Der niederösterreichische Musiker und Liederschreiber MARTIN ROTHENEDER ist in der heimischen Musikszene kein Unbekannter. Er ist seit mittlerweile fast 20 Jahren auf den Bühnen des Landes unterwegs und konnte sich unter anderem mit seinen Projekten wie BEN MARTIN und SOULITAIRE österreichweit einen Namen machen. Was ihn seit jeher auszeichnet, ist sein Mut, immer wieder neue musikalische Wege einzuschlagen. Sich einmal mehr neu erfunden hat sich MARTIN ROTHENEDER nun auf seinem eben erschienenen elften Album „Endlich wieder Feia”. Das Album markiert einen Neuanfang nach einer Zeit der persönlichen Krise und ist in gewisser Weise auch das Ankommen in genau der Art von Musik, nach der er lange gesucht hat. Im Interview mit Michael Ternai erzählt der St. Pöltener, was der Wechsel zur Mundart als Ausdrucksweise für ihn bedeutet, warum dies das Feuer in ihm neu entfacht hat und welche Erkenntnisse er während der Entstehung des neuen Albums gewonnen hat.
Dein neues Album heißt „Endlich wieder Feia“. Der Titel lässt vermuten, dass das Feuer eine Zeit lang verloren gegangen ist. Was waren die Gründe, dass du dein Feuer wieder entflammen musstest.
Martin Rotheneder: Ja, das kann man so sagen. Das Album ist das Ergebnis einer längeren Reise. Ich war in den Jahren und Jahrzehnten davor immer auf der Suche nach etwas, das ich nicht klar definieren konnte. Als ich als Soulitaire 2016 mein letztes Album veröffentlichte, hatte ich das Gefühl, dass sich da was in die richtige Richtung bewegt. Ich hatte nach langer Suche einen Weg für mich gefunden, wie ich ohne große Besetzung und viel Equipment mit meiner Musik reisen konnte. Dann fing ich an, mich mehr und mehr mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, was mir aber aufzeigte, dass weitere Reisen und Merch-Artikel zum Verkauf produzieren als Geschäftsmodell für mich nicht in Frage kommen. Das war so um Anfang 2021 herum, zu dem Zeitpunkt hatte ich schon wieder einige Singles veröffentlicht und bald genug Material für ein nächstes Soulitaire-Album. Und dann fand ich zur Mundart und damit ging alles erneut auf Anfang. Ich wollte meine Textinhalte in meiner unmittelbaren Umgebung verstanden wissen, auch in meiner eigenen Umgebung Leute mit meinen Themen erreichen. Aber das Ganze war eher eine Bauch- und keine Kopfentscheidung.
Das Alles war ein eher langer Prozess über fast zehn Jahre, der auch erfordert hat, dass ich mich den sich ständig ändernden Gegebenheiten in der Branche anpasse. Die Energie, die ich reingesteckt hab, ist dann aber oft weggeflossen. Und Anfang 2022 ist das Feuer dann wirklich ausgegangen. Ich habe nicht mehr schlafen können und litt unter Angstzuständen. Ich musste einiges ändern und dieser Prozess ist dann mehr oder weniger korreliert mit der Entstehung vieler der Songs, die man jetzt auf dem Album hört.
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Der Titel des Albums ist letztlich erst dieses Frühjahr gekommen. Ich arbeitete gerade an einer Songidee, die ich schon lange in mir herumgetragen habe. Ich war mir selber aber nie sicher, worum es dem Streitgespräch zwischen zwei Seiten im Strophentext wirklich geht. Erst nach der Fertigstellung des Albums, beim Anhören der fertigen Master, habe ich den Song dann letztlich wirklich verstanden, dass das Streitgespräch in der Strophe eigentlich von zwei Anteilen in mir geführt wird. Dem einen Teil, der sich von den Energiefressern der Vergangenheit befreit hat, und dem anderen, der noch in der Vergangenheit hängt. Der Song symbolisiert diese Erkenntnis, die ich in dieser Zeit hatte, sehr gut. Und deshalb war mir auch klar, dass der Titel des Songs, „Endlich wieder Feia“, auch der Titel des Albums sein muss.
