„ICH BIN EIN VERSUCHENDER” – KIMYAN LAW IM MICA-INTERVIEW

Wir sprechen keine zwei Minuten und landen beim Thema Ernährung. NICO MPUNGA aka KIMYAN LAW sucht sich Restaurants und Bars gerne nach der veganen Auswahl aus. Im Café Eiles klappern Tassen und Geschirr, der Wiener Producer mit kongolesischen Wurzeln bestellt Tonic Water. Über die nächsten eineinhalb Stunden sprechen wir über die Bedeutung von Stille, Nuancen von Trauer und das Erfinden von Sprachen. Außerdem hat KIMYAN LAW gerade sein Kurzfilm-Debüt gegeben. Damit gibt er zum ersten Mal Einblick in ein Universum, das in seinem Kopf seit Jahren bestehe. Wieso man darin mehr als Drum’n’Bass – eine der vielen Disziplinen von KIMYAN LAW findet –, erfahren wir im Gespräch, das mit der Diskussion um veganen Käse beginnt.

Kimyan Law: Ich mach Kunst, die sich mit der Natur und unserem Bezug zu ihr beschäftigt. Da zählt der gustatorische Aspekt genauso dazu. Wenn ich die zeitlichen Kapazitäten habe, setze ich mich damit auseinander – um Neues zu entdecken.

Was hat zu dieser Offenheit geführt?

Kimyan Law: Leute verwenden in diesem Kontext oft das Wort Empathie. Dabei übersteigen manche Dinge das Empathische, selbst wenn es außer dem Wort Liebe keinen Begriff dafür gibt. Ich führe diese Bereiche auf meine Kindheit zurück. Seit damals habe ich eine innige Beziehung zur Natur, weil ich im Wald groß geworden bin.

Am Stadtrand im 22. Bezirk.

Kimyan Law: An der Stadtgrenze, in der Lobau, das war mein Spielplatz. Hör ich mir meine vergangenen Alben an, auf denen viele Naturgeräusche vorkommen, erkenne ich den Einfluss, den diese Umgebung auf mich gehabt hat. Sie ist Teil meiner Identität, in der ich retrospektiv Muster erkenne, die mich dorthin geführt haben, wo ich heute bin.

Bist du ein nachdenklicher Mensch?

Kimyan Law: Meinst du damit jemanden, der viel nachdenkt, oder zu viel nachdenkt?

Wir sprechen seit fünf Minuten. Ich merke, dass du dich viel mit dir und deiner Umgebung auseinandersetzt.

Kimyan Law: Dann schon! Ich kann das nicht abstellen. Wenn ich mit einem Konflikt oder Dilemma konfrontiert bin, frage ich mich: Kann man das lösen? Falls ja – wie sieht diese Lösung aus?

Mir scheint, du bist sehr bei dir. Das setzt Reflexion voraus.

Kimyan Law: Ich war früh selbstreflexiv, ja. Das hat mit Alltagsrassismus und Diskriminierung zu tun, die ich ab dem Kindheitsalter erfahren habe. Außerdem gab es eine starke Dissonanz. Als Kind sieht man keine Schubladisierungen, die von außen auf einen projiziert werden. In meinem Elternhaus – ich bin Kongolese und Österreicher – erfuhr ich Liebe. In der Schule war es Rassismus. Das löst einen Coping-Mechanismus aus. Entweder man fällt in Depressionen. Oder man findet ein Ventil, mit dem man diese Dissonanz therapieren kann.

Bei dir war das die Kunst.

Kimyan Law: Zeichnen, Malen, Musikmachen, ja. Interessen und Fähigkeiten, die sich aus der Aufarbeitung meiner Vergangenheit speisen und gleichzeitig dazu führen, dass ich mit ihr leben kann. „Coeur Calme”, mein erstes Album von 2014, war das Verarbeiten meiner Kindheit. Da war ich 13 oder 14.

Du hast das erste Album mit 14 Jahren produziert?

Kimyan Law: Mit elektronischer Musik hab ich mit vierzehn begonnen. Davor lernte ich Schlagwerk. Meine Eltern haben mir aber erzählt, dass ich schon als Baby Rhythmen geklopft habe. Das ist Teil meines Wesens und eine Sprache, mit der ich mich ausdrücke. Meine Muttersprache mag Französisch sein. Musik spreche ich genauso fließend. Es gibt Akzente, verschiedene Dialekte und Sprachmuster, die man sich aneignen kann und die andere Menschen verstehen.

„WENN SICH ÜBER ACHT TAKTE NICHTS ÄNDERT, WIRD MIR FAD.”

