein könnte. Außerdem geht es im Interview um die erste Bandphase von 1979 bis 1984, in der die Band zur heißesten in Deutschland erklärt wurde. HEINZ D. HEISL plaudert aus dem Nähkästchen, mit mehr als 40 Jahren Erfahrungen mit dem Musikbusiness im Hintergrund: über positive Aspekte des Rock’n’Roll-Lebens genauso wie über Knebel-Verträge und an Verlage abgegebene Rechte. Schließlich wird die Frage beantwortet, warum die zweite Bandphase, die seit dem Jahr 2020 läuft, länger dauern könnte als die erste.
„Spielen, spielen, spielen“ – das war euer Wunsch vor zwei Jahren, als ich mit euch im Jahr 2022 ein Interview gemacht habe. Was ist seitdem passiert? Habt ihr viele Konzerte gespielt?
Daniel Homolka: Ja. Wir haben viele Konzerte gespielt. Wir haben auf einem Schiff gespielt und in diversen Kellern und Plattenläden. Wir haben eine Vinyl-Ausstellung geschlossen und Ausstellungen eröffnet. Und wir haben auch in der Szene Wien, sehr oft im Café Carina und in Graz und im pmk in Innsbruck gespielt. Auch in einem Weingarten sind wir aufgetreten.
Wie kam es zum Auftritt auf einem Schiff?
Heinz D. Heisl: Für eine Ausstellungseröffnung vom Vorarlberger Landesmuseum wurde das älteste Bodensee-Dampfschiff gemietet und wir haben auf dem Deck ein Konzert gegeben. Die Gäste waren Kunstsammler und auch der Schiffseigner war begeistert und möchte uns vielleicht heuer wieder engagieren. Bei Sonnenuntergang zu spielen, das war herrlich. Es gibt eine Szene dazu in einem Doku-Film über uns, der gerade geschnitten wird und bald fertig ist.
Euer neues Album „Die Butter“ wurde in England gemischt?
Heinz D. Heisl: Wir haben die London Twins dafür engagiert, das sind zwei Leute, die in London sitzen und aus England und aus Österreich stammen. Die beiden kennen wir gut, der Sound ist dadurch sehr britisch.
„WENN THE CLASH HEUTE MUSIK AUFNEHMEN WÜRDEN, KÖNNTE DIE SO KLINGEN UND IN DIESE RICHTUNG GEHEN“
Welchen Sound wolltet ihr erreichen?
Heinz D. Heisl: Man hört es: das ist ein britischer Sound, nicht glatt. Es ist nicht wie so oft bei Studio-Produktionen, dass es zwar gut klingt, aber es fehlt irgendwie das Salz, der Staub. Alles, was ein bisschen Reibung gibt. Das geht nur über England.
Ich finde es großartig, was uns allen gemeinsam gelungen ist: die Musik ist so, wie ich sie hören will. Wenn ich mir das neue Album anhöre, denke ich mir: es ist gut gelungen. Es ist ein spezielles Album, der Assistent im Mastering-Studio hat gemeint: Wenn The Clash heute Musik aufnehmen würden, könnte die so klingen und in diese Richtung gehen.
Daniel Homolka: Wir haben alles in einem Raum live aufgenommen. Da entsteht ein gewisser Schmutz und es gibt Übersprechungen. Die Prämisse war, all das nicht heraus zu filtern, sondern den Sound so wie er ist, auf das Vinyl zu bringen. Die Frage war also: wie kann man das machen? Es gibt auch ganz glatt gebügelte Versionen der Songs, bei denen fehlt aber die Seele.
Die Band Intimspray durchlebt gerade ihre zweite Phase, die erste ist in den 1980er-Jahren passiert. Damals wart ihr in Deutschland erfolgreich, versucht ihr jetzt, insbesondere Österreich aufzurollen?