Diese Erleichterung nach dieser Erkenntnis klingt auf diesem Album auch sehr stark durch. Der Ton, der in den Songs mitschwingt, vermittelt etwas Positives und Optimistisches. Mit dem Album sorgst du auf jeden Fall für ein schönes Kontrastprogramm zu der heutigen Zeit mit alle ihren Krisen. Hast du diese einfach ausgeblendet oder übten die dann doch auf irgendeine Weise Einfluss auf dein Songwriting aus?
Martin Rotheneder: Natürlich. Aber aufgrund der Angstzustände, die ich hatte, musste ich mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine meinen Medienkonsum auf jeden Fall einstellen. Nachrichten zu lesen, ging überhaupt nicht mehr. Ganz einfach, weil man ständig mit bedrohlichen Dingen konfrontiert war, die mir wirklich Angst gemacht haben. Vor dem Krieg war ja unter anderem die Klimakrise großes Thema. Meine Gefühle zu dieser verarbeitete ich unter anderem im Song „Gipfel“. Und vor der Klimakrise gab es die Corona Pandemie, in der unter anderem wegen der Impfung die gesellschaftliche Spaltung sichtbar wurde. Der Song “Nur Mitanaunda” setzt sich mit diesem Thema auseinander. In meinen Songs steckt also schon auch viel Politisches drinnen.
Das Schöne ist ja, dass du die schweren Dinge dann doch in eine positive Richtung kanalisierst.
Martin Rotheneder: Das muss ich auch. Das ist für mich ganz wichtig. Ich habe in den mittlerweile Jahrzehnten erkannt, dass ich, wenn ich auf der Bühne stehe und einen Song zu Ende gespielt habe, ein gutes Gefühl stehen lassen will. Ich benötige diese erhebende Emotion als Motivation für den kommenden Tag. Und ich glaube, dass auch viele andere diese brauchen.
Aber ich bin natürlich nicht naiv. Ich sehe die Probleme und die Krisen. Ich sehe die Dinge, die unlösbar erscheinen und fassungslos machen, wie den Krieg, der gerade zwischen Israel und der Hamas entflammt ist. Aber trotzdem finde ich, dass Veränderung nur dann möglich ist, wenn man nicht vollkommen in eine Depression oder Lethargie verfällt. Ich muss mir schon eine Restenergie und -hoffnung bewahren, dass ich aufstehen und sagen kann, morgen gehe ich etwas an. Darum versuche ich schon, eine gewisse Distanz zu den schlimmen Ereignissen zu bewahren und mich noch in diesem Positiven zu bewegen. Das hängt auch mit meinen Kindern zusammen. Ich möchte ihnen nicht ständig das Gefühl geben, die Welt endet morgen.
„Endlich wieder Feia“ ist dein erstes ganzes Album in deutscher Sprache. Empfindest du den Wechsel der Sprache zusätzlich auch als eine Art Befreiung?
Martin Rotheneder: Auf jeden Fall. Auch wenn alle in Österreich Englisch können, hören die Leute anders auf Texte in englischer Sprache hin als auf Texte in deutscher Sprache. Man muss bei einem englischen Text einfach aufmerksamer zuhören und ein wenig mehr mitlesen. Das Englische verführt eher dazu, einfach dem Klang zu folgen. Das ist bei deutschen Texten anders. Besonders, wenn jemand in der Mundart singt, muss man nicht wirklich darauf achten, was der- oder diejenige singt, um zu verstehen, worum es geht. Die direkte Kommunikation ist eine grundlegend andere. Ich habe immer schon versucht, meine Themen zu transportieren, nur muss man viel mehr erklären, wenn ein Text auf Englisch ist. In der Mundart ist es einfacher, relativ klare Worte zu finden. Und das ist tatsächlich eine Befreiung für mich.
„Für mich aber dennoch am positivsten ist das unmittelbare Feedback des Publikums.“
Und was erwartest du dir vom Wechsel in die Mundart? Wie ist dieser Schritt von deinem Umfeld, deinen Fans aufgenommen worden?