Wer die Sprache spricht, gehört dazu. Wer sie nicht spricht, bleibt ausgeschlossen.

Kimyan Law: Deshalb denke ich nicht in Genres, sondern von einem Ursprung der Musik aus. Was in den letzten 40 Jahren passiert ist, interessiert mich während des Musikmachens nicht. Natürlich höre ich Musik, ich interessiere mich für sie. Ich denke aber nicht an sie, wenn ich Musik mache. Ich mach sie einfach.

Das Nachdenkliche, das dich als Mensch ausmacht, wird in der Musik impulsiv.

Kimyan Law: Wenn sich über acht Takte nichts ändert, wird mir fad!

Es muss sich permanent etwas verändern. Bist du ein nervöser Mensch?

Kimyan Law: Weißt du, ich mag viel Musik überhaupt nicht. Das hilft sehr, weil es wichtiger ist zu wissen, was man nicht mag, bevor man abspicken kann, was man cool findet. Heute klingt Musik oft nach einem misslungenen Zungenbrecher. Die Rhythmik macht selten Sinn.

Hast du Beispiele?

Kimyan Law: Das Verhältnis von Kick und Snare, die Klangfarbe und das Clashen verschiedener Instrumente.

Noise …

Kimyan Law: Mag ich sogar, obwohl es dort besonders clasht! Trotzdem: Die Beurteilung bleibt subjektiv. Es ist, als würde man ein Bild ansehen – und es gibt einem nichts. Vielleicht versteht man den Kontext, weil man den Begleittext durchliest. Aber es spricht einen nicht an. Das hab ich oft.

Kunst spricht nur an, wenn ein Dialog entsteht. Ist sie mit Bedeutung überladen, kann kein Gespräch entstehen. Sie erdrückt einen.

Kimyan Law: Kunst wird dadurch zu einem Produkt.

Das sich konsumieren lässt.

Kimyan Law: Wie Fernsehen. Von dieser Logik versuche ich mich auszunehmen. Mit Kimyan Law versuche ich eine Soundkulisse zu schaffen, die für mich ideal ist. Das habe ich noch nicht erreicht, also mach ich weiter.

Du bist ein Suchender.

Kimyan Law: Wäre meine Musik perfekt, würde ich aufhören, sie zu produzieren. Mein Drive entsteht teilweise aus der Tatsache, dass ich noch nicht zufrieden bin. Deshalb bin ich ein Versuchender.

Bild Kimyan Law
Kimyan Law (c) Pressefoto

Im Versuchen liegt auch die Versuchung – noch besser zu werden zum Beispiel.

Kimyan Law: Ja, ich strebe nach einem warmen, organischen Klang, der einen Fingerabdruck hat. In meiner Musik findet man viele Texturen aus Alltags- und Naturgeräuschen Das ist wie Schnitzen. Man merkt, dass es nicht perfekt rausgefräst, sondern in Handarbeit entstanden ist.

In manchen Tracks knistert, knackst und rauscht es. Damit verortest du die Musik, finde ich.

Kimyan Law: Dieses Knistern behandle ich wie Instrumentation. Ich platziere also nicht nur eine Textur, damit sie vorhanden ist. Ich gebe ihr einen eigenen Rhythmus.

Das geht im Gesamten unter …

Kimyan Law: Sorgt aber für Haltbarkeit der Stücke! Mir schreiben immer wieder Leute, dass sie in meinen Pieces nach häufigem Hören immer noch neue Elemente entdecken. Das freut mich sehr.

Manche Stücke kann man tausende Male hören, ohne dass sie sich abnützen – vielleicht, weil man immer weiter in einen Dialog mit ihnen treten kann?

Kimyan Law: Es gibt Lieder, die ich länger und besser kenne als manche Menschen. Gerade weil man sich über die Jahre verändert, hört man das Lied anders. Trotzdem: Es hat damals etwas ausgelöst. Es löst jetzt etwas aus. Das Gefühl mag nicht dasselbe sein, dennoch fühlt man sich angesprochen. Das ist nicht nur die Projektion seiner selbst in die Musik – dafür ist Musik zu lebendig, dafür löst sie zu viel in uns aus. Man kann Musik nicht auf ein Argument runterbrechen.

Bild Kimyan Law
Kimyan Law (c) Pressefoto

Man umkreist die Bedeutung der Musik, wird sie sprachlich aber nie erfassen.

Kimyan Law: Damit bin ich sehr zufrieden, weil …

Sie im Moment, in dem man sie versteht, ergründet wäre?