Heinz D. Heisl: Wien ist für ein künstlerisches Projekt im musikalischen Bereich, wenn man nicht viel Geld hat, die beste Stadt. Wir kennen auch Prag ein bisschen, Prag bringt auch ein ähnliches Flair zustande.
Daniel Homolka: Und du kannst gemeinsam in Wien zu Konzerten gehen und dir Underground-Bands vor 3 Leuten anschauen oder du kannst dir auch Bands aus der Punk-Szene anschauen. Wir waren jetzt ein paar Mal in München und haben versucht, dort Anschluss zu finden, aber dort gibt es nur einen passenden Club, der aber für uns zu groß ist. Dort spielen Leute wie Der Nino aus Wien.
„DIE SONGS SCHREIEN NICHTS HERAUS, SIE SIND AUCH MYSTISCH“
Im Pressetext steht das folgende Zitat von Heiner Müller: „Optimismus ist nur ein Mangel an Information“. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen diesem Zitat und eurer neuen Platte?
Heinz D. Heisl: Das hat mit unseren Texten zu tun, die nicht sehr optimistisch sind. Wenn ich Texte schreibe, bin ich sehr gut informiert. Somit passt dieses Zitat perfekt, denn wenn man gut informiert ist, hellhörig ist, kommen eher pessimistische Texte heraus. Etwa wenn ich bei einer Zugfahrt mithöre, wie Themen abgehandelt werden. Dann merkt man teilweise: Jössas, das ist sehr bescheiden. So entstehen dann die „optimistischen“ Lieder.
Daniel Homolka: Die Songs schreien nichts heraus, sie sind auch mystisch. Und nicht optimistisch, nicht informativ, sondern eben künstlerisch. Man merkt natürlich, dass Heinz aus der Literatur kommt. Das merkt man auch daran, wie er an den Texten arbeitet, sehr sezierend, ständig Worte umstellend.
Heinz D. Heisl: Nicht immer zur Freude der Band. Manchmal muss ich auch die Titel verändern. Dann gibt es eine Setlist und ich werde nach einer Umbenennung gefragt, um welches Lied es sich handelt. In Klammer schreibe ich dann den alten Titel. Aber solche Umbenennungen müssen sein. Der Titel ist wie das Kleid, das ein Lied übergezogen bekommt.
Damit zum Titelsong des neuen Albums „Die Butter“, den man als gesellschaftskritisches Lied hören kann. Da geht es auch um Umverteilung, die aber nicht gleichberechtigt unter allen geschieht, sondern gleichsam von unten nach oben. Wie ist dieser Text entstanden?
Heinz D. Heisl: Der Text ist aus der folgenden Zeile entstanden: Lass die Butter auf dem Brot. Der Text hat sich dann schön mit der Musik verbunden und ich habe bemerkt, dass es zwei Hauptaspekte zum Thema gibt: zum einen gibt es diejenigen, denen die Butter vom Brot genommen wird und die anderen, die an der Butter ersticken, weil so viel Butter am Brot ist. Das sind zwei Gesellschaftsthemen, darum geht es im Lied. Auch mit der Frage: „Seid ihr denn schon alle irre?“ Auch die unten sind vielleicht aus Sorge irre und die oben sind wegen des Überflusses irre.
Wir haben für ein Video Molkerei-Anzüge angelegt und jemand hat gemeint, wir würden wie in „Breaking Bad“ aussehen. Das ergibt zu „Die Butter“ noch eine Ebene mehr: Wir sehen aus wie Crystal Meth-Köche.
Ist Butter eine Droge?
Heinz D. Heisl: Wenn man den Gedanken weiterspinnt: Ja. Dann steht Butter für Wohlstand und Wohlstand ist eine Droge.
Früher gab es in der EU immer Butterberge, also viel zu viel Butter.
Daniel Homolka: Es geht auch um die Angst, dass dir jemand die Butter vom Brot nimmt. Obwohl genug da ist.