Martin Rotheneder: Ich habe das Feedback bekommen, dass so gut meine Songs auf Englisch auch geklungen haben, sie in der Mundart runder und von der Stimme her offener wirken. Dieses Feedback freut mich natürlich sehr. Radiotechnisch ist es dafür etwas schwieriger geworden. Für FM4 bin ich inzwischen zu wenig alternativ, für die Regionalradios Großteils wieder zu viel. Aber das ist halt das ewige Problem in Österreich. Wenn die Musik nicht total auf der aktuellen Linie ist, trauen sich die Sender auch nicht über sie drüber. Da habe ich die Auswirkungen des Wechsels am ehesten gespürt.
Für mich aber dennoch am positivsten ist das unmittelbare Feedback des Publikums. Beim Releasekonzert sind mir die Leute zum Teil wirklich um den Hals gefallen, weil sie so berührt waren und sich in den Liedern und Texten wiedergefunden haben. Und das ist mir davor noch nie passiert. Da hat mir die Mundart in ihrer Direktheit sicher geholfen.
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Das Interessante an diesem Album ist auch, dass du es praktisch alleine eingespielt hast. Ich stelle mir das herausfordernd vor. Läuft man, wenn man so etwas tut, nicht auch Gefahr, sich zu verzetteln und das Ziel aus den Augen zu verlieren?
Martin Rotheneder: Das passiert bei mir wenn, dann beim Mischen. Da zeigt sich bei mir schon ein Hang zu einem gewissen Perfektionismus. Beim Einspielen der Musik habe ich gelernt den Perfektionismus zurückzuschrauben.
Es hat sich das Ganze vielleicht sogar etwas entgegengesetzt entwickelt. Ich habe manche Sachen früher etwas weniger genau genommen. Vor allem bei Dingen, die im Mix irgendwo auf der Seite liegen, wie zum Beispiel bei Backing Vocals. Da dachte ich mir oft, okay, ist jetzt nicht perfekt, aber mit ein bißchen Hall drauf passt das schon. Bei diesem Album habe ich mir aber schon das Ziel gesetzt, dass alles ordentlich ist und ich so lange an den einzelnen Teilen arbeite, bis sie wirklich passen.
Kann man sagen, dass du alleine besser funktionierst, als in einem Bandgefüge. Du hast zwar in einer Band begonnen, ziehst aber mittlerweile deine Projekte schon länger quasi solo durch.
Martin Rotheneder: Das stimmt. Aber eigentlich habe ich mein allererstes Soloalbum vor 20 Jahren auch weitgehend alleine eingespielt. Aber nach vielen Jahren alleine auf der Bühne muss ich zugeben, dass es im Moment noch relativ ungewohnt für mich ist, fallweise wieder mit einer Band auf der Bühne zu stehen. Einerseits ist das wirklich toll, weil sich mit einer Band, oder sogar auch im Duo, der Sound des Albums wirklich schön umsetzen lässt. Aber ich genieße es auch nach wie vor wahnsinnig, solo zu spielen, weil ein Solokonzert sehr viel Raum lässt und eine ganz andere Qualität des Geschichtenerzählens bietet und ich viel mehr mit Dynamiken spielen kann. Letztlich ist es schön, so viele Optionen zu haben!
Was ist dein Ziel mit diesem Album? Was muss geschehen, dass du dir sagst, dass sich alle Mühe gelohnt hat?
Martin Rotheneder: Ich würde sagen, dass alleine die Tatsache, dass das Album überhaupt erschienen ist, ein großer Erfolg ist. Dass es jetzt draußen ist und ich das Vinyl in den Händen halten kann, ist ein richtiger Meilenstein für mich. Der wesentlichste Erfolgsfaktor für mich sind die Begegnungen mit den Menschen und die Herstellung von Verbindungen. Im Frühjahr habe ich mir tatsächlich die Frage gestellt, warum ich mir den ganzen Aufwand, den ein Release mit sich bringt, überhaupt antun will und was mich wirklich antreibt. Und mir ist klar geworden, dass ich in den letzten Jahren am meisten die Gelegenheit vermisst habe, durch die Musik Menschen zu treffen. Weil mir bewusst wurde, wie viele Freundschaften ich über die Jahrzehnte auf meiner Reise als Musiker mitgenommen habe.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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