Kimyan Law: Man könnte sie nicht mehr im gleichen Licht sehen wie davor.

Deshalb sprechen wir über Musik, ohne über die Musik zu sprechen.

Kimyan Law: Das macht schon Sinn. Sonst verliert man sich oft in leeren Phrasen wie bei der Frage: Wie geht es dir?

Eine Phrase, um die weirde Stille zu umgehen, oder?

Kimyan Law: Ich mag peinliche Stille sehr.

Weil man sie aushalten muss?

Kimyan Law: Stille ist für alle humbling. Man merkt, dass sich eine Situation unbeholfen anfühlt – das mögen viele Menschen gar nicht. Die Sache ist: Ich muss nicht immer reden. Viel eher schätze ich die company von Leuten als Wesen. Peinliche Stille zeigt also, dass es nicht immer notwendig ist, irgendwelche Wörter zu äußern, nur um sie zu füllen. Was ist, wenn man in dem Moment gar nichts sagen muss? 

Ich mag Menschen, mit denen man Stille teilen kann und sich dadurch verbunden fühlt.

Gespräche hallen im Hintergrund, Tassen klappern. Wir halten kurz inne, für ein paar Sekunden herrscht Stille zwischen uns.

Kimyan Law: Gerade jetzt, diese Stille … das war nicht peinlich!

Weil wir beide in das Gespräch invested sind – und nachdenken.

Kimyan Law: Ist das nicht superwichtig? Nachzudenken, wenn man ein Gespräch führt. Stell dir vor, du haust nur Wörter raus, damit es nie leise ist.

Passiert das nicht permanent? Man scrollt immer weiter durch die Timeline, der Stream hört nie auf – alles bombardiert dich, niemand fragt dich, ob du damit OK bist.

Kimyan Law: Wir sind dazu konditioniert worden, unsere Smartphones nie aus der Hand zu geben. Wir sind die einzigen, die das auch revidieren könnten.

Ist das nicht unfair?

Kimyan Law: Natürlich ist es unfair! Aber wie viele Dinge sind auf dieser Welt nicht unfair?

Man soll die Verantwortung für etwas übernehmen, das man in the first place gar nicht initiiert hat?

Kimyan Law: Ich sag nicht, dass du derjenige bist, der die Schuld hat. Du bist derjenige, der es ändern kann because nobody else cares about you! Dieser Überfluss bringt nichts außer Ertrag – für andere Menschen außer dir. Du bist das bottom end, der Konsument. Deshalb ist es uninteressant, wer Schuld hat. Wichtig ist, wer den Hebel in der Hand hat.

Kennst du Mark Fisher? Er war britischer Theoretiker, hat sich viel mit dem Thema beschäftigt, aber auch zu Künstlern wie Burial geschrieben …

Kimyan Law: Burial, der Producer? Zu seiner Musik habe ich eine starke Beziehung, wie viele andere Leute, die ich kenne. In ihr finde ich Gefühle, die so vielschichtig sind, dass sie mich an meine Kindheit erinnern. Das inspiriert mich. Ich will mit meiner Musik Emotionen transportieren, die über ein paar Grundemotionen wie grantig, fröhlich oder traurig hinausgehen. Schließlich gibt es unendliche Nuancen der Trauer. Weil ich oft traurig, aber ebenso oft fröhlich bin, will ich das Dazwischen ausdrücken. Und so bin ich auch froh, dass ich traurig sein kann.

Bild Kimyan Law
Kimyan Law (c) Pressefoto

Kannst du das ausführen?

Kimyan Law: Ich weiß, dass ich meine Emotionen nicht verstecke. Deshalb versuche ich in Gesprächen mit anderen Menschen, immer einen space zu öffnen, in dem sie ihre auch nicht verstecken müssen. Einfach weil es mich verletzt, wenn ich merke, dass Menschen ihre Emotionen runterschlucken.

Du hast vorhin gesagt, dass du froh seist, so traurig zu sein. Das klingt für mich nach melancholischer Euphorie. Beide Pole dürfen zusammengehen.

Kimyan Law: Wer hat uns beigebracht, dass beide Pole nicht zusammen sein dürfen? Das find ich nicht richtig.

Jede Playlist suggeriert dir eine Stimmung. Nie mehrere.