Heinz D. Heisl: Aber sie ist schlecht verteilt.
Aber es wäre genügend für alle da.
Heinz D. Heisl: Es wäre genug da, wäre da nicht die Gier.
Damit sind wir in die gesellschaftskritischen Themen des Albums eingetaucht. Der Großteil der Menschheit lebt ja anders als wir, als der so genannte „Westen“. Seht ihr Lösungen für dieses Ungleichgewicht, das ihr ortet?
Heinz D. Heisl: Ich war noch nie für Lösungen zuständig. Ich sehe mich als jemand, der Dinge anspricht und aufzeigt. Es geht auch darum, das anzusprechen, was andere nicht gerne hören. Ich kenne zu viele Menschen mit Lösungen. Für mich war es immer die Aufgabe der Künstlerin bzw. des Künstlers etwas aufzuzeigen. Sicher hat man Ideen, aber die muss man ja nicht hinaus blasen.
Daniel Homolka: Das Lied „Bambushaus“ thematisiert schon auch, dass nicht alle in diesem mitteleuropäischen Wohlstand leben. Und dass wir diesen Wohlstand nur deswegen haben, weil wir durch die Geschichte so weit gekommen sind.
Durch die Geschichte der Ausbeutung anderer Weltregionen. Als ergänzenden Song dazu könnte man von euch „Egal“ hören. Darin geht es sozusagen um den Ausstieg aus dem System.
Heinz D. Heisl: In unserem Programm spielen wir „Egal“ immer nach dem Lied „Inflation“. Mich wundert immer wie unberührt die Menschen bei Themen wie Inflation sind. Vielleicht ist das der Gabalier-Effekt: der singt etwas wie Lalelubummbumm und da denkt sich auch niemand etwas. Das Lied „Inflation“ ist auf den Punkt gebracht, für mich persönlich leben wir im Kapital-Faschismus: ein amerikanischer Präsident ohne Geld, das geht nicht. Auch der Faschismus hat sich gewandelt, deswegen ist „Egal“ die ironische Antwort auf „Inflation“. Es gibt aber schon Menschen, die sich auf das Thema Inflation beziehen, ein Nachbar von mir kennt den ganzen Liedtext und zitiert immer wieder daraus. Für ihn ist das Lied so treffend, dass er darauf hinweist. Er ist einer, der mitdenkt.
Aktuell hat eine der großen Streaming-Plattformen ihr Ausschüttungs-Modell geändert: Bands mit wenigen Streams bekommen nichts mehr, die anderen bekommen mehr Ausschüttungen, gleichsam eine Umverteilung von unten nach oben. Neil Young hat sich längst vom Streaming zurückgezogen. Wie seht ihr das?
Heinz D. Heisl: Wir sind schon auf den Plattformen vertreten. Zum Verdienen gibt es da sowieso nichts. Neil Young kann sich natürlich mehr leisten. Früher, in unserer ersten Bandphase, war es wichtig ins „Bravo“ zu kommen. Dort waren wir. Wir waren bei einem Major-Label und haben 15.000 Stück verkauft, was damals auf einer Ebene mit Gang Of Four war. Die haben rund 12.000 Stück verkauft. Heute würden wir 3 Goldene Schallplatten dafür bekommen, es ist verrückt!
Daniel Homolka: Um es auf den Punkt zu bringen: wir können es uns nicht leisten, nicht dort zu sein. In meinen Kreisen, in meiner Altersgruppe, kannst du es dir nicht leisten, nicht auf den Plattformen zu sein. Das kannst du nicht bringen, denn dann bist du einfach ganz weg. Dann hast du halt nur mehr die Vinyl-Freaks, die sich die Raritäten schnappen. Du bist natürlich abhängig von diesen Großkonzernen, dessen sind wir uns bewusst. Wir sind nicht die einzigen, die da mitspielen müssen.
Im Jahr 1982 wart ihr Platte des Monats beim Bayrischen Rundfunk und im „Bravo“ wurdet ihr als die aktuell heißeste Band beschrieben. Inwiefern war das sozusagen ein Falco-Moment, in dem euch klar war, dass es nicht mehr viel besser werden kann und ab nun bergab geht?
Heinz D. Heisl: In einem Punkt, ja: mehr als drei Parties in einer Nacht haben wir nicht geschafft! Aber es war toll, wir sind in München in jeden Club hineingekommen. Da wurde zum Beispiel der Club P1 eröffnet und Gloria von Thurn und Taxis kam hinein und wir auch. Das Problem war schon, dass rund um uns zwar relativ viel Geld im Umlauf war, aber in dem Moment, in dem ich Geld gebraucht hätte, wurde gesagt: Du hast einen Vertrag. Bei uns wurde gut mitkassiert. Es ist viel Geld an uns vorbeigeflossen. Es war natürlich toll: man wird für 10 Tage von der ARD eingeladen, die haben für uns im Hotel ein ganzes Stockwerk gemietet, damit wir Freunde einladen können. Wir hatten ein eigenes Auto mit Fahrer. Die Discotheken haben darum gebuhlt, dass wir vorbeikommen, natürlich bei freiem Eintritt.
Im Prinzip hat ihr euch das aber alles selbst bezahlt.
Heinz D. Heisl: Im Prinzip, ja. Wenn ich daran denke, dass wir für diesen ARD-Auftritt damals 16.000 D-Mark (Anm.: rund 8100 Euro) bekommen haben und ich bin mit 160 D-Mark nach Hause gefahren.
Welche unerfreulichen Erfahrungen mit dem Musikbusiness hast du damals noch gemacht?
Heinz D. Heisl: Die Lieder musste ich an den Musikverlag weiter veräußern. Dann habe ich mitgekriegt, dass ich die Almosen von – wenn ich mich recht erinnere – rund 100.000 Schilling (Anm.: rund 7200 Euro) bekommen habe. Und derjenige, der den Vertrag von A nach B getragen hat, hat rund 800.000 Schilling (Anm.: rund 58.000 Euro) kassiert. Ich habe die 100.000 Schilling an die Band verteilt, dann wurden wir von „Bravo“ nach England eingeladen, da habe ich dann die Unterkunft für alle bezahlt. Da ist nicht viel übriggeblieben.
Es war nett, es war schön, dass wir es tun haben können. Aber es hat uns praktisch kaputt gemacht.
Jetzt, in der zweiten Bandphase und mit all den Erfahrungen im Hintergrund: Warum wird die zweite Bandphase länger als 5 Jahre dauern?
Heinz D. Heisl: Weil wir beständiger sind, weil wir weniger auf das Rock’n’Roll-Leben schauen. Halligalli brauchen wir nicht, auch wenn es manchmal lustig ist. Mir war sofort klar: nie wieder ein Major-Label. Wir haben jetzt ein eigenes Label und machen alles so, dass es in eigener Hand bleibt. Nur das macht Sinn. Niemand kann uns etwas klauen und mit den Liedern herum schachern. Heute können wir uns das leisten. Früher hat ja ein Studio Unsummen gekostet. Das hat halt jemand bezahlt und wer zahlt, schafft an.
Daniel Homolka: Jetzt ist der Anspruch auch, sich selbst ein Denkmal zu setzen. In eigener Hand etwas zu schaffen, was Bestand hat. Ich glaube, dieses Bewusstsein war damals auch nicht dabei.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Intimspray live
02.3.2024: rhiz, Album-Präsentation, 21 Uhr
13.3.2024: Recomando Praha, in store gig, 17 Uhr
14.3.2024: The Shot Out Eye Pub Praha, 20 Uhr
15.3.2024: Stará Pekárna, Brno, 21 Uhr
27.4.2024: Café Carina, 21 Uhr
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