„Ich bin letztlich ein glücklicher Mensch geworden“: Ö1 zum 70. Geburtstag von Georg Friedrich Haas

Wien (OTS) – Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas begeht am 16. August seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass thematisiert Ö1 in mehreren Sendungen Aspekte des Lebens und Schaffens von Haas: von seiner „mikrotonalen“ Klangsprache über seinen internationalen Erfolg bis zu seiner beeindruckenden Wirkmächtigkeit als Lehrer.

In „Des Cis“ (11.30 Uhr) sind von Montag, den 7. bis Montag, den 14. August Vignetten zu hören, die u. a. Haas‘ Zugang zur Mikrotonalität oder zur Politik thematisieren.

Drei Ausgaben von „Zeit-Ton“ (23.03 Uhr) sind dem Komponisten gewidmet. Am Montag, den 7. August geht es darum, wie Georg Friedrich Haas das musikprotokoll prägte. Das musikalisch und gesellschaftspolitisch wirksame Schaffen von Georg Friedrich Haas ist eng mit Graz und dem ORF musikprotokoll im steirischen herbst verbunden. Dort wurden einige seiner zentralen Werke uraufgeführt, darunter sein Erstes und Viertes Streichquartett sowie sein politisch brisanter „Monolog für Graz“ über die Wirkmächtigkeit nationalsozialistischen Gedankenguts „als unterschwelliges Substrat in der Realität der österreichischen Gesellschaft“. Auch die Wurzeln seines Kompositionsstils reichen in die Geschichte von Österreichs ältestem Festival für zeitgenössische Musik zurück: Intendant Karl Ernst Hoffmann holte Haas 1988 als Kurator zum musikprotokoll. Eine Festivalausgabe, die damals kritisch beäugt wurde und heute als visionär erkannt wird, weil sie die Möglichkeiten des Komponierens mit Mikrointervallen exemplifiziert hat. Haas wirkte selbst bei mehreren Aufführungen mit, unter anderem leitete er die Aufführung von „Arc-en-Ciel“ für sechs Klaviere im Zwölfteltonabstand von Ivan Wyschnegradsky, dem Pionier mikrotonalen Komponierens.

„Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas und sein Einfluss auf das zeitgenössische Komponieren“ ist Thema in „Zeit-Ton“ (23.03 Uhr) am Dienstag, den 8. August. Haas gehört zu den einflussreichsten Komponistenpersönlichkeiten der Welt. Seit 2013 hat er eine Kompositionsklasse an der Columbia University New York – eine der angesehensten Stellen, die man als Kompositionslehrer haben kann. Davor unterrichtete er in Basel und 16 Jahre lang an der Kunstuniversität Graz – dort unter anderem Kontrapunkt, Werkanalyse und Kompositionstechniken des 20. und 21. Jahrhunderts. „Zeit-Ton“ geht der Frage nach, welche Aspekte seines Werks besonders wirkmächtig waren – immerhin wurde sein Stück „in vain“ 2017 in einer von der italienischen Musikzeitschrift „Classic Voice“ initiierten Abstimmung als das bedeutendste Werk seit 2000 gekürt.

Die Welt neu hören mit Georg Friedrich Haas

„Georg Friedrich Haas: Komponist und Zeitzeuge“ steht am Montag, den 14. August im Mittelpunkt von „Zeit-Ton“ (23.03 Uhr). „Komponieren ist für mich wirklich eine existentielle Notwendigkeit, um mit dem Ballast, den ich in mir verspüre, in irgendeiner Weise fertig zu werden“, so Georg Friedrich Haas 2006. Was er damit angedeutet hat, machte er fast ein Jahrzehnt später öffentlich. Der Komponist ist in einer den Nationalsozialismus verherrlichenden Familie aufgewachsen und er hatte selbst noch als junger Student an dieser Ideologie festgehalten. 2022 erschienen dazu seine autobiographischen Erinnerungen „Durch vergiftete Zeiten. Memoiren eines Nazibuben“. Darin schildert er seine Sicht, wie nach 1945 in Österreich mit dem Nationalismus sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich umgegangen wurde. Trotz dieser Bürde, wie auch wiederholten Missbrauchs- und Gewalterfahrungen ist es Haas gelungen, sein Leben in andere Bahnen zu führen. „Ich bin letztlich ein glücklicher Mensch geworden“, schreibt der Komponist in seinen Memoiren. Die Musik hat dabei eine Schlüsselrolle gespielt.

„Opus – das Musikkolloquium“ begibt sich unter dem Titel „Die Welt neu hören mit Georg Friedrich Haas“ am Dienstag, den 15. August ab 15.05 Uhr auf einen Streifzug durch das Schaffen von Haas. Aus einer Umfrage des italienischen Magazins „Classic Voice“ unter 100 Expert:innen aus Europa ging Georg Friedrich Haas im Jahr 2017 als bedeutendster Komponist der Gegenwart hervor, gefolgt von Simon Steen-Andersen und Rebecca Saunders. Was macht Haas‘ Werk so besonders? Wie hat seine Beschäftigung mit der Welt der Obertöne und Mikrointervalle das Komponieren – und die Kalibrierung unseres Hörens – verändert?

Georg Friedrich Haas hat immer gerne für die vielen Klangfarben einer großen Orchesterbesetzung komponiert. Einigen ausgewählten Beispielen dieses Genres gespielt vom RSO Wien ist das „Ö1 Konzert“ am Dienstag, den 15. August ab 19.30 Uhr gewidmet. Den Auftakt macht das „Konzert für Violine und Orchester“ von Georg Friedrich Haas aus 1998 mit Violinist Ernst Kovacic und Friedrich Cerha als Dirigent des RSO Wien, aufgenommen in Graz beim ORF musikprotokoll. Es folgt das „concerto grosso Nr. 2“ für Ensemble und Orchester, ebenfalls ein Mitschnitt aus dem musikprotokoll-Archiv mit der seltenen Kombination von Klangforum Wien und dem RSO Wien gemeinsam auf der Konzertbühne. Danach steht das „concerto grosso Nr. 1“ für vier Alphörner und Orchester auf dem Programm. Schlussendlich macht Haas‘ Stück „Fremde Welten“ für Klavier und Orchester schon durch seine Besetzung den Widerspruch zwischen wohltemperierter Klavierstimmung und mikrotonal intonierendem Orchester hörbar. Das „Ö1 Konzert“ endet mit dem Stück eines Komponisten, den Georg Friedrich Haas so sehr schätzte, dass er 2006, als der Bewunderte verstarb, das Werk „Open Spaces / in memory of James Tenney“ komponierte. Beim musikprotokoll 2010 spielte das RSO Wien sowohl Haas‘ „Fremde Welten“ als auch jenes Werk des amerikanischen Komponisten James Tenney, auf das sich Haas in memoriam bezogen hatte: „In a Large, Open Space“. Das Programm von Ö1 im Detail ist abrufbar unter https://oe1.orf.at/.

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Link:

Georg Friedrich Haas (mica-Datenbank)