„Willkommen im Nichts“ nennt FUZZMAN aka HERWIG ZAMERNIK sein neues Album – Jürgen Plank hat mit ihm über die in Schlagermusik verpackten ernsthaften Themen des Albums genauso gesprochen wie über das Nichts, das Nirwana (nicht die Band!). Außerdem erzählt der Musiker und Produzent FUZZMAN, warum sich „You Suffer“ von NAPALM DEATH am neuen Album befindet und was das mit seinen Söhnen zu tun hat. Und er beantwortet die Frage, was bei einem weltweiten Erfolg von NAKED LUNCH womöglich passiert wäre.
Dein neues Album trägt den Titel „Willkommen im Nichts“. Was ist das für ein Nichts, auf das du da zielst?
Herwig Zamernik: Was ist das Nichts? Alles ist Nichts. Wenn man es von außen betrachtet, ist alles relativ wenig. Das Lied „Nur Krieg für dich“ war für mich die Initialzündung für das Album. In diesem Lied kommt die Zeile „Willkommen im Nichts“ vor und das war einfach ein Zustand, in dem ich mich befunden habe. Bei diesem Lied schwingt natürlich auch etwas Negatives mit, insofern ist „Willkommen im Nichts“ auch etwas Negatives. Für mich stand die Zeile von Anfang an als Titel da und das Feeling zieht sich für mich durch das Album durch. Es ist nicht nur negativ, denn wenn man die Buddhisten her nimmt ist das Nichts, das Nirwana, auch etwas Gutes. Und so empfinde ich das auch.
Was wäre das Negative?
Herwig Zamernik: Es gibt genügend Gründe grummelig zu sein. Wenn man ein bisschen nachdenkt oder wenn man auch so alt ist wie ich. Das Alter bringt nicht nur mit sich, dass man ausgeglichen und weise wird, sondern auch, dass man durchlässiger wird. Und dass die Zündschnur kürzer wird, so geht es mir auch. Das heißt, dass ich dem mehr Raum gebe, wenn mich etwas oder jemand nervt. „Nur Krieg für dich“ beschäftigt sich mit narzisstischen Menschen, die mir irrsinnig auf die Nerven gehen.
Inwiefern ist die Kunstfigur Fuzzman von dir getrennt und Fuzzman darf Dinge sagen, die du dich vielleicht nicht getraust bzw. wie ist dieses Verhältnis?
Herwig Zamernik: Immer so, wie ich es gerade will. Fuzzman ist ja nicht wirklich eine Kunstfigur; da gibt es schon sehr viel Gemeinsamkeit. Aber klar: Ich kann so viel von dieser Figur betonen, wie es gerade für das passt, was ich sagen will. Ich kann sagen, dass das Fuzzman ist und damit habe ich nichts zu tun, oder dass das eigentlich ich selbst bin. Ich kann das steuern, und das nehme ich mir auch heraus.
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Wie ist das bei diesem Album, das für mich ziemlich nachdenklich ist. Kommt da mehr von dir durch?
Herwig Zamernik: Vielleicht. Ich fand das letzte Album auch nicht gerade „happy Pepi“. Ich glaube, dass alle meine Alben auch persönlich sind. Wenn ich mich dazu entschließe, ein Album zu machen, ist das meistens auch ein Rückzug, in dem ich mir selbst den Raum gebe, mich mit persönlichen Dingen zu beschäftigen. Da schiebe ich nicht die Kunstfigur vor mir her, sondern nehme mir den Raum, Dinge oder momentane Zustände so festzuhalten, wie ich sie in dieser Phase gerade sehe. Mehr ist es dann auch nicht. Ein Album ist ja kein Manifest.
„DER SCHLAGER, DEN ICH LIEBE, SINGT NICHT NUR VON DER SCHÖNEN WELT UND VON DER GROSSEN LIEBE“
Musikalisch verwendest du Schlagerversatz-Stücke und jubelst uns über die Leichtigkeit der Musik doch Themen wie Narzissmus, Abschied oder existenzielle Fragen unter. Ist das der Weg, den du gerade gehst?
Herwig Zamernik: Ja, offensichtlich. Ich habe Schlager nie so gesehen, dass er nur leicht sein muss. Der Schlager, den ich liebe, singt nicht nur von der schönen Welt und von der großen Liebe. Sondern auch vom Unglück oder der unerfüllten Liebe. Dieses Schlager-Ding ist für mich die zweite Stufe der Kunstfigur: Dass die Kunstfigur Fuzzman von sich selbst sagt ‘Ich bin Schlager’, ist etwas, das ich vor mir herschieben kann, wie ich gerade mag. Nachdem sich die Musik-Elite in ihrem Schaffen und ihrem Dienstleister-Sein viel zu ernst nimmt, grenze ich mich davon ab und sage, dass ich Schlager mache. Vielleicht mache ich nächstes Mal eine Grindcore-Platte, weil es mich nervt, ein Schlagersänger zu sein.
Das ist vielleicht auch eine Aussage zu dieser Zeit, in der wir uns gerade befinden, in der alles ständig verhandelbar ist: Jeder und jede darf sich auch jederzeit anders definieren, sogar die Geschlechter sind disponibel.
Herwig Zamernik: Ich bin immer ein Schlagersänger, das ist schon so. Aber ja, wie ich mich darstelle, bestimme ich selbst, und insofern bin ich völlig damit einverstanden, dass jeder in Bezug auf sein Geschlecht selbst entscheiden sollte. Das finde ich völlig in Ordnung. Das ist die Gnade des Ortes der Geburt, dass Menschen hier diese Freiheit haben, ihre Entscheidungen zu treffen, ohne wie in anderen Teilen der Welt gehängt zu werden. Das ist meine Vorstellung von einer freien Welt, und als Künstler nehme ich mir das Recht heraus, das zu unterstützen, auch wenn es weniger wichtig ist als das grundlegende Recht, frei und selbstbestimmt zu sein.
Ich entscheide, wie stark ich eine Kunstfigur betone oder nicht. Im Grunde genommen ist alles, was ich sage, sehr persönlich. Es ist eine Behauptung, so wie alles in der Kunst eine Behauptung ist, und deshalb nehme ich mir das Recht heraus, zu behaupten, was ich möchte.
Ein Song am Album heißt „Mein Südland“, das ich als kritische Hymne auf Kärnten gehört habe. Es geht darin auch um Ausgrenzung, ist das Lied eine kritische Liebeserklärung?
Herwig Zamernik: Als Überbegriff kann man sagen, dass es eine kritische Liebeserklärung ist. Ich habe Zitate aus dem Kärntner Heimatlied, der Landeshymne, verwendet. Eine Hymne ist sowieso zwiespältig für mich: da werden immer absurde und grausame Dinge als etwas Wundervolles dargestellt, auf das man stolz sein sollte. Wo man mit Blut und Not die Grenze schrieb, ist als Zeile im Kärntner Heimatlied drinnen. Etwas Schlimmeres als mit Blut und Not die Grenze zu schreiben, gibt es doch gar nicht. Aber die Menschen stehen dann da und sagen dazu: herrlich! Die vierte Strophe des Kärntner Heimatlieds wurde von einer bekennenden Nationalsozialistin nachträglich geschrieben und ist sehr umstritten.
Die Wehmut dieser Region ist mir aber auch nahe. Deswegen stimmt es: das ist eine liebevolle aber auch kritische Auseinandersetzung mit diesem Südland, das auch ganz schön garstig sein kann.
Am letzten Album gab es ein Lied für deine Mutter, auf diesem ein Lied für die nächste Generation, für Kinder, die erwachsen werden.
Herwig Zamernik: Ich habe ja drei Söhne und der letzte Sohn ist im letzten Jahr ausgezogen. Wenn der Letzte auszieht, geht eine Ära vorbei. Darum geht es in diesem Lied. Es geht darum zu zeigen, dass man diesen Abschied akzeptieren und ihm den Raum geben kann, den er benötigt, anstatt sich in Wehmut zu verlieren. Das ist ein wichtiger Einschnitt im Leben eines Menschen.
„DIE ZEIT, IN DER ICH DANACH GEDÜRSTET HABE, WELTRUHM ZU ERLANGEN, WAR FÜR MICH ALS MENSCH DIE EINZIGE UNWÜRDIGE ZEIT MEINES LEBENS“
Apropos Einschnitte: Im Leben gibt es ja Abzweigungen oder Entwicklungsstränge, die maßgeblich darüber entscheiden, wie es weiter geht. Hätte Naked Lunch weltweiten Ruhm erlangt, wie wäre es in diesem Fall weiter gegangen? Würdest du überhaupt als Fuzzman Musik machen? Denkst du über solche Fragen manchmal nach oder ist das nicht wirklich eine Frage für dich?
Herwig Zamernik: Es ist nicht wirklich eine Frage, weil es nicht passiert ist und man lernt auch, Dinge abzuschließen. Aber ich habe mit Oliver (Anm.: Oliver Welter) schon mal darüber gesprochen, nachdem klar war, dass wir keine Weltstars werden und nicht die Stadien dieser Welt spielen werden, was sowieso ein seltsames Ansinnen war. Eine unwürdige Zeit. Die Zeit, in der ich danach gedürstet habe, Weltruhm zu erlangen, war für mich als Mensch die einzige unwürdige Zeit meines Lebens. Damals wussten wir es halt auch nicht besser. Wir waren jung.
Wahrscheinlich wären wir aber nicht mehr am Leben: Wir waren damals so exzessiv unterwegs, dass wir uns beide einfach weg geballert hätten. Wir wären wahrscheinlich nicht mehr da. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht sagen. Aber ich bin lieber da. Ich bin viel lieber da und mache das, was ich mache.
Eine Cover-Version gibt es am neuen Album: „You Suffer“ von Napalm Death ist nur 1,3 Sekunden lang und gilt als der kürzeste Song der Welt. Warum hast du „You Suffer“ ausgewählt?
Herwig Zamernik: Das hat mehrere Gründe. Die Initialzündung dazu war: Erstens machen wir als Familie nicht nur ein Mal pro Jahr – wenn wir es schaffen – eine Bergwanderung, sondern gehen immer wieder miteinander zu Konzerten, zu denen wir uns gegenseitig einladen. Das ist eine Familien-Aktion. Und wir waren gemeinsam bei Napalm Death in der Arena. Das war einer dieser Ausflüge, und ich habe gefunden, dass das eines der schönsten Konzerte überhaupt war. Es war ein fantastisches Konzert! Die bolzen eineinhalb Stunden lang wie die Wahnsinnigen und es ist das, was es ist. Es ist Grindcore. Und es war so eine Wärme und eine schöne, umarmende Stimmung in der Arena. Mir ist diese Art von Musik nahe und ich fühle mich damit, auch in der Haltung, verbunden. So habe ich mich mit meinen Söhnen darauf verständigt, dass wir dieses Lied miteinander covern. Wir haben uns in meinem Studio getroffen, alles aufgebaut und sie haben das eingespielt. Ich habe das nur aufgenommen.
Es ist ein Statement, auch aus Liebe zu dieser Band Napalm Death, zu meinen Söhnen, zu dieser Musik und Szene, die ich damals cool gefunden habe. Noch dazu passt es extrem gut genau an diese Stelle des Albums.
Mit dieser geschrienen Frage „Why?“ passt der Song, finde ich, auch zur Grundstimmung des Albums.
Herwig Zamernik: Genau, es war genau richtig für mich. Der Text lautet zwar „but, why?“, aber hören tut man auch bei Napalm Death nur „Why?“. Ich finde es gewaltig, wie viel man mit so wenig erzählen kann, bei einem Lied mit dem Titel „You Suffer“, mit dem Text „but, why?“. Das ist groß, das ist Kunstgeschichte, wenn du mich fragst.
Die Sängerin Resi Reiner hat heuer ein Album veröffentlicht Sie macht wie du ihre eigene Version von Schlager. Verfolgst du was die nächste Generation musikalisch macht?
Herwig Zamernik: Ja, ich habe sie im letzten Jahr auch zu Fuzzstock eingeladen. Ich verfolge gar nicht so viel, weil ich ja meistens selbst Musik mache und die Stille genieße, wenn ich aus dem Studio hinaus gehe. Aber ich bekomme es schon mit, wenn jemand wie Resi aufpoppt. Das ist schon cool, dass sie das macht, auch wie sie das macht.
In Bezug auf Schlager gibt es jetzt auch die Strömung lustige Schlager zu machen. Seltsamerweise ist es in den letzten Jahren wieder cool geworden, Schlager zu machen. Was ich noch als Auflehnung gegen die Indie-Elite empfunden habe, die alles schlecht findet, was nicht in ihrem Muster funktioniert, und weswegen ich mich auch als Provokation als Schlagersänger deklariert habe. Das ist jetzt pseudo-salonfähig geworden, indem man witzigen Schlager macht. Da zähle ich Resi nicht dazu. Aber das interessiert mich nicht. Das finde ich echt albern. Ich mag lieber den ernsten Schlager. Ich bin lieber beim echten als beim Witz-Schlager.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Live:
13.10.2023 STWST, Linz
14.10.2023 Bäckerei, Innsbruck
21.10.2023 Theaterhalle 11, Klagenfurt
10.11.2023 PPC, Graz
11.11.2023 Bertholdsaal, Weyer
16.11.2023 Milla, München
17.11.2023 Gold, Ulm
18.11.2023 ARGE, Salzburg
25.11.2023 ARENA, Wien
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