Kimyan Law: Es geht um Feel-Good-Vibes oder das Gegenteil davon. Es gibt aber so viel dazwischen. Man muss es nur suchen. Zum Beispiel auf Bandcamp. Das ist die echte Welt der Musik – mit echten Menschen, die Musik machen. Spotify ist das, was alle kennen, aber überleg mal: Du zahlst zehn Euro für jeden Song, der auf diesem Planeten jemals produziert wurde und dort angeboten wird? Are you mad? Was soll denn davon für Musikschaffende übrig bleiben? Das ist ein System, das nicht funktionieren kann. Zumindest nicht für Musiker:innen. Trotzdem benutzen es Menschen, weil es bequem ist. Man drückt ein bisschen rum und erstellt eine Playlist. Das gibt dir das Gefühl, dass du etwas gemacht hast. Gleichzeitig zahlst du ein paar Euro im Monat, also gehört dir die Musik.

Was natürlich nicht stimmt. Es ist die krasseste Entwertung von Musik ever.

Kimyan Law: Wir sehen das ganze Ausmaß nicht. Deswegen schätze ich Leute, die sich mit Musik auseinandersetzen und zum Beispiel Platten kaufen. Sie haben Teil und unterstützen die Kunst. Das verstehen viele nicht. Einige Leute vergessen leider, dass kunstschaffende Menschen Schweiß und Tränen vergießen, um das zu machen, woran sie glauben. Kunst ist nicht nur ihre Existenz, sondern ihr Wesen. Übt man an Stelle dessen eine andere Tätigkeit aus, verkümmert die Seele.

Gleichzeitig diskutiert man um Bruchteile von Cent-Beträge für Streams – eine Diskussion, die das Symptom, aber nie die Krankheit angreift.

Kimyan Law: Ja, das ist nicht mal ein Schmerzmittel. Das System ist kaputt, trotzdem glauben manche immer noch, dass man es retten kann. Meine Frage an diese Menschen ist: Was verteidigt man dabei? Das Konsumentenverhalten, mit dem man konditioniert wurde? Worum geht es hier wirklich?

Du gehörst zu den Involvierten, hast vor einem Jahr ein Label gegründet. Das sagt viel über dich als Künstler aus – du stehst dazu, du willst das jetzt, also machst du es, weil alles andere nicht funktioniert.

Kimyan Law: Das stimmt tatsächlich. Als die Pandemie begonnen hat, haben so viele Kunstschaffenden auf einmal einen großen Teil ihrer Existenzgrundlage verloren. Konzerte wurden abgesagt, ein ganzes Jahr an Planung löste sich auf, es blieb nichts übrig. In dieser Zeit ein Label zu gründen, war nicht einfach, aber der richtige Schritt – und Sprung ins kalte Wasser, weil ich keine Ahnung hatte, wie man ein Label führt. Ich weiß es noch immer nicht, konnte innerhalb eines Jahres aber viel rumprobieren und lernen. Mittlerweile merke ich, dass es funktionieren kann. Schließlich war ich immer interdisziplinärer Künstler und habe lange mehr gemalt, als Musik gemacht. Diese Disziplinen bündeln sich jetzt auch im Label. Ich muss es nur festhalten und herzeigen.

„JETZT BIN ICH REGISSEUR.”

Das erste Projekt ist „Emblem of Peace” – vier EPs und vier Stämme, die in einem Album zusammenlaufen.

Kimyan Law: Genau. Die Symbolik für dieses Projekt ist seit dem dritten Album im Entstehen. Außerdem habe ich eine Sprache konstruiert, die in diesem Universum funktioniert. Dazu kommt das Artwork, das ich gemalt habe. Die Farben, das Visuelle, die Ikonographie mitsamt der Sprache und Musik finden zusammen. In meinem Inneren war das schon immer so. Allerdings ist es das erste Mal, dass ich es in seiner Gesamtheit nach außen hin darstellen kann.

Du hast dich bereits in dieser Welt bewegt, die andere erst erschließen können.

Kimyan Law: Deshalb war es mir wichtig, für „Emblem of Peace” einen Kurzfilm zu drehen. Die Idee, das Universum von Kimyan Law filmisch darzustellen, bestand schon länger. Ich hab mir aber versprochen, dass ich es nur umsetze, wenn zwei Umstände zusammenkommen: das Geld und die richtigen Leute. Vor eineinhalb Jahren hatte ich beides. Ich wusste, dass es an der Zeit war, die Idee in die Tat umzusetzen. Jetzt beginne ich ein neues Kapitel im Filmemachen.

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Es ist the beginning von einer neuen Geschichte für Kimyan Law.

Kimyan Law: Ja, ein neues beginning, das weiterführen kann. Die Ideen sind da, die Ressourcen fehlen noch. Dabei gibt es viel zu planen. Allein die Gesichtsbemalungen der Charaktere der Stämme haben verschiedene Bedeutungen. Ich zeichne jedes Accessoire, jedes Symbol, übersetze Dialog in die Sprache – weil ich diese Geschichte erzählen muss.

Woher stammt dieser Drang, Geschichten zu erzählen?

Kimyan Law: Ich denke, ich hatte immer eine lebendige Fantasie. Es ist meine Berufung. Ich bin dafür geboren, wie andere Menschen geboren sind, um andere Dinge zu tun.

Glaubst du?

Kimyan Law: Meine Mutter ist Pädagogin. Meiner Meinung nach einer der wichtigsten Berufe für Menschen. Sie zieht Menschen auf – mit ihrer Weisheit, Liebe und Güte, die man nicht erklären kann. Das versteh ich darunter, wenn ich sage, dass es Berufungen gibt.

Du fühlst dich dazu berufen, Geschichten zu erzählen.

Kimyan Law: Bisher ohne, bald aber mit Worten – hat ja nur sieben Jahre gedauert.

Tolkien hat ewig an seinem Universum zu „Herr der Ringe” geschrieben. Du baust auch ein Universum auf – mit eigener Sprache.

Kimyan Law: Ich bin trilingual aufgewachsen, meine Familie und Freunde sprechen viele Sprachen. Wenn wir die Sprache einer Person sprechen, haben wir einen direkten Zugang zu ihr. Deshalb hab ich eine conlanguage entwickelt. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: a priori oder a posteriori. Klingonisch wäre zum Beispiel a priori, sie ist von Grund auf neu geschaffen. A posteriori orientiert sich an bestehenden Sprachsilben. Die Sprache von Kimyan Law ist a posteriori. Ich habe mit der Phonetik experimentiert, die ich kenne und die sich gut für mich anfühlt. Es sollte ein Sound entstehen, der emotional bedacht klingt und spirituell weise, weil: Wie miteinander umgegangen wird, ist oft schon in der Sprache präsent. Außerdem sollte die Sprache international funktionieren. Ich wollte nicht, dass man sie auf einen einzigen Stamm zurückführen kann.

Die Sprache ist nicht verortbar.

Kimyan Law: Es geht mir um Umoja – das steht in Swahili für das Prinzip der Einigkeit. Damit will ich alle Schubladisierungen aufbrechen, nicht mit Hass oder Tiraden, sondern mit Einheit. Das passiert durch das Eintauchen in den Film. Der Hauptcharakter lebt im Wald, ein bisschen wie ein Förster, bis er die Botschaft übermittelt bekommt, dass er das Emblem zu den Stämmen bringen soll. Also macht er sich auf den Weg zur Erstgeborenen des Wetland Tribes. Das hat mit Ehre und Respekt zu tun.

Bild Kimyan Law
Kimyan Law (c) Pressefoto

Halten wir hier an, jede weitere Erklärung würde die Möglichkeit verhindern, den Film selbst zu ergründen. Ich möchte dich zum Abschluss aber etwas fragen, das ich in Gesprächen oft dann frage, wenn ich das Gefühl habe, dass es passt: Was liebst du an dir selbst?

Kimyan Law: Ich glaube an wahrhaftigen Frieden – davon bin ich überzeugt. Es ist ein Seinszustand, weniger eine Eigenschaft für mich.

Das geht mit einem naiven Glauben einher, weil einem die Welt suggeriert …

Kimyan Law: Dass es nicht so ist. Die reellste Realität sei nicht Frieden, ich weiß. Deshalb verbindet man den Glauben daran als etwas Kindliches. Aber: Man kann auch zu einer Erkenntnis gelangen, obwohl man zuvor enttäuscht und verletzt wurde. Ich habe echte Liebe gesehen, oder besser gesagt: echte Glückseligkeit und echten Frieden erkannt. Diese Gefühle des Wahrhaftigen waren nie verbunden mit Reichtum, Materialismus, Gier oder Sucht. Es war und ist ein Gefühl, das aus dem Inneren kommt. Da ich diese fundamentale Liebe erkannt habe, glaube ich nicht nur an Frieden, sondern weiß, dass er existieren kann. Das lässt sich nicht umstoßen.

Du kannst es nicht mehr un-erkannt machen.

Kimyan Law: Es ist eine Erkenntnis, die mein Leben nicht leichter gemacht hat. Gerade im Erleiden habe ich aber erkannt, dass es Frieden geben kann. Deshalb hoffe ich, dass ich Menschen mit meiner Kunst auf einer seelischen Ebene erreiche. Damit sie sich im Kern öffnen.

Danke für das Gespräch!

Christoph Benkeser

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