Es ist schon eine Weile her, dass der in New York lebende österreichische Schlagzeuger und Komponist PETER KRONREIF als Bandleader in Erscheinung getreten ist und ein Album veröffentlich hat. Exakt sind es zehn Jahre, die seit dem Erscheinen von „Gloaming“ – dem Debüt seiner Band WAYFARERS – vergangenen sind. Jetzt melden sich der gebürtige Salzburger und seine Band mit „Aeronautics“ (Fresh Sound New Talent) in gebührender Art und Weise aber wieder zurück. Im Interview mit Michael Ternai erklärt PETER KRONREIF, warum es mit dem zweiten Album so lange gedauert hat, wie er es dieses Mal musikalisch angegangen ist und wie es sich als Musiker in New York lebt.
Seit deinem Debüt „Gloaming“ sind zehn Jahre vergangen. Warum hat es mit Album Nummer zwei so lange gedauert?
Peter Kronreif: Ich habe damals aus der Not eine Tugend gemacht. Ich hatte gerade den Hans Koller Preis gewonnen und sollte aus diesem Anlass mit einem eigenen Projekt ein Set im Porgy & Bess spielen. Nur hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch kein eigenes Projekt. Ich hatte aber schon einige Sachen komponiert und dachte mir, dass ich jetzt eben Nägel mit Köpfen mache. Ich bin dann nach New York geflogen – was ich damals bereits so einmal in Jahr tat – und habe dort mit befreundeten Musikern, mit denen ich zuvor schon gemeinsam etwas gemacht habe, das Album aufgenommen. Nachdem ich dann nach New York gezogen bin, bin ich immer mehr in die Sideman-Arbeit hineingerutscht und war mit diversen Bands viel auf Tour. Dadurch bin ich wieder mehr aus diesem Bandleader-Modus rausgekippt. Ich habe aber weiterhin Sachen komponiert und auch vorgehabt, diese auch einmal zu veröffentlichen.
Gab es einen bestimmten Grund, das Album jetzt zu machen und herauszubringen?
Peter Kronreif: Der Auslöser war vielleicht, dass ich, bevor ich in die USA gegangen bin, in Linz ein Studium begonnen hatte, das ich fast fertig hatte. Mir hat eigentlich nur eine Masterarbeit gefehlt. Und die Masterarbeit kann auch eine CD sein. Ich dachte mir: „Jetzt kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und beende mein Studium und mache das Album, dass ich schon lange machen wollte.“ Wobei ich das Album schon des Albums wegen gemacht habe. Das war schon die Hauptmotivation. Auf jeden Fall bin ich jetzt wieder in diesem Bandleader-Modus drinnen und buche meine eigene Tournee. Durch Covid-19 verschiebt sich die in Europa aber jetzt leider auf 2022, was eine sehr lange Vorlaufzeit bedeutet. Aber das passt schon. Ich spüre im Moment einen frischen Wind, auch weil ich mit „Fresh Sound New Talent“ ein Label gefunden habe, das mir echt taugt.
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„Ich bin kein Mozart, der schnell schreibt […]“
In welchen Zeitraum sind die Stücke eigentlich entstanden?
Peter Kronreif: Eigentlich spannt sich der Zeitraum, in denen die Stücke entstanden sind, über die zehn Jahre seit dem ersten Album. Das Stück „Aeronautics“ habe ich zum Beispiel schon 2012 geschrieben. Natürlich verändert sich so eine Nummer im Laufe der Zeit, weil man sie wieder und wieder bearbeitet, aber soweit ich mich erinnere, haben wir sie damals sogar im Rahmen meiner zweiten Tour gespielt. Die anderen Sachen sind dann in den folgenden Jahren bis quasi knapp vor dem Aufnahmetermin entstanden.
Ich bin kein Mozart, der schnell schreibt, bei mir ist das ein längerer Prozess. Manchmal schreibe ich einen Teil und lege diesen einfach einmal eine Zeitlang zur Seite. Nach ein paar Monaten nehme ich ihn mir wieder her und arbeite an ihm weiter. Das Komponieren solcher längeren Quintett-Stücke fühlt sich für mich wie ein Ausgraben bzw. Finden eines schon bestehenden Werkes an. Einen dem Teil folgenden Übergang oder die Antwort auf einen nächsten Akkord, die gibt es schon, nur muss ich sie erst ausgraben. Und das nimmt Zeit in Anspruch.
Wie entwickelt sich eine Idee bei dir? Hast du schon im Vorhinein eine Ahnung, wohin sich der Sound eines Stückes bewegen wird?
Peter Kronreif: Das ist verschieden. Ich habe jetzt in der Zeit von Covid-19 angefangen, wieder Gitarre und Bass zu üben. Und ich produziere im Moment auch sehr viel. Wenn ich an der Gitarre einen Song schreibe, dann weiß ich schon relativ schnell, in welche Richtung es geht. Da ist es relativ klar. Anders ist es, wenn ich für die Band schreibe, dann kristallisiert es sich eher am Schluss heraus, auch weil da die Besetzung sehr viel reinspielt. Ich schreibe da zwar mit dem Sound der Band im Kopf, aber meistens kommt am Ende etwas ganz was anderes raus. Ich denke schon, dass man in beiden Fällen meine Handschrift erkennt, aber es ist immer auch ganz abhängig davon, welchen Sound ich gerade höre oder in welchem Kontext das Schreiben gerade passiert. Ich habe einen so breit gefächerten Musikgeschmack, dass ich wirklich aus sehr verschiedenen musikalischen Quellen schöpfe. Ich höre eigentlich weniger Jazz als irgendwelche Folk- oder Hip-Hop-Sachen. Und das fließt alles in irgendeiner Form mit ein.
„[…] bei meiner eigenen Musik geht es mir immer um den Vibe […]“
Was beim Durchören auffällt, ist, dass die Stücke wirklich schön fließen und auch so einen schwebenden Charakter aufweisen. Von der dem Jazz manchmal anhängenden Sperrigkeit ist keine Spur.
Peter Kronreif: Ich denke da immer ein wenig aus der Perspektive eines Produzenten. Ich will den Überblick über ein ganzes Lied nicht verlieren. Natürlich ist mir ein freies Element auch wichtig, aber nicht in dem Sinne, dass – wie es im Jazz oft passiert – man ein Thema manchmal als excuse to solo versteht. Das ist auch cool und super. Und ich spiele das auch gerne. Aber bei meiner eigenen Musik geht es mir immer um den Vibe, um die Stimmung einer Sache und darum, wie ich das instrumental unterstützen kann. Ein Solo kann natürlich immer ein Thema eines Stückes unterstützen, es kann zu etwas hinführen und Energie aufbauen. Bei Coltrane war das ja auch so, dass ein Klaviersolo oftmals praktisch als ein Energieaufbau für ein Saxofonsolo diente. Solche Sachen überlege ich mir bei meinen Sachen auch ganz genau. Aus diesem Grund habe ich mir dieses Mal für die Suche meiner Bandkollegen auch viel Zeit genommen. Es war mir wichtig, Leute zu finden, die verstehen, worauf ich hinauswill, kein Problem damit haben, sich zurückzuhalten, und so spielen, dass es dem Song dient.
Du bist in New York zu Hause. Wie behauptet man sich in der Welthauptstadt des Jazz?
Peter Kronreif: Man muss auf jeden Fall seine musikalischen und instrumentalen Hausaufgaben gemacht haben. Es wird darüber eigentlich überhaupt nicht geredet, dass jemand, der dort mitspielen will, mit allen Wassern gewaschen sein muss. Man muss einfach gut sein an seinem Instrument. Und gute Musikerinnen und Musiker sind dort in so einer Quantität unterwegs, dass es ganz normal ist. Es darf einen nicht stören, dass es nicht auffällt, dass man ein super Instrumentalist ist. In einer anderen Stadt ist man schnell einer von den großen Fischen, nicht in New York. Ich glaube, das muss auch jemanden taugen, sonst wird man dort nicht glücklich. Ich bin eher jemand, den dieser Faktor pusht und zum intensiven Üben motiviert. Ich bin jetzt 37 und schaue immer noch, dass ich täglich zwei, drei Stunden übe.
„[…] merkt man recht schnell, dass das Telefon weniger oft läutet.“
Hört sich recht anstrengend an.
Peter Kronreif: Es ist anstrengend, auch weil es immer eine Art Kopf-über-Wasser-Halten ist. Wenn ich frei habe, gehe ich auf eine Session und zeige mein Gesicht. Oder ich gehe auf Konzerte von meinen Kolleginnen und Kollegen. Man muss das einfach leben. Klarerweise kann man das auch nicht immer durchziehen und bleibt mal zu Hause. Nur dann merkt man recht schnell, dass das Telefon weniger oft läutet.
Wie sehen deine Pläne aus. Was steht bei dir als Nächstes an?
Peter Kronreif: Ein Releasekonzert ist in Form eines Streams geplant. Entweder wird das im österreichischen Kulturforum in New York stattfinden oder in einem anderen Club. Das wird sich noch entscheiden. Generell ist es aber so, dass auch in New York nirgendwo Publikum zugelassen ist. Sobald es dann wieder möglich sein wird, werde ich versuchen, auf Tour zu gehen. Am ehesten wird das wahrscheinlich in Kanada möglich sein. Dorthin habe ich gute Kontakte und dort ist es auch finanziell leichter, mit einem Quintett etwas auf die Beine zu stellen. Für Europa und Österreich ist für April 2022 etwas in Planung. Da bin ich gerade am Buchen.
Hast du vor, die Konzerte mit demselben Quintett zu spielen wie auf der CD?
Peter Kronreif: Das habe ich schon vor. Nur wird man sehen, ob sich das tatsächlich realisieren lässt. Es hängt vom Budget ab, ob sich dieses aufstellen lässt. Das wird dann die schwierige Entscheidung, wen ich mitnehmen kann und wen nicht. Aber ich bin optimistisch, dass sich das alles ausgeht.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Michael Ternai